Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021
Der Stoff ist unschlagbar: ein Bad in Blut, eine schöne Frau, Gold und ein Mord, der grausam gerächt wird. So klingt das Lied der Nibelungen, die Sage von Siegfried, dem Strahlenden, seinem düsteren Gegenspieler Hagen und der schönen Kriemhild. Aber ist das die wahre Geschichte dieser europäischen Helden, die in Island oder Norwegen beginnt, am Rhein entlang spielt, die Donau runter erzählt wird und schließlich im Schwarzen Meer mündet? Niemand weiß, wie es wirklich war, meint Hoppe und erfindet die Wahrheit: hell und schnell, poetisch und politisch, wie nicht mal Tarantino es kann. Felicitas Hoppes Roman »Die Nibelungen«: Das erste gesamteuropäische Heldenepos der Gegenwart.
Der Stoff ist unschlagbar: ein Bad in Blut, eine schöne Frau, Gold und ein Mord, der grausam gerächt wird. So klingt das Lied der Nibelungen, die Sage von Siegfried, dem Strahlenden, seinem düsteren Gegenspieler Hagen und der schönen Kriemhild. Aber ist das die wahre Geschichte dieser europäischen Helden, die in Island oder Norwegen beginnt, am Rhein entlang spielt, die Donau runter erzählt wird und schließlich im Schwarzen Meer mündet? Niemand weiß, wie es wirklich war, meint Hoppe und erfindet die Wahrheit: hell und schnell, poetisch und politisch, wie nicht mal Tarantino es kann. Felicitas Hoppes Roman »Die Nibelungen«: Das erste gesamteuropäische Heldenepos der Gegenwart.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Carsten Otte ist hocherfreut über Felicitas Hoppes Neubearbeitung des Nibelungenstoffes. Mit Blick vor allem auf die Absurditäten der kanonischen Erzählung und ihrer Rezeption, so Otte, schreibe die Autorin über eine Nibelungen-Inszenierung, in deren Umkleidepausen die Darsteller sich Luft machen dürfen, und über einen Reisenden, der die historischen Schauplätze abklappert. Der Kritiker lobt, wie Hoppe dabei gleichzeitig Blutbäder à la Tarantino veranstaltet, Geschlechterverhältnisse befragt und den "Aberwitz" der Legende betont, wenn sie Siegfrieds Tod beispielsweise auf die Frage nach der Ehre eines Lindenblattes zulaufen lässt. Bei allem Witz arbeite die Autorin aber auch als "wichtiges literarisches Erbe" des Nibelungenlieds heraus, dass gute Geschichten auf rätselhafte Aspekte angewiesen seien, so der von Hoppes "schillernder Prosa" begeisterte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2021Deutschlands unerbittlichste Superwitwe
Abenteuerlich schillermd zwischen hohem Ton und Kalauer: Felicitas Hoppe will in „Die Nibelungen“ die Sage noch mal ganz neu und kitschfrei aufrollen
Das konnte Felicitas Hoppe nicht ahnen, als sie ihren langjährigen Vorsatz verwirklichte, das Nibelungenlied neu zu erzählen – dass das „dreifache G“, ihre griffige Abkürzung für Kriemhilds Brüdertrio Gunther, Gernot und Giselher, bei Erscheinen des Buchs als Formel für Seuchenbekämpfung kursieren würde. Sollen wir uns nun, angesteckt von Hoppes unbändiger Fabulierlust, unter „Geimpft, Genesen, Getestet“ drei Recken vorstellen, die ausziehen, das Virus zu besiegen? Lieber nicht, denn es nimmt mit den dreien ja ein schreckliches Ende, im Originaltext ebenso wie in dieser Bearbeitung namens „Die Nibelungen“, die als „ein deutscher Stummfilm“ gelesen werden will und die Felicitas Hoppe einen Platz auf der Longlist des Deutschen Buchpreises einbrachte. Hoppe verkleidet sich als Drehbuchautorin dieses Stummfilms, tritt darin aber auch selbst auf, mal als „stummer Zeuge im Beiboot“ auf den Schauplatzflüssen Rhein und Donau, mal als „letzter Sänger“ oder „reitender Bote“. Sie hätte wohl ihren Spaß an derartigen Weiterspinnereien, entsprächen sie doch ihrem literarischen Verfahren, auf höchstem Reflexionsniveau immer wieder kleine Albernheiten einzustreuen.
