Jetzt schon ein politisches Standardwerk!
Das Zeitalter der zwischenstaatlichen Kriege geht offenbar zu Ende. Aber der Krieg ist keineswegs verschwunden, er hat nur seine Erscheinungsform verändert. In den neuen Kriegen spielen nicht mehr die Staaten die Hauptrolle, sondern Warlords, Söldner und Terroristen. Die Gewalt richtet sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung; Hochhäuser werden zu Schlachtfeldern, Fernsehbilder zu Waffen. Herfried Münkler macht die Folgen dieser Entwicklung deutlich. Er zeigt, wie mit dem Verschwinden von klassischen Schlachten und Frontlinien auch die Unterscheidung von Krieg und Frieden brüchig geworden ist, und erörtert, wie man den besonderen Gefahren begegnen kann, die von den neuen Kriegen ausgehen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Das Zeitalter der zwischenstaatlichen Kriege geht offenbar zu Ende. Aber der Krieg ist keineswegs verschwunden, er hat nur seine Erscheinungsform verändert. In den neuen Kriegen spielen nicht mehr die Staaten die Hauptrolle, sondern Warlords, Söldner und Terroristen. Die Gewalt richtet sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung; Hochhäuser werden zu Schlachtfeldern, Fernsehbilder zu Waffen. Herfried Münkler macht die Folgen dieser Entwicklung deutlich. Er zeigt, wie mit dem Verschwinden von klassischen Schlachten und Frontlinien auch die Unterscheidung von Krieg und Frieden brüchig geworden ist, und erörtert, wie man den besonderen Gefahren begegnen kann, die von den neuen Kriegen ausgehen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002Unsichtbare Fronten
Neue Kriege ähneln alten Vorbildern / Von Klaus Hildebrand
Krieg zu führen, stellt Herfried Münkler mit Blick auf die in unserer Zeit wachsende Anzahl bewaffneter Konflikte fest, lohnt sich wieder. Gemeint ist damit nicht der große Staatenkrieg, der selbst für den Sieger nichts als Ruin hinterläßt und den der Autor deshalb, pourvu que ça dure, als "historisches Auslaufmodell" einschätzt. Sein Urteil bezieht sich vielmehr auf die zahlreichen kleinen Kriege, die vornehmlich in der Dritten Welt zu beobachten sind und die Grenzen zwischen Kriegführung, Banditentum und Terrorismus verschwimmen lassen.
Wie diese Spezies des neuen Krieges ins Kraut schießt, untersucht der Autor gedankenreich. Zwei wesentliche Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte faßt er zusammen: Zum einen hat der Staat als "Monopolist des Krieges" in jenen weiten Teilen der Welt abgedankt, die vom historischen Tribalismus in die moderne Globalisierung geschleudert wurden, ohne zuvor die - nach okzidentalem Geschichtsverständnis jedenfalls - unverzichtbaren Elemente klassischer Staatlichkeit genügend stark ausgebildet zu haben. Zum anderen repräsentieren die neuen Kriege nicht mehr länger militärische Auseinandersetzungen zwischen gleichberechtigten Subjekten der Staatenwelt; sie sind vielmehr "asymmetrisch" geworden. Ihre Existenz verdanken sie vor allem dem Umstand, "daß in der Regel nicht gleichartige Gegner miteinander kämpfen. Es gibt keine Fronten mehr, und deshalb kommt es auch nur selten zu Gefechten und eigentlich nie zu großen Schlachten, so daß sich die militärischen Kräfte nicht aneinander reiben und verbrauchen, sondern sich gegenseitig schonen und die Gewalt statt dessen gegen die Zivilbevölkerung richten."
Daß der neue Krieg im Grunde alten Vorbildern ähnelt, macht der Verfasser in einem aufschlußreichen Rückblick auf die verwandten Phänomene des Dreißigjährigen Krieges klar, als sich - denkt man nur an so pittoreske Gestalten wie Ernst von Mansfeld, Christian von Braunschweig oder Albrecht von Wallenstein - der Krieg aus dem Krieg ernährte und ungeachtet seiner ihn ursprünglich verursachenden sowie auch weiterhin begleitenden Motive religiöser und politischer Natur mehr und mehr an "Verselbständigung" gewann. Als im Gefolge der Erfahrungen dieser Europa heimsuchenden Katastrophe der Staat das Recht, über Krieg und Frieden zu befinden, resolut in die eigene Hand nahm, als die Doktrin der Souveränität jedem Staat das Recht auf Kriegführung einräumte und die Lehre vom gerechten Krieg zurücktrat, bildete sich jenes Völkerrecht der Neuzeit aus, das die Einhegung des Krieges, seine Verstaatlichung und Kontrollierbarkeit der Tendenz nach, zumindest bis zu den beiden Weltkriegen des zwanzigsten Jahrhunderts, erlaubte.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und mit der Renaissance der Überzeugung vom gerechten Krieg, der Münkler zufolge seine Entsprechung im Heiligen Krieg findet, uferten die bis dahin nicht selten als Stellvertreterkriege der Blöcke ausgetragenen Konflikte in der Dritten Welt aus: Warlords, Bürgerkriegsparteien und regionale Milizen führen den neuen Krieg auf eigene Rechnung, der nur ihnen selbst dient und allen anderen, den ausgepowerten Regionen zumal, jedoch schadet. Heute ist diese Form des Krieges noch lohnender und eher möglich als vor Jahrhunderten, weil über den eigentlichen Schauplatz der Konflikte hinaus die Kriegführenden von der "Schattenglobalisierung" profitieren, vom billigen Waffenmarkt, der seit dem Ende der Sowjetunion entstanden ist, von humanitären Hilfsleistungen, von denen sich die Täter oftmals vor den Opfern ihren Teil sichern, und von den modernen Medien, die globale Aufmerksamkeit sichern und damit nicht zuletzt den Zufluß gespendeter Güter fördern.
