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Dieses Buch befaßt sich mit einer bisher vernachlässigten Schattenseite der internationalen Kooperation, nämlich der Verminderung demokratischer Einflußmöglichkeiten aufgrund der Selbstbindungen, die nationale Regierungen untereinander eingehen. Aus einer die unterschiedlichen politikwissenschaftlichen Zugänge der Regierungslehre, der Demokratietheorie und der Internationalen Beziehungen miteinander verbindenden Untersuchungsperspektive deutet Klaus Dieter Wolf die zunehmende Verlagerung von Regierungstätigkeiten in den Raum jenseits des Staates als Ausdruck einer Politik der Neuen…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch befaßt sich mit einer bisher vernachlässigten Schattenseite der internationalen Kooperation, nämlich der Verminderung demokratischer Einflußmöglichkeiten aufgrund der Selbstbindungen, die nationale Regierungen untereinander eingehen. Aus einer die unterschiedlichen politikwissenschaftlichen Zugänge der Regierungslehre, der Demokratietheorie und der Internationalen Beziehungen miteinander verbindenden Untersuchungsperspektive deutet Klaus Dieter Wolf die zunehmende Verlagerung von Regierungstätigkeiten in den Raum jenseits des Staates als Ausdruck einer Politik der Neuen Staatsräson, mit der die nationalen Regierungen versuchen, sich neue Handlungsspielräume auch gegenüber ihren eigenen Gesellschaften zu verschaffen. Vor dem Hintergrund verschiedener demokratietheoretischer Modelle wird zur Lösung des daraus resultierenden Demokratieproblems eine geordnete Entstaatlichung des Regierens jenseits des Staates propagiert.
Das Buch richtet sich an Leserinnen und Leser aus der Wissenschaft, den Medien, der Politik und der außenpolitisch interessierten Öffentlichkeit, die mehr über die Internationalisierung des Regierens wissen möchten.
Der Verfasser ist Professor an der TU Darmstadt.
Autorenporträt
Klaus Dieter Wolf ist stellvertretender Direktor der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie Professor für Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Darmstadt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2000

In den Farben einer Verschwörungstheorie
Vorschläge für eine Redemokratisierung der internationalen Zusammenarbeit

Klaus Dieter Wolf: Die Neue Staatsräson - Zwischenstaatliche Kooperation als Demokratieproblem in der Weltgesellschaft. Plädoyer für eine geordnete Entstaatlichung des Regierens jenseits des Staates. Weltpolitik im 21. Jahrhundert, Band 3. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000. 260 Seiten, 36,- Mark.

Staaten kooperieren in immer mehr Bereichen und bilden ein enges Geflecht von völkerrechtlichen Verträgen und internationalen Institutionen. Durch die dabei eingegangenen Selbstbindungen entziehen sie sich zunehmend den Partizipationsansprüchen ihrer Gesellschaften. Dass dieser Verlust an Demokratie kein Betriebsunfall, sondern Zweck der Übung sei, ist die These von Klaus Dieter Wolf. Schon der Begriff der Staatsräson stellt die auf internationale Kooperation und Selbstbindung zielende Politik in die Tradition von Strategien, die vor allem der Selbsterhaltung des Staates und der Verteidigung seiner Autonomie dienen. Ein Blick in die Begriffsgeschichte zeigt, dass mit dem Verweis auf die Staatsräson schon immer beides verteidigt werden sollte: der Handlungsspielraum gegenüber anderen Staaten und die Autonomie gegenüber der eigenen Gesellschaft. Durch die Zusammenführung der außen- und innenpolitischen Dimension staatlichen Autonomiestrebens zu einem kohärenten Ansatz gelingt es Wolf, einen neuen, kritischen Blick auf das Regieren jenseits des Nationalstaates und die daraus resultierenden Probleme für die Demokratie zu eröffnen.

Der Blickwinkel der "Neuen Staatsräson" rückt manchen Verlust staatlicher Souveränität in ein anderes Licht. So erscheint etwa die Wirtschafts- und Währungsunion als geschickte Strategie der EU-Staaten, innenpolitische Spielräume in der Finanz- und Haushaltspolitik wiederzugewinnen. Denn ein Autonomieverlust der Mitgliedstaaten ist die Währungsunion nur, wenn der Blick auf die Arena der zwischenstaatlichen Politik verengt wird. Regierungen müssen ihre Autonomie jedoch an zwei Fronten zugleich verteidigen, und in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Begehrlichkeiten können sie die währungspolitische Selbstbindung durchaus als Autonomiegewinn verbuchen.