Mittelalterliche Helden und Heldinnen haben es Hoppe angetan. 2006 erschien ihr raffiniertes Romankonstrukt über „Johanna“ (von Orléans), zwei Jahre später folgte das schöne Kinderbuch „Iwein Löwenritter“ nach dem Artus-Epos des Hartmann von Aue. Seither trug sie sich mit Entwürfen zu einer eigenen Version des Nibelungenstoffes (der ja viel älter ist, doch im Hochmittelalter zu Literatur wurde), inspiriert von dem „verqueren Wunsch, ihn noch einmal ganz von vorn, bis hinein in die Gegenwart aufzurollen, jenseits von Aktualisierung und Kitsch, den größten Feinden der Rezeption eines Mittelalters, von dem wir nach wie vor wenig wissen“. So hieß es in einem frühen Werkstattbericht.
Ein hehres Anliegen, eine schwere Aufgabe. Kitsch und bemühte Aktualisierung prägen die populäre Rezeption des Nibelungenliedes im 20. Jahrhundert, um von den bekannten Versuchen nationalistisch-politischer Instrumentalisierung gar nicht zu reden. Der einzige deutsche Stummfilm, der auf dem Epos basiert, wurde von Fritz Lang vor knapp hundert Jahren gedreht und darf als Gesamtkunstwerk gelten, auch wenn ihm der Makel anhaftet, zu Hitlers Lieblingsfilmen gezählt zu haben. Über nachfolgende Kino-Adaptionen breitet man am besten den Königsmantel des Vergessens. Die Nibelungen-Festspiele zu Worms, von den Nazis 1937 begründet, 1956 flüchtig wieder aufgeflackert und seit 2002 mit großem Aufwand als kulturtouristisches Event betrieben, sind ein Kapitel für sich, aber dass der Aktualisierungskitsch dort unter einer scheinseriösen, prächtig gesponserten Festival-Tarnkappe fröhlich – im besten Fall komödiantisch – weiterblüht, steht außer Frage.
Dass die Inszenierungsgeschichte der Spiele wiederum auch eine „G-Trilogie“ verzeichnet, ist kaum zu glauben, aber wahr: Es verbergen sich dahinter die Stücke „Gemetzel“, „Gold“ und „Glut“ von Albert Ostermaier, der damit Kernthemen des Nibelungenmythos stabreimend auf den Punkt brachte. Das 2016 uraufgeführte „Gold“ trägt den Untertitel „Der Film der Nibelungen“ und schildert schrill das „Making-of“ einer neuen Kinovariante des blutgetränkten Stoffs. Wenn Felicitas Hoppe nun ihrerseits die Perspektive der Verfilmung einnimmt und die Wormser Freilichtbühne zum Ausgangspunkt ihrer ausschweifenden Nibelungenfantasie macht, mag das epigonal anmuten. Doch selbstverständlich verfolgt sie, die literarische Forschungsreisende aus Leidenschaft, zu Wasser wie zu Lande ihre eigene Spur.
Ursprünglich sollte das Buch „Der letzte Schatz“ heißen. Der Grund dafür wird im erwähnten Werkstattbericht erläutert: „Denn es sind nicht die Menschen, sondern die Dinge, es ist die blanke Materie, die die Erzählung der Geschichte vorantreibt und dem ‚Nibelungenlied‘ Motor und Furor verleiht. Der Schatz, das liquide bewegliche Gut, ist der kapitale Protagonist meiner Nacherzählung…“ Nichts Neues allerdings. Was Fausts Gretchen noch beklagen konnte, dass nämlich alles nur am Golde hängt und zum Golde drängt, prägt als erkenntnisleitender Zynismus längst jede Inszenierung von Wagners „Ring“, und dass Geld die Welt regiert, war noch nie so offenkundig wie heute. Aber Hoppe wäre nicht Hoppe, hätte sie diese Einsicht nicht in eine Spielfigur verwandelt – in einen „Algorithmus mit dem Spitznamen Goldene Dreizehn“, einen gespenstisch mutierenden Herumtreiber, den man immer weniger zu fassen bekommt, je mehr man über ihn liest.