Nach Münklers anregenden Betrachtungen zum neuen Krieg, die bis zu einer Analyse des Terrorismus reichen, bleibt vor allem dies festzuhalten: Wo Staaten und Staatlichkeit zerfallen oder gar abdanken, ziehen Anarchie und Krieg ein. Daher ist, was die etatistische Kernaufgabe angeht, nämlich den Schutz der Bürger nach innen und außen zu garantieren, auch in Europa nicht weniger, sondern mehr Staat erforderlich, auf keinen Fall mehr Privatisierung, sondern das gerade Gegenteil davon. Zum anderen widerlegt der Verfasser einmal mehr das alte, durchaus sympathische Dogma des Liberalismus, wonach voranschreitende Kapitalisierung, Zivilisierung und Demokratisierung der allgemeinen Verhältnisse einen Zustand des ewigen Friedens und das Ende der alten Macht-Geschichte gleichsam automatisch mit sich bringen würden.
Münkler zufolge ist die "Theorie des demokratischen Friedens" im übrigen viel "weniger bedeutsam und folgenreich", als oftmals angenommen wird, weil sie den Kern der Probleme unserer Zeit kaum trifft. Wenn nämlich die Anzahl der neuen Kriege mit ihren auch die Metropolen in Mitleidenschaft ziehenden Folgen zunimmt und wenn sich die nicht zuletzt auch finanziellen Grenzen der militärischen, gleichfalls in der Regel "asymmetrischen" Interventionen des Westens bemerkbar machen werden, wenn der staatliche Rückzug aus dem Kernbereich von Krieg und Frieden nicht in weltweitem Umfang aufgehalten werden kann und wenn an die Stelle der im Prinzip gleichberechtigten Souveränität der Staaten und des Gleichgewichts der Staatenwelt mehr und mehr die Überzeugung vom gerechten Krieg mit dem Ziel tritt, Weltinnenrecht militärisch durchzusetzen, dann kann eine bislang vor allem die Dritte Welt ruinierende Entwicklung auch den bis dato noch wohlverwahrten Alten Kontinent ergreifen und in jene Vormoderne zurückwerfen, in der die sogenannten "neuen Kriege" der Gegenwart durchaus schon bekannt waren.
Herfried Münkler: "Die neuen Kriege". Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002. 285 Seiten, 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Neue Kriege ähneln alten Vorbildern / Von Klaus Hildebrand
Krieg zu führen, stellt Herfried Münkler mit Blick auf die in unserer Zeit wachsende Anzahl bewaffneter Konflikte fest, lohnt sich wieder. Gemeint ist damit nicht der große Staatenkrieg, der selbst für den Sieger nichts als Ruin hinterläßt und den der Autor deshalb, pourvu que ça dure, als "historisches Auslaufmodell" einschätzt. Sein Urteil bezieht sich vielmehr auf die zahlreichen kleinen Kriege, die vornehmlich in der Dritten Welt zu beobachten sind und die Grenzen zwischen Kriegführung, Banditentum und Terrorismus verschwimmen lassen.
Wie diese Spezies des neuen Krieges ins Kraut schießt, untersucht der Autor gedankenreich. Zwei wesentliche Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte faßt er zusammen: Zum einen hat der Staat als "Monopolist des Krieges" in jenen weiten Teilen der Welt abgedankt, die vom historischen Tribalismus in die moderne Globalisierung geschleudert wurden, ohne zuvor die - nach okzidentalem Geschichtsverständnis jedenfalls - unverzichtbaren Elemente klassischer Staatlichkeit genügend stark ausgebildet zu haben. Zum anderen repräsentieren die neuen Kriege nicht mehr länger militärische Auseinandersetzungen zwischen gleichberechtigten Subjekten der Staatenwelt; sie sind vielmehr "asymmetrisch" geworden. Ihre Existenz verdanken sie vor allem dem Umstand, "daß in der Regel nicht gleichartige Gegner miteinander kämpfen. Es gibt keine Fronten mehr, und deshalb kommt es auch nur selten zu Gefechten und eigentlich nie zu großen Schlachten, so daß sich die militärischen Kräfte nicht aneinander reiben und verbrauchen, sondern sich gegenseitig schonen und die Gewalt statt dessen gegen die Zivilbevölkerung richten."
