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'Globalisierung', 'Krieg der Kulturen' und 'Weltgesellschaft' - in der aktuellen Debatte über die Weltpolitik haben Schlagwörter Hochkonjunktur. Werner Link erläutert die weltpolitischen Entwicklungstrends im Spannungsfeld von Globalisierung und Regionalisierung, Vereinheitlichung und Differenzierung, Hegemonie und Gleichgewicht. Er nennt die wichtigsten Fakten und zeigt überzeugend, daß Staat und Staatensystem - entgegen anderslautender Prognosen - auch im 21. Jahrhundert noch eine zentrale Rolle für die Gestaltung der internationalen Beziehungen spielen werden.

Produktbeschreibung
'Globalisierung', 'Krieg der Kulturen' und 'Weltgesellschaft' - in der aktuellen Debatte über die Weltpolitik haben Schlagwörter Hochkonjunktur. Werner Link erläutert die weltpolitischen Entwicklungstrends im Spannungsfeld von Globalisierung und Regionalisierung, Vereinheitlichung und Differenzierung, Hegemonie und Gleichgewicht. Er nennt die wichtigsten Fakten und zeigt überzeugend, daß Staat und Staatensystem - entgegen anderslautender Prognosen - auch im 21. Jahrhundert noch eine zentrale Rolle für die Gestaltung der internationalen Beziehungen spielen werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.1998

Regionalismus rettet die Macht der Staaten
Werner Links Weltpolitik ist klassisch geordnet

Werner Link: Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Beck'sche Reihe 1277. C.H. Beck Verlag, München 1998. 185 Seiten. 19,80 Mark.

Mit dem Regierungswechsel nach Rot-Grün und der Übernahme des Auswärtigen Amtes durch Joschka Fischer verbinden sich Hoffnungen und Befürchtungen. Die einen hoffen auf einen a-militärischen Internationalismus der guten Absichten, und die anderen befürchten eben genau dies. Vermutlich werden erstere bald ziemlich enttäuscht und letztere ein wenig erleichtert sein, denn die Rahmenvorgaben der Außen- und Sicherheitspolitik eines Staates wie Deutschland lassen deren Veränderung nur langsam und maßvoll zu. Andererseits will jede neue Regierung, zumal wenn sie sich wie diese bei allem Pragmatismus doch auch noch ein paar Einsprengsel Weltverbesserungs-Missionarismus erhalten hat, neue Akzente setzen, hauptsächlich - aber wenn es geht, nicht nur - verbal.

Zwar beschäftigen sich in Deutschland nicht sehr viele Menschen mit der Außen- und Sicherheitspolitik, ein merkwürdiger und ein deplorabler Sachverhalt. Bei denen aber, die es doch tun, gleichviel ob einfach als politisch interessierte Staatsbürger oder als Fachleute, kann man häufig eine Art normativen Überschuß beobachten. Auch das ist deplorabel, weil es die Sicht eintrübt. Nüchterne Konzepte und Begriffe wie das nationale Interesse oder militärisch abgestützte Diplomatie gelten als gemein, zynisch und überholt. Hingegen stehen für sie weiche und harmonistische Vorstellungen wie internationale Solidarität, humanitäre Intervention mit präventiver Diplomatie oder der Schutz der Menschenrechte ganz oben auf der Liste der Zielvorgaben für deutsche Außenpolitik.

Diese Konfrontation gibt es, dort wie üblich mit einiger Unversöhnlichkeit, auch in der Politikwissenschaft, Abteilung Internationale Politik. Auf Streit über die künftige Entwicklung des internationalen Systems zwischen den im übrigen auch in sich keineswegs einigen "Schulen" der Neorealisten und der Institutionalisten trifft man dabei nicht nur hierzulande, sondern beiderseits des Atlantiks. Für die Neorealisten ist die Außenpolitik eines Staates in starkem Maße vom Zuschnitt des internationalen Systems abhängig, dieses wiederum wird in der Hauptsache als Staatenwelt gesehen. Und als rationales außenpolitisches Verhalten von Regierungen sehen sie die Sicherung der nationalen Interessen an.

Ganz anders die Institutionalisten: Sie postulieren, daß die außenpolitische Gestaltungsmacht der Staaten entschwinden wird und Staatsgrenzen bedeutungslos werden. Nicht-staatliche Akteure wie etwa Weltkonzerne oder transnationale Menschenrechtsorganisationen beherrschen mehr und mehr das Feld internationaler Politik, zunächst neben den Staaten, aber bald ohne sich weiter um sie zu kümmern. Wichtiger als die Staatenwelt werden die globalisierten Märkte und die (von Czempiel so getaufte) Gesellschaftswelt. Die jüngsten Bulletins über den Streitverlauf künden von leichten Vorteilen der Institutionalisten.

Werner Link hält nicht viel von der Gesellschaftswelt. Seine sehr konzentrierten und kräftig zugespitzten, meist schlüssigen Überlegungen zur Struktur des sich nach dem Ende des bipolaren Ost-West-Konflikts neu ordnenden internationalen Systems laufen auf die Versicherung hinaus, daß die klassischen Mechanismen staatlicher Außenpolitik auch im 21. Jahrhundert gültig bleiben. Starke Staaten wie die USA versuchen, ihre Vormachtstellung zu halten und auszubauen, mit ökonomischen und militärischen Mitteln sowie über Technologiepolitik. Schwächere Staaten versuchen, ihre nationalen Interessen mittels Anlehnung an stärkere Staaten oder über Gegenmacht-Bildung zu verfolgen.