So klar und analytisch die Autorin denkt und argumentiert, so sehr liebt sie als Erzählerin das Vertrackte, Verrätselte, märchenhaft Kostümierte. Und es ist nicht immer ganz leicht, ihr zu folgen auf diesem wilden Drehbühnentrip zwischen den Stationen des Nibelungendramas, bei dem auch Statisten und Publikum massenhaft mitspielen. Als Stummfilm würde das Ganze nicht taugen, denn es wird geredet, gebrüllt und gesungen, was das Zeug hält. Beim großen Besäufnis vor der Abreise der Burgunder ins Hunnenland intoniert der Männerchor Worms-Pfiffligheim sogar, mit vollem Textzitat, die zotige Version des „Donauliedes“, um deren Bierzelttauglichkeit seit Monaten gestritten wird: Wenn das mal keinen Ärger gibt, denn Hoppes Kontextualisierung der derben Strophe könnte manch einem zu subtil sein, wie auch andere ihrer Anspielungen und Einfälle. Als Regisseurin des Spektakels firmiert eine Frau Kettelhut, die wohl nicht zufällig denselben Namen trägt wie der Filmarchitekt von Fritz Lang, die jedoch ihr Handwerk eher „bieder“ und „auf Hausfrauenart“ versieht. Die Dramaturgie hingegen verantwortet laut Abspann kein Geringerer als Quentin Tarantino. Der Tod ist ein Laie aus Worms in einem Trainingsanzug von Woolworth, und wie die Hauptdarsteller sich zu ihren Rollen verhalten, was sie über das Stück und die Lage des Theaters denken, inwieweit sie historisch informiert, politisch bewusst oder philosophisch geschult sind, das erfährt man in Pausen-Interviews, in die Hoppes Überlegungen zum Epos in unangestrengtem Plauderton eingeflossen sind.
Der Rest ist ein Feuerwerk hemmungslos subjektiver Assoziationen und Imaginationen, gekleidet in ein Sprachgewand, das zwischen hohem Ton und Kalauer abenteuerlich schillert, oft komisch, doch zu verträumt und gedankenschwer für eine Festspiel-Satire. Zitiert wird hier und da aus der 2006 wiederentdeckten Prosaübertragung des Nibelungenliedes von Uwe Johnson, dem das Buch auch gewidmet ist. Die dem Epos angehängte „Klage“, über deren Funktion und Auftraggeber die Forschung noch immer grübelt, ebenso wie über Quellen, Handschriften und mögliche Verfasser der Dichtung, dient Hoppe als Folie einer wortreichen Trauer- und Enthüllungsarbeit. Fazit: Der „Zeuge im Beiboot“ liebt heimlich die Königin Kriemhild, die sich am Ende als „Deutschlands unerbittlichste Superwitwe“ entpuppt, und nach dem Untergang erweist sich, dass nicht der böse Onkel Hagen, sondern der Superheld Siegfried schuld war. Der Schatz ist versenkt, aber die Goldene Dreizehn lebt.
Und nun? Ist der Plan aufgegangen, ein neues Licht auf das alte Lied zu werfen? Vielleicht, im Sinne einer Anregung zur (Wieder)-Lektüre. „Jedermann sollte es lesen, damit er nach dem Maaß seines Vermögens die Wirkung davon empfange“, schrieb Goethe 1819 an Schubarth. Und plötzlich ist man froh, einst jene magischen Eingangsverse auswendig gelernt zu haben, die unter dem Rezeptionsmüll so unberührt wie fremdartig hervorleuchten: „Uns ist in alten mæren/ wunders vil geseit…“ Sie werden nun wieder einmal zu denken geben, dank Felicitas Hoppe.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
Die Autorin liebt das
Vertrackte, Verrätselte,
märchenhaft Kostümierte
Felicitas Hoppe:
Die Nibelungen.