Wolf präsentiert den Befund eines internationalen Demokratiedefizits als intendiertes Ergebnis des staatlichen Autonomiestrebens. Er begibt sich auf eine Gratwanderung zwischen differenzierter Analyse, die auch alternative Sichtweisen zu Wort kommen lässt, und Verschwörungstheorie, die die "Neue Staatsräson" auch dort am Werk sieht, wo die Autonomiegewinne des Staates keineswegs eindeutig ausfallen. So werden noch die Einschränkungen staatlicher Souveränität durch den internationalen Menschenrechtsschutz als schlüssige Strategie zur Rettung des Souveränitätsprinzips interpretiert, weil das Staatensystem insgesamt durch das "Aussortieren fauler Äpfel" stabilisiert werde. Und der Mangel an zwischenstaatlicher Kooperation im Bereich sozialpolitischer Standards wird nicht auf die Machtlosigkeit von Staaten gegenüber der Wirtschaft zurückgeführt, sondern auf deren Strategie, sich gerade durch den Abbau von Sozialstandards innenpolitische Handlungsspielräume zu verschaffen. Dass dieser Befund für neoliberale wie sozialdemokratische Regierungen gleichermaßen gelten soll, kann jedoch mit einem Fragezeichen versehen werden. Wolfs Darstellung internationaler Politik in den Farben einer Verschwörungstheorie sollte wohl generell nicht für bare Münze genommen, werden. Er will einen Beweggrund staatlicher Politik pointiert herausarbeiten und es der späteren Diskussion überlassen, ihn zu anderen Antriebskräften ins rechte Verhältnis zu setzen.

Im zweiten Teil des Buches diskutiert Wolf Möglichkeiten einer Redemokratisierung. Er stellt das mittlerweile reiche Angebot an Reformvorschlägen vor und misst es am Kriterium der "Kontexttauglichkeit". Denn die Demokratie jenseits des Nationalstaates muss mit den Besonderheiten des internationalen Regierens kompatibel sein: Sie kann nicht, wie im Rahmen des Nationalstaates, auf ein ausgeprägtes vorpolitisches Gemeinschaftsgefühl bauen. Sie muss ferner der Komplexität des internationalen Regierungssystems gerecht werden, das sich aus einer Vielzahl von Institutionen mit unterschiedlichen Mitgliedschaften und Funktionen zusammensetzt. Schließlich muss sie dem auf Konsens zielenden, horizontalen Verhandlungsstil zwischen den nationalen Regierungen entsprechen und kann nicht mehr auf Mehrheitsentscheidungen und hierarchische Steuerung setzen. Das Vorbild zur Demokratie jenseits des Nationalstaates findet Wolf im Modell der "deliberativen Demokratie", das auf die Legitimität erzeugende Kraft des öffentlichen Vernunftgebrauchs setzt. Um ihm zum Durchbruch zu verhelfen, muss jedoch das Monopol der Staaten gebrochen werden, internationale Regelungen in der Tradition der Geheimdiplomatie auszuhandeln. Als Repräsentanten der Zivilgesellschaft sollen daher Nichtregierungsorganisationen an den Verhandlungsprozessen teilnehmen. Ergänzt werden kann dieses Modell durch das Damoklesschwert fakultativer Referenden, die die Position der betroffenen Bürger stärken sollen.

Dem Staat bleibt dabei die Funktion, die Infrastruktur der "deliberativen Demokratie" jenseits des Nationalstaates bereitzustellen und zwischen den verschiedenen Foren zu moderieren. Aber werden die Staaten, die von einem Interesse an Selbsterhaltung und Autonomiewahrung getrieben sind, den geordneten Rückzug antreten? Die Reformdiskussionen in den Vereinten Nationen und der Europäischen Union, die Eigendynamik des internationalen Menschenrechtsschutzes und der Druck einer transnationalen Zivilgesellschaft veranlassen Wolf zu einer optimistischen Antwort - viel zu optimistisch für einen wirklichen Veschwörungstheoretiker.

WOLFGANG WAGNER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Klaus Dieter Wolf konstatiert nach dem Referat des Rezensenten Wolfgang Wagner einen gewissen Demokratieverlust in den modernen Staaten durch die Knüpfung immer zahlreicherer internationaler Verträge, die die Staaten binden, ohne dass das Volk an den Verhandlungen tatsächlich partizipieren kann. Nach Wagner sieht Wolf darin durchaus auch positive Aspekte: Die Währungsunion hätte es den Staaten der EU zum Beispiel erlaubt, Reformen durchzusetzen, die an den Gesellschaften sonst gescheitert wären. Wagner entdeckt an dem Buch allerdings auch Züge einer "Verschwörungstheorie", nach der die Staaten bewusst nach außen auf Souveränität verzichteten, um sie nach innen wieder zu gewinnen. Dabei plädiert er aber dafür, diese "Verschwörungstheorie" nicht beim Wort zu nehmen: Sie sei wohl eher als Diskussionsanstoß gedacht. Auch im zweiten Teil des Buchs, wo es um die Wiedergewinnung innerer Demokratie geht, findet Wagner Anregungen. Mit Interesse berichtet er über Wolfs Vorschlag, regierungsunabhängige Organisationen an internationalen Verhandlungen teilnehmen zu lassen und damit eine innergesellschaftliche Repräsentation in der Diplomatie zu ermöglichen.

© Perlentaucher Medien GmbH