Mit aller Wucht bricht eine neue Epoche des Kapitalismus über uns herein. An der Börse werden die Sieger gekürt und die Verlierer verdammt. Der Aktienkurs ist das Maß aller Dinge. Nationalstaatliche Verantwortung? Soziale Errungenschaften? Der fondsgesteuerte Kapitalismus ist effizient und grausam zugleich. Shareholder-Value heißt die neue Weltmacht. Andreas Nölting beschreibt, worum es geht. Milliardenschwere Fondsfirmen sind die wahren Herrscher der weltweiten Kapitalmärkte. Im Fachjargon heißen sie "Institutionelle Investoren". Diese Großanleger halten Aktienpakete an den wichtigsten internationalen Unternehmen, ihr Anteil am Gesamtkapital der globalen Finanzmärkte nimmt stetig zu. Für Manager, die sich nicht den Interessen der Aktionäre beugen, ist in diesem System kein Platz. Und Politiker, die sich mit wirtschaftsfernen Regulierungen gegen die Gesetze des Marktes stemmen, werden ins Abseits gedrängt. Andreas Nölting schildert diese dramatischen Entwicklungen, die uns alle ange hen, engagiert und sachkundig. Sein Buch ist ein brillant geschriebener Report mit vielen Porträts, Zahlen und Beispielen. Er holt die Fondsmanager aus ihrer Anonymität heraus und beschreibt, wer sie sind und wie sie arbeiten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2000"Inquisitoren des Shareholder value"
Ein Autor findet schnell die Übeltäter: Die Fondsmanager
Andreas Nölting: Die neue Supermacht Börse. Wie Fondsmanager unsere Welt verändern. Rowohlt Verlag, Reinbek 2000, 282 Seiten, 42 DM.
In Andreas Nöltings Welt haben Fondsmanager die Macht übernommen. Sie treiben als "Inquisitoren des Shareholder value" und "Helden des Aktionärskapitalismus" zusammen mit den gierig gewordenen, "entfesselten" Kleinsparern die Unternehmen brutal zu Effizienz und permanentem Wachstum an. Für die Fonds ist die Welt ein Spielcasino, und nach einem gelungenen Geschäftsjahr gibt es Champagnerpartys bei den Investmentbankern; anschließend werden die Ausstellungsräume der Porsche- und Ferrari-Händler gestürmt. Im Effekt überrollt eine riesige Finanzlawine den Globus, die kein Notenbankmann oder Politiker steuern kann. Nöltings Fazit lautet: Die Supermacht Börse ist nicht zu stoppen, sie spaltet die Gesellschaft, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.
Die letzte Feststellung zeigt, woran dieses Buch krankt: Auf den ersten Blick einleuchtende Behauptungen oder Allgemeinplätze werden plakativ und undifferenziert vorgetragen, Beweise bleibt der Verfasser weitgehend schuldig. Zwar finden sich Tabellen und Statistiken in dem Buch, doch diese sind nicht geeignet, die Thesen des Autors zu fundieren. Nölting ergeht sich in Behauptungen, bleibt dem Leser aber eine differenzierte Analyse der Wirklichkeit sowie eine analytisch ansprechende Aufarbeitung des Themenkomplexes schuldig. Möglicherweise liegt das auch daran, daß er sich selbst nicht ganz schlüssig ist, wie er das Thema abschließend beurteilen soll: So entwirft er das plakative Bild eines Arbeitsplätze zerstörenden Shareholder-Kapitalismus, räumt aber auch ein, daß Shareholder-value-Konzepte Unternehmen vor dem Ruin bewahren und Arbeitsplätze retten. Wäre er etwas tiefer in das Thema eingedrungen, hätte er diesen Widerspruch auflösen können: Die Arbeitsplätze, die durch den Shareholder-Kapitalismus "vernichtet" werden, hätten nur noch mit massivem staatlichen Aufwand gehalten, aber auch nicht gerettet werden können, weil Ineffizienzen und Unwirtschaftlichkeit unter dem kalten Stern der Knappheit auf Dauer nicht zu halten sind - und auch nicht gehalten werden sollten.
HANNO BECK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Autor findet schnell die Übeltäter: Die Fondsmanager
Andreas Nölting: Die neue Supermacht Börse. Wie Fondsmanager unsere Welt verändern. Rowohlt Verlag, Reinbek 2000, 282 Seiten, 42 DM.
In Andreas Nöltings Welt haben Fondsmanager die Macht übernommen. Sie treiben als "Inquisitoren des Shareholder value" und "Helden des Aktionärskapitalismus" zusammen mit den gierig gewordenen, "entfesselten" Kleinsparern die Unternehmen brutal zu Effizienz und permanentem Wachstum an. Für die Fonds ist die Welt ein Spielcasino, und nach einem gelungenen Geschäftsjahr gibt es Champagnerpartys bei den Investmentbankern; anschließend werden die Ausstellungsräume der Porsche- und Ferrari-Händler gestürmt. Im Effekt überrollt eine riesige Finanzlawine den Globus, die kein Notenbankmann oder Politiker steuern kann. Nöltings Fazit lautet: Die Supermacht Börse ist nicht zu stoppen, sie spaltet die Gesellschaft, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.
Die letzte Feststellung zeigt, woran dieses Buch krankt: Auf den ersten Blick einleuchtende Behauptungen oder Allgemeinplätze werden plakativ und undifferenziert vorgetragen, Beweise bleibt der Verfasser weitgehend schuldig. Zwar finden sich Tabellen und Statistiken in dem Buch, doch diese sind nicht geeignet, die Thesen des Autors zu fundieren. Nölting ergeht sich in Behauptungen, bleibt dem Leser aber eine differenzierte Analyse der Wirklichkeit sowie eine analytisch ansprechende Aufarbeitung des Themenkomplexes schuldig. Möglicherweise liegt das auch daran, daß er sich selbst nicht ganz schlüssig ist, wie er das Thema abschließend beurteilen soll: So entwirft er das plakative Bild eines Arbeitsplätze zerstörenden Shareholder-Kapitalismus, räumt aber auch ein, daß Shareholder-value-Konzepte Unternehmen vor dem Ruin bewahren und Arbeitsplätze retten. Wäre er etwas tiefer in das Thema eingedrungen, hätte er diesen Widerspruch auflösen können: Die Arbeitsplätze, die durch den Shareholder-Kapitalismus "vernichtet" werden, hätten nur noch mit massivem staatlichen Aufwand gehalten, aber auch nicht gerettet werden können, weil Ineffizienzen und Unwirtschaftlichkeit unter dem kalten Stern der Knappheit auf Dauer nicht zu halten sind - und auch nicht gehalten werden sollten.
HANNO BECK
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hanno Beck kann diesem Buch nicht viel abgewinnen. Es stört ihn, dass für Nölting Fondsmanager die Bösewichter sind, die eigentliche Macht innehaben und für die die "Welt ein Spielcasino" sei. Beck sieht hier "plakativ und undifferenziert" Klischees aufgelistet, die an keiner Stelle bewiesen werden. Zwar gebe es "Tabellen und Statistiken" in diesem Buch. Begründet werde aber dadurch gar nichts. Nach Ansicht des Rezensenten scheitert Nölting an der Komplexität dieses Themas, und er vermutet, dass der Autor selbst recht unsicher ist, wie er "das Thema abschließend beurteilen soll". So seien beispielsweise seine Ausführungen zum Shareholder Value durchaus widersprüchlich. Denn einerseits beklage er die Arbeitsplatzvernichtung durch Shareholder-value-Strategien, zum anderen wisse er sehr wohl, dass dadurch auch Arbeitsplätze geschaffen werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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