Ein deutschee Stummfilm. S. Fischer, Frankfurt
am Main 2021.
256 Seiten, 22 Euro.
„Denn es sind nicht die Menschen, es ist die blanke Materie, die die Erzählung der Geschichte vorantreibt“. – Felicitas Hoppe.
Foto: Christoph Hardt/Imago
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Abenteuerlich schillermd zwischen hohem Ton und Kalauer: Felicitas Hoppe will in „Die Nibelungen“ die Sage noch mal ganz neu und kitschfrei aufrollen
Das konnte Felicitas Hoppe nicht ahnen, als sie ihren langjährigen Vorsatz verwirklichte, das Nibelungenlied neu zu erzählen – dass das „dreifache G“, ihre griffige Abkürzung für Kriemhilds Brüdertrio Gunther, Gernot und Giselher, bei Erscheinen des Buchs als Formel für Seuchenbekämpfung kursieren würde. Sollen wir uns nun, angesteckt von Hoppes unbändiger Fabulierlust, unter „Geimpft, Genesen, Getestet“ drei Recken vorstellen, die ausziehen, das Virus zu besiegen? Lieber nicht, denn es nimmt mit den dreien ja ein schreckliches Ende, im Originaltext ebenso wie in dieser Bearbeitung namens „Die Nibelungen“, die als „ein deutscher Stummfilm“ gelesen werden will und die Felicitas Hoppe einen Platz auf der Longlist des Deutschen Buchpreises einbrachte. Hoppe verkleidet sich als Drehbuchautorin dieses Stummfilms, tritt darin aber auch selbst auf, mal als „stummer Zeuge im Beiboot“ auf den Schauplatzflüssen Rhein und Donau, mal als „letzter Sänger“ oder „reitender Bote“. Sie hätte wohl ihren Spaß an derartigen Weiterspinnereien, entsprächen sie doch ihrem literarischen Verfahren, auf höchstem Reflexionsniveau immer wieder kleine Albernheiten einzustreuen.
Mittelalterliche Helden und Heldinnen haben es Hoppe angetan. 2006 erschien ihr raffiniertes Romankonstrukt über „Johanna“ (von Orléans), zwei Jahre später folgte das schöne Kinderbuch „Iwein Löwenritter“ nach dem Artus-Epos des Hartmann von Aue. Seither trug sie sich mit Entwürfen zu einer eigenen Version des Nibelungenstoffes (der ja viel älter ist, doch im Hochmittelalter zu Literatur wurde), inspiriert von dem „verqueren Wunsch, ihn noch einmal ganz von vorn, bis hinein in die Gegenwart aufzurollen, jenseits von Aktualisierung und Kitsch, den größten Feinden der Rezeption eines Mittelalters, von dem wir nach wie vor wenig wissen“. So hieß es in einem frühen Werkstattbericht.
Ein hehres Anliegen, eine schwere Aufgabe. Kitsch und bemühte Aktualisierung prägen die populäre Rezeption des Nibelungenliedes im 20. Jahrhundert, um von den bekannten Versuchen nationalistisch-politischer Instrumentalisierung gar nicht zu reden. Der einzige deutsche Stummfilm, der auf dem Epos basiert, wurde von Fritz Lang vor knapp hundert Jahren gedreht und darf als Gesamtkunstwerk gelten, auch wenn ihm der Makel anhaftet, zu Hitlers Lieblingsfilmen gezählt zu haben. Über nachfolgende Kino-Adaptionen breitet man am besten den Königsmantel des Vergessens. Die Nibelungen-Festspiele zu Worms, von den Nazis 1937 begründet, 1956 flüchtig wieder aufgeflackert und seit 2002 mit großem Aufwand als kulturtouristisches Event betrieben, sind ein Kapitel für sich, aber dass der Aktualisierungskitsch dort unter einer scheinseriösen, prächtig gesponserten Festival-Tarnkappe fröhlich – im besten Fall komödiantisch – weiterblüht, steht außer Frage.