Diese Mechanismen staatlicher Außenpolitik setzen sich gegen die in Links Sicht sekundären Bestrebungen nicht-staatlicher Akteure im internationalen System durch. Besonders nachdrücklich und mit großer Ausführlichkeit weist er alle Vorstellungen zurück, wonach die Vereinten Nationen zu einem von ihren wichtigsten Mitgliedern unabhängigen und machtvollen politischen Steuerungsinstrument ausgebaut werden sollten oder auch nur könnten. Vehement wendet er sich gegen die gerade von der SPD immer aufgegriffene These, wonach die Vereinten Nationen ein Gewaltmonopol entweder schon besäßen oder eingeräumt bekommen sollten. Seinen Widerspruch zu solcherart außenpolitischer UN-Romantik, die sich auch schon bis in die Verlautbarungen des Auswärtigen Amtes niedergeschlagen hat, formuliert er schneidend.

Jedoch ist sein Bild des internationalen Systems der Zukunft nicht einfach eine Neuauflage der Welt vor dem Ost-West-Konflikt. Das wirklich Neue im internationalen System stellen die ökonomische Regionalisierung von Handel und Investitionen sowie die politischen Regionalverflechtungen dar, beides die entscheidenden Ausdrucksformen der Globalisierung. Die Konsequenz der Ausbildung solcher Makro-Regionen ist ein vermehrter interregionaler Wettbewerb, der mal in eher kooperativen, mal in eher konfrontativen Bahnen verlaufen kann. Die Staaten bleiben aber bei diesem Wettbewerb die entscheidenden Akteure.

Dieser Entwurf ist mit kräftigen Strichen gemalt und läßt auch ein wenig von der Ungeduld des Autors mit der Phalanx der Argumente der Gegner eines neorealistischen Verständnisses internationaler Politik durchschimmern. Seine gelegentlichen Rückblicke auf den Ost-West-Konflikt - er hält aus guten Gründen an diesem Begriff fest und meidet es, ihn historisch verkürzt mit dem Kalten Krieg gleichzusetzen - lassen die gegenwärtigen Veränderungen internationaler Politik plastisch hervortreten. Zugleich entsteht so ein festes Fundament für die Ausblicke in das 21. Jahrhundert.

Allerdings ist die Lektüre von Links Text arbeitsaufwendig. Politologische Fachsprache wird hier zwar schnörkellos und ohne Prätention, aber auch ohne Rücksicht auf stilistische Feinheiten verwendet. Der Autor verhehlt nicht seinen Grimm über die aus seiner Sicht harmonistischen und von Wunschdenken bestimmten Weltpolitik-Entwürfe, die mit ihren in der Tat nicht sehr originellen Patentrezepten im Handumdrehen die Gewalt, die Armut und die Umweltzerstörung zu überwinden versprechen.

Für die akademische Debatte über die Elemente und Akteure, die erhaltenden und verändernden Wirkfaktoren des internationalen Systems wäre es allerdings gut, wenn die neorealistischen und die institutionalistischen Ansätze nicht so kompromißlos gegeneinander stünden. Links kühler und distanzierter Blick auf die gegenwärtige Weltpolitik läßt ihn klarer und weiter sehen als viele andere Beobachter. Aber zuweilen bewirkt seine Vorliebe für die klassische Logik der Machtpolitik, daß er komplexe Sachverhalte zu kräftig vereinfacht. Der von ihm verwendete Hegemonie-Begriff ist zum Beispiel ein grobes Analyse-Instrument. In einer früheren Publikation verwendete Link zur Kennzeichnung der Politik Washingtons nach 1945 den Begriff der kooperativen Suprematie - schade, daß er ihn fallengelassen hat. Auch seine Anmerkungen zur angeblich ausgebliebenen Verwestlichung des internationalen Systems und zu Huntingtons These vom künftigen "Krieg der Kulturen" fordern Kritik heraus.

Aber solche Auseinandersetzungen können und sollen ja auch geführt werden, im Interesse der Sache und zum Zwecke der permanenten Überprüfung unserer politischen Einsichten. Eine Reihe von Grundannahmen des Neorealismus sind mehr als ergänzungsbedürftig. Jedoch wäre es voreilig und abwegig, das Kind mit dem Bade auszuschütten und die staatenbezogene Analyse der Weltpolitik als antiquiert zu verwerfen. So souverän vorgeführt, wie Link es hier tut, ist sie nach wie vor sehr ergiebig und macht klüger.

Insoweit ist das Buch gerade zur rechten Zeit erschienen. Der Regierungswechsel könnte dazu genutzt werden, die Feineinstellung des Selbst- und Weltverständnisses deutscher Außenpolitik neu zu justieren. Weitere Injektionen somnambuler Friedens-Rhetorik wären da nicht sehr nützlich, vor allem bei solchen Fragen wie der nach der Zukunft der Europäischen Union und der europäischen Sicherheit. Statt dessen ließen sich einige von Links Einsichten gut dazu verwenden, ein bißchen mehr kreative Nüchternheit und sanfte Führungskraft in der Außenpolitik zu entwickeln.

Wilfried von Bredow

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