Daß der neue Krieg im Grunde alten Vorbildern ähnelt, macht der Verfasser in einem aufschlußreichen Rückblick auf die verwandten Phänomene des Dreißigjährigen Krieges klar, als sich - denkt man nur an so pittoreske Gestalten wie Ernst von Mansfeld, Christian von Braunschweig oder Albrecht von Wallenstein - der Krieg aus dem Krieg ernährte und ungeachtet seiner ihn ursprünglich verursachenden sowie auch weiterhin begleitenden Motive religiöser und politischer Natur mehr und mehr an "Verselbständigung" gewann. Als im Gefolge der Erfahrungen dieser Europa heimsuchenden Katastrophe der Staat das Recht, über Krieg und Frieden zu befinden, resolut in die eigene Hand nahm, als die Doktrin der Souveränität jedem Staat das Recht auf Kriegführung einräumte und die Lehre vom gerechten Krieg zurücktrat, bildete sich jenes Völkerrecht der Neuzeit aus, das die Einhegung des Krieges, seine Verstaatlichung und Kontrollierbarkeit der Tendenz nach, zumindest bis zu den beiden Weltkriegen des zwanzigsten Jahrhunderts, erlaubte.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und mit der Renaissance der Überzeugung vom gerechten Krieg, der Münkler zufolge seine Entsprechung im Heiligen Krieg findet, uferten die bis dahin nicht selten als Stellvertreterkriege der Blöcke ausgetragenen Konflikte in der Dritten Welt aus: Warlords, Bürgerkriegsparteien und regionale Milizen führen den neuen Krieg auf eigene Rechnung, der nur ihnen selbst dient und allen anderen, den ausgepowerten Regionen zumal, jedoch schadet. Heute ist diese Form des Krieges noch lohnender und eher möglich als vor Jahrhunderten, weil über den eigentlichen Schauplatz der Konflikte hinaus die Kriegführenden von der "Schattenglobalisierung" profitieren, vom billigen Waffenmarkt, der seit dem Ende der Sowjetunion entstanden ist, von humanitären Hilfsleistungen, von denen sich die Täter oftmals vor den Opfern ihren Teil sichern, und von den modernen Medien, die globale Aufmerksamkeit sichern und damit nicht zuletzt den Zufluß gespendeter Güter fördern.
Nach Münklers anregenden Betrachtungen zum neuen Krieg, die bis zu einer Analyse des Terrorismus reichen, bleibt vor allem dies festzuhalten: Wo Staaten und Staatlichkeit zerfallen oder gar abdanken, ziehen Anarchie und Krieg ein. Daher ist, was die etatistische Kernaufgabe angeht, nämlich den Schutz der Bürger nach innen und außen zu garantieren, auch in Europa nicht weniger, sondern mehr Staat erforderlich, auf keinen Fall mehr Privatisierung, sondern das gerade Gegenteil davon. Zum anderen widerlegt der Verfasser einmal mehr das alte, durchaus sympathische Dogma des Liberalismus, wonach voranschreitende Kapitalisierung, Zivilisierung und Demokratisierung der allgemeinen Verhältnisse einen Zustand des ewigen Friedens und das Ende der alten Macht-Geschichte gleichsam automatisch mit sich bringen würden.
Münkler zufolge ist die "Theorie des demokratischen Friedens" im übrigen viel "weniger bedeutsam und folgenreich", als oftmals angenommen wird, weil sie den Kern der Probleme unserer Zeit kaum trifft. Wenn nämlich die Anzahl der neuen Kriege mit ihren auch die Metropolen in Mitleidenschaft ziehenden Folgen zunimmt und wenn sich die nicht zuletzt auch finanziellen Grenzen der militärischen, gleichfalls in der Regel "asymmetrischen" Interventionen des Westens bemerkbar machen werden, wenn der staatliche Rückzug aus dem Kernbereich von Krieg und Frieden nicht in weltweitem Umfang aufgehalten werden kann und wenn an die Stelle der im Prinzip gleichberechtigten Souveränität der Staaten und des Gleichgewichts der Staatenwelt mehr und mehr die Überzeugung vom gerechten Krieg mit dem Ziel tritt, Weltinnenrecht militärisch durchzusetzen, dann kann eine bislang vor allem die Dritte Welt ruinierende Entwicklung auch den bis dato noch wohlverwahrten Alten Kontinent ergreifen und in jene Vormoderne zurückwerfen, in der die sogenannten "neuen Kriege" der Gegenwart durchaus schon bekannt waren.
Herfried Münkler: "Die neuen Kriege". Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002. 285 Seiten, 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Selten hat man ein gescheiteres und konziseres Buch über die Kriege der Zukunft in der Hand gehalten als dieses. Deutschlandfunk