Dass die Inszenierungsgeschichte der Spiele wiederum auch eine „G-Trilogie“ verzeichnet, ist kaum zu glauben, aber wahr: Es verbergen sich dahinter die Stücke „Gemetzel“, „Gold“ und „Glut“ von Albert Ostermaier, der damit Kernthemen des Nibelungenmythos stabreimend auf den Punkt brachte. Das 2016 uraufgeführte „Gold“ trägt den Untertitel „Der Film der Nibelungen“ und schildert schrill das „Making-of“ einer neuen Kinovariante des blutgetränkten Stoffs. Wenn Felicitas Hoppe nun ihrerseits die Perspektive der Verfilmung einnimmt und die Wormser Freilichtbühne zum Ausgangspunkt ihrer ausschweifenden Nibelungenfantasie macht, mag das epigonal anmuten. Doch selbstverständlich verfolgt sie, die literarische Forschungsreisende aus Leidenschaft, zu Wasser wie zu Lande ihre eigene Spur.
Ursprünglich sollte das Buch „Der letzte Schatz“ heißen. Der Grund dafür wird im erwähnten Werkstattbericht erläutert: „Denn es sind nicht die Menschen, sondern die Dinge, es ist die blanke Materie, die die Erzählung der Geschichte vorantreibt und dem ‚Nibelungenlied‘ Motor und Furor verleiht. Der Schatz, das liquide bewegliche Gut, ist der kapitale Protagonist meiner Nacherzählung…“ Nichts Neues allerdings. Was Fausts Gretchen noch beklagen konnte, dass nämlich alles nur am Golde hängt und zum Golde drängt, prägt als erkenntnisleitender Zynismus längst jede Inszenierung von Wagners „Ring“, und dass Geld die Welt regiert, war noch nie so offenkundig wie heute. Aber Hoppe wäre nicht Hoppe, hätte sie diese Einsicht nicht in eine Spielfigur verwandelt – in einen „Algorithmus mit dem Spitznamen Goldene Dreizehn“, einen gespenstisch mutierenden Herumtreiber, den man immer weniger zu fassen bekommt, je mehr man über ihn liest.
So klar und analytisch die Autorin denkt und argumentiert, so sehr liebt sie als Erzählerin das Vertrackte, Verrätselte, märchenhaft Kostümierte. Und es ist nicht immer ganz leicht, ihr zu folgen auf diesem wilden Drehbühnentrip zwischen den Stationen des Nibelungendramas, bei dem auch Statisten und Publikum massenhaft mitspielen. Als Stummfilm würde das Ganze nicht taugen, denn es wird geredet, gebrüllt und gesungen, was das Zeug hält. Beim großen Besäufnis vor der Abreise der Burgunder ins Hunnenland intoniert der Männerchor Worms-Pfiffligheim sogar, mit vollem Textzitat, die zotige Version des „Donauliedes“, um deren Bierzelttauglichkeit seit Monaten gestritten wird: Wenn das mal keinen Ärger gibt, denn Hoppes Kontextualisierung der derben Strophe könnte manch einem zu subtil sein, wie auch andere ihrer Anspielungen und Einfälle. Als Regisseurin des Spektakels firmiert eine Frau Kettelhut, die wohl nicht zufällig denselben Namen trägt wie der Filmarchitekt von Fritz Lang, die jedoch ihr Handwerk eher „bieder“ und „auf Hausfrauenart“ versieht. Die Dramaturgie hingegen verantwortet laut Abspann kein Geringerer als Quentin Tarantino. Der Tod ist ein Laie aus Worms in einem Trainingsanzug von Woolworth, und wie die Hauptdarsteller sich zu ihren Rollen verhalten, was sie über das Stück und die Lage des Theaters denken, inwieweit sie historisch informiert, politisch bewusst oder philosophisch geschult sind, das erfährt man in Pausen-Interviews, in die Hoppes Überlegungen zum Epos in unangestrengtem Plauderton eingeflossen sind.
