China überrollt die Welt. Die »Belt and Road-Initiative«, 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping lanciert, sieht vor, von China aus über ein Netz von Bahn-, Straßen- und Schiffsverbindungen Länder in Zentral- und Südostasien, Nord- und Ostafrika sowie Europa wirtschaftlich miteinander zu verbinden. Ein gigantisches Infrastrukturprojekt, in das China - auch in den angeschlossenen Ländern - Milliarden investiert. Die neue Seidenstraße soll nicht nur China, sondern auch den Staaten entlang der verschiedenen Routen großartige Handelsmöglichkeiten sowie Frieden und Prosperität bringen.
So sehr das Projekt in einzelnen Ländern auf Begeisterung stößt, so stark wächst auch die Skepsis: Was, wenn China nicht nur Handelswege eröffnet, sondern neben Konsumgütern auch sein Werte- bzw. sein politisches System exportiert? Was, wenn China sich mit der neuen Seidenstraße nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Macht auf der Welt sichern will? Die EU ist skeptisch und hält sich vorerst zurück. Die Schweiz hingegen sieht für sich große wirtschaftliche Möglichkeiten.
So sehr das Projekt in einzelnen Ländern auf Begeisterung stößt, so stark wächst auch die Skepsis: Was, wenn China nicht nur Handelswege eröffnet, sondern neben Konsumgütern auch sein Werte- bzw. sein politisches System exportiert? Was, wenn China sich mit der neuen Seidenstraße nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Macht auf der Welt sichern will? Die EU ist skeptisch und hält sich vorerst zurück. Die Schweiz hingegen sieht für sich große wirtschaftliche Möglichkeiten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2021Auf der neuen Seidenstraße
Reportage über Chinas Infrastrukturprojekt
Im Westen wenig beachtet, ebnet ein gigantisches Infrastrukturprojekt Chinas Weg zur Weltmacht: 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping nach 2000 Jahre altem historischen Vorbild ab Yiwu als logistischem Ausgangspunkt angeschoben, will die "Neue Seidenstraße" China bis 2049 über ein Netz von Handelsrouten mit fast 70 Staaten in Asien, Europa und Afrika über Straße, Schiene, Wasser und Luft wirtschaftlich verbinden. Schon jetzt hat Peking in die "Belt and Road"-Initiative" viele Milliarden gesteckt und allerorts Verkehrswege gebaut, vergrößert oder finanziert. Der Schweizer Fotojournalist Patrick Rohr schaute sich im vergangenen Jahr den Stand der Dinge im Korridor vor Europas Haustür an. Sein Blick auf Land und Leute ist in einen exzellenten, bunten Bild- und Textband eingegangen.
Die avisierten zwölf Anrainerstaaten der neuen Seidenstraße musste der gelernte Dokumentar- und Porträtfotograf bei der Reise auf die Hälfte reduzieren: Dazu zwang ihn in China gleich zu Beginn die erste Welle von Corona zunächst, auf die westlichen Staaten Polen, Ukraine und Rumänien auszuweichen, bis er über die Türkei und Kirgistan nach China zurückkehren konnte. Im Buch reihen sich die Länderporträts dennoch systematisch von Ost nach West. Auch sonst ist von den Tücken der Recherche in den schwierigen Staatsgebilden und fremden Kulturen wenig zu spüren. Bewundernswert, wie es dem Autor gelungen ist, mit Menschen verschiedenster Alters-, Volks- und Berufsgruppen, darunter viele Unternehmer, ins Gespräch zu kommen, ihnen Zukunftserwartungen zu entlocken und sie ebenso ansprechend wie authentisch ins Bild zu setzen.