Der Rest ist ein Feuerwerk hemmungslos subjektiver Assoziationen und Imaginationen, gekleidet in ein Sprachgewand, das zwischen hohem Ton und Kalauer abenteuerlich schillert, oft komisch, doch zu verträumt und gedankenschwer für eine Festspiel-Satire. Zitiert wird hier und da aus der 2006 wiederentdeckten Prosaübertragung des Nibelungenliedes von Uwe Johnson, dem das Buch auch gewidmet ist. Die dem Epos angehängte „Klage“, über deren Funktion und Auftraggeber die Forschung noch immer grübelt, ebenso wie über Quellen, Handschriften und mögliche Verfasser der Dichtung, dient Hoppe als Folie einer wortreichen Trauer- und Enthüllungsarbeit. Fazit: Der „Zeuge im Beiboot“ liebt heimlich die Königin Kriemhild, die sich am Ende als „Deutschlands unerbittlichste Superwitwe“ entpuppt, und nach dem Untergang erweist sich, dass nicht der böse Onkel Hagen, sondern der Superheld Siegfried schuld war. Der Schatz ist versenkt, aber die Goldene Dreizehn lebt.
Und nun? Ist der Plan aufgegangen, ein neues Licht auf das alte Lied zu werfen? Vielleicht, im Sinne einer Anregung zur (Wieder)-Lektüre. „Jedermann sollte es lesen, damit er nach dem Maaß seines Vermögens die Wirkung davon empfange“, schrieb Goethe 1819 an Schubarth. Und plötzlich ist man froh, einst jene magischen Eingangsverse auswendig gelernt zu haben, die unter dem Rezeptionsmüll so unberührt wie fremdartig hervorleuchten: „Uns ist in alten mæren/ wunders vil geseit…“ Sie werden nun wieder einmal zu denken geben, dank Felicitas Hoppe.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
Die Autorin liebt das
Vertrackte, Verrätselte,
märchenhaft Kostümierte
Felicitas Hoppe:
Die Nibelungen.
Ein deutschee Stummfilm. S. Fischer, Frankfurt
am Main 2021.
256 Seiten, 22 Euro.
„Denn es sind nicht die Menschen, es ist die blanke Materie, die die Erzählung der Geschichte vorantreibt“. – Felicitas Hoppe.
Foto: Christoph Hardt/Imago
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2021Quecksilber schlägt Gold
Als die Schätze in die Welt zogen: Felicitas Hoppe macht in "Die Nibelungen" aus einem alten Stoff mit größter Raffinesse ein reines literarisches Vergnügen.
Zwischen den Akten sollten Schauspieler ihre Ruhe haben. Diese aber, beschäftigt bei einer Aufführung der "Nibelungen" in Worms, stehen einem aufdringlichen Reporter Rede und Antwort - vielleicht auch einer Reporterin, so genau weiß man das nicht, schließlich bekommen wir nur die Protokolle der Interviews zu lesen. Etwa das Gespräch mit der Darstellerin der Brunhild ("1998 in Hamburg geboren, im Besitz eines Schauspiel- und Lotsenpatents"), die über ihre Rolle sagt, die Königin sei "eine Sammlerin, die Köpfe wie andre Auszeichnungen sammelt. Hat man einmal mit der Sammelei angefangen, hört man nie wieder damit auf. Wer den ersten Kopf hat, will auch den letzten haben." Oder mit dem Darsteller des alten Kämpfers Dietrich von Bern, der über den Unterschied zwischen Tortenschlachten und echtem Gemetzel spricht. Und schließlich der Schauspieler, der den Rüdiger von Bechelaren gibt und den Reiz des Nibelungen-Stoffes so bestimmt: "Ganz egal, wer darin welche Rolle spielt, am Ende kommen fast alle um und damit alle auf ihre Kosten, jeder verliert seinen eigenen Kopf und ist damit buchstäblich bei sich."
Das Nibelungenlied, um 1200 verfasst und seit etwa 200 Jahren der bekannteste mittelalterliche Stoff neben der Artus-Legende, ist Ausgangspunkt von Felicitas Hoppes Roman "Die Nibelungen" mit der aparten Gattungsbezeichnung "Ein deutscher Stummfilm". Unter den für den Deutschen Buchpreis nominierten Titeln gehört er zu den verspieltesten, formal anspruchsvollsten und zugleich zu den witzigsten.
Wer sich da allerdings eine plane Nacherzählung der Nibelungen-Handlung erhofft hat, wird sich enttäuscht sehen, muss sich allerdings auch fragen lassen, warum er nicht zu einem der dutzendfach vorhandenen Texte greift, die genau das leisten: die Wiedergabe einer Geschichte des jungen Drachentöters Siegfried, der mit seinem Goldschatz nach Worms kommt, um die schöne Kriemhild zu heiraten, deren Bruder Gunther hilft, die ebenso schöne Brunhild auf Island zu gewinnen, vom finsteren Hagen ermordet und später seines Schatzes beraubt wird. Kriemhild aber findet sich mit beidem nicht ab und entwirft einen monströsen Racheplan, der praktisch allen Burgunderrittern den Tod bringt und am Ende auch ihr.
All das erzählt Hoppe auch, aber aus diesem Stoff wird bei ihr ein Kunstwerk mit inhaltlich wie formal aufs schönste fließenden Grenzen. Unter Großkapiteln wie "Der Rhein", "Die Donau" und "Die Klage" wird die Handlungsstruktur der Vorlage sichtbar, die in zwei Teile und einen dritten zerfällt, der oft vernachlässigt wird und doch im Kontrast zu den anderen für das Gefüge des Werks unverzichtbar ist. Hoppe aber setzt mit noch zwei weiteren Kapiteln, beide mit "Pause" überschrieben und zwischen den drei anderen platziert, einen Akzent, der schon allein einem allzu planen Handlungsfluss von der Quelle - Siegfrieds Ankunft - zur Mündung - dem großen Gemetzel - geradewegs zuwiderläuft.
Am Ende finden drei Erzählebenen in diesem Buch zusammen: die Nibelungen-Geschichte als modernes Theaterstück in Worms samt Zuschauerreaktionen, zweitens als stummfilmartig dargebotene Handlung mit rasanten Szenen, kaum Dialog und genretypischen Texttafeln und schließlich die Pausengespräche über Rollen und ihre Darsteller. Natürlich weiß Hoppe, dass jede heutige Beschäftigung mit dem Nibelungen-Stoff in einer übermächtigen Tradition steht, die etwa mit den Adaptionen von Heinrich Steinfest oder Ulrike Draesner bis in die Gegenwart reicht. Weder ignoriert Hoppe sie oder wendet sich bewusst von ihr ab, sondern spielt mit beiläufiger Eleganz darauf an - ihre Wormser Regisseurin "Frau Kettelhut" trägt den Namen des Filmarchitekten von Fritz Langs Nibelungen-Film, der Hinweis auf die allen Deutschen bekannte Geschichte der Nibelungen stammt aus Quentin Tarantinos "Django Unchained" und vieles mehr -, ohne dass ihre Leser genötigt wären, diesen Hinweisen im Einzelnen zu folgen. Eher wird damit ein Bewusstsein dafür erzeugt, wie viele Wege man in der produktiven Aneignung des Nibelungen-Stoffes einschlagen kann. Und welche hier gegangen werden.