Seine zahlreichen Begegnungen ergänzt Rohr mit ausdrucksstarken Landschaftsaufnahmen sowie Bildern von Straßen, Fabriken, Logistikzentren, Restaurants und Clubs. Atemberaubend vor allem Riesen-Handelszentren wie die chinesische Drehscheibe des Dodoir-Marktes in Kirgistan oder der "Rote Drache" am Rand der rumänischen Hauptstadt Bukarest, mit 250 000 Quadratmetern der größte Markt Südeuropas mit ausschließlich Waren aus China. Hier wie auch anderswo auf der neuen Seidenstraße verkauft Peking neben Gütern auch seine Weltanschauung. Für die Anrainerstaaten, schreibt Rohr, ist das verbunden mit "mehr Gefahren als Chancen, weil sie in verhängnisvolle Abhängigkeit von China geraten".
ULLA FÖLSING
Patrick Rohr: Die neue Seidenstraße. Chinas Weg zur Weltmacht. Eine fotojournalistische Reise, Orell Füssli Verlag, Zürich 2021, 248 Seiten, 36 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Reportage über Chinas Infrastrukturprojekt
Im Westen wenig beachtet, ebnet ein gigantisches Infrastrukturprojekt Chinas Weg zur Weltmacht: 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping nach 2000 Jahre altem historischen Vorbild ab Yiwu als logistischem Ausgangspunkt angeschoben, will die "Neue Seidenstraße" China bis 2049 über ein Netz von Handelsrouten mit fast 70 Staaten in Asien, Europa und Afrika über Straße, Schiene, Wasser und Luft wirtschaftlich verbinden. Schon jetzt hat Peking in die "Belt and Road"-Initiative" viele Milliarden gesteckt und allerorts Verkehrswege gebaut, vergrößert oder finanziert. Der Schweizer Fotojournalist Patrick Rohr schaute sich im vergangenen Jahr den Stand der Dinge im Korridor vor Europas Haustür an. Sein Blick auf Land und Leute ist in einen exzellenten, bunten Bild- und Textband eingegangen.
Die avisierten zwölf Anrainerstaaten der neuen Seidenstraße musste der gelernte Dokumentar- und Porträtfotograf bei der Reise auf die Hälfte reduzieren: Dazu zwang ihn in China gleich zu Beginn die erste Welle von Corona zunächst, auf die westlichen Staaten Polen, Ukraine und Rumänien auszuweichen, bis er über die Türkei und Kirgistan nach China zurückkehren konnte. Im Buch reihen sich die Länderporträts dennoch systematisch von Ost nach West. Auch sonst ist von den Tücken der Recherche in den schwierigen Staatsgebilden und fremden Kulturen wenig zu spüren. Bewundernswert, wie es dem Autor gelungen ist, mit Menschen verschiedenster Alters-, Volks- und Berufsgruppen, darunter viele Unternehmer, ins Gespräch zu kommen, ihnen Zukunftserwartungen zu entlocken und sie ebenso ansprechend wie authentisch ins Bild zu setzen.
Seine zahlreichen Begegnungen ergänzt Rohr mit ausdrucksstarken Landschaftsaufnahmen sowie Bildern von Straßen, Fabriken, Logistikzentren, Restaurants und Clubs. Atemberaubend vor allem Riesen-Handelszentren wie die chinesische Drehscheibe des Dodoir-Marktes in Kirgistan oder der "Rote Drache" am Rand der rumänischen Hauptstadt Bukarest, mit 250 000 Quadratmetern der größte Markt Südeuropas mit ausschließlich Waren aus China. Hier wie auch anderswo auf der neuen Seidenstraße verkauft Peking neben Gütern auch seine Weltanschauung. Für die Anrainerstaaten, schreibt Rohr, ist das verbunden mit "mehr Gefahren als Chancen, weil sie in verhängnisvolle Abhängigkeit von China geraten".
ULLA FÖLSING
Patrick Rohr: Die neue Seidenstraße. Chinas Weg zur Weltmacht. Eine fotojournalistische Reise, Orell Füssli Verlag, Zürich 2021, 248 Seiten, 36 Euro.
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