Unter Hoppes Methoden sind Wiederholung und Variation seit jeher wohl die auffälligsten, und auch "Die Nibelungen" sind davon geprägt, vor allem dort, wo die Verfahren ein inniges Bündnis eingehen: Da wird etwa gleich zu Beginn mit großer Geste etwas in den Rhein geworfen, so wie man das von der Hagen-Statue am Wormser Ufer kennt, nur ist das hier kein Nibelungen-Schatz, sondern ein Buch, genauer das Jahr für Jahr anschwellende Programmbuch zu den Nibelungen-Festspielen, was getrost für die inzwischen vollends unübersichtliche Rezeption dieses Stoffes stehen kann, den Hoppe damit zugleich, wenn auch mit Schwung, den Fluten übergibt und zitiert - Traditionspflege und -verneinung in einem. Allerdings belässt es die listige Autorin nicht dabei, sondern folgt dem im Rhein davontreibenden Buch bis in die Nordsee, wo es sich "im Land der Nibelungen, endlich erschöpft, zum Schlafen legt" - ein Verweis auf die nordische Stofftradition unter anderem in der auf Island entstandenen "Edda". Die Geschichte kommt so zu ihren Ursprüngen zurück, und erst damit ist die Bahn frei für die Erzählerin, die sich der Sache wieder annimmt.
Dieser Wechsel gilt fürs gesamte Buch. In einem bis ins Letzte determinierten mittelalterlichen Werk - die donauabwärts fahrenden Burgunder bekommen das leidvoll zu spüren, und spätestens mit der Rettung des von Hagen wiederum ins Wasser geworfenen Geistlichen ist daran nicht mehr zu deuteln - spielt Hoppe mit den Bestandteilen der Vorlage, lässt Köpfe nach Herzenslust rollen und lädt zur finalen Tortenschlacht an Etzels Hof.
"Sicher ist nur: Es gab eine Zeit, da gehörten alle Schätze der Welt einer Frau", heißt es ganz zu Beginn. Und auch, wie sich die Schätze "eines Tages auf und davon machten, sich an verschiedenen Orten versteckten und die Zauberer aller Länder bezahlten, um verzaubert und nicht gefunden zu werden". Dass Felicitas Hoppe der Frage, was Schätze eigentlich ausmacht, im Lauf der Jahre eine Reihe von großartigen Erörterungen gewidmet hat, bildet das Fundament dieser Sätze, die von der erstaunlichen Beweglichkeit dieser Schätze handeln, als ob diese nicht aus Gold, sondern Quecksilber bestünden. Das aber verbindet sie mit jeder guten Geschichte, auch der von den Nibelungen: Sie verändern permanent ihre Gestalt, fließen hierhin und dorthin, benutzen Rhein und Donau für ihre Wege und bleiben sich doch treu. In diesem Sinne hat Felicitas Hoppe zu unserem Glück den Nibelungen-Schatz gehoben und ihn sich zu eigen gemacht, um ihn verwandelt zurück in die Welt zu schicken. TILMAN SPRECKELSEN.
Felicitas Hoppe: "Die Nibelungen". Ein deutscher Stummfilm. Roman. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 256 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als die Schätze in die Welt zogen: Felicitas Hoppe macht in "Die Nibelungen" aus einem alten Stoff mit größter Raffinesse ein reines literarisches Vergnügen.
Zwischen den Akten sollten Schauspieler ihre Ruhe haben. Diese aber, beschäftigt bei einer Aufführung der "Nibelungen" in Worms, stehen einem aufdringlichen Reporter Rede und Antwort - vielleicht auch einer Reporterin, so genau weiß man das nicht, schließlich bekommen wir nur die Protokolle der Interviews zu lesen. Etwa das Gespräch mit der Darstellerin der Brunhild ("1998 in Hamburg geboren, im Besitz eines Schauspiel- und Lotsenpatents"), die über ihre Rolle sagt, die Königin sei "eine Sammlerin, die Köpfe wie andre Auszeichnungen sammelt. Hat man einmal mit der Sammelei angefangen, hört man nie wieder damit auf. Wer den ersten Kopf hat, will auch den letzten haben." Oder mit dem Darsteller des alten Kämpfers Dietrich von Bern, der über den Unterschied zwischen Tortenschlachten und echtem Gemetzel spricht. Und schließlich der Schauspieler, der den Rüdiger von Bechelaren gibt und den Reiz des Nibelungen-Stoffes so bestimmt: "Ganz egal, wer darin welche Rolle spielt, am Ende kommen fast alle um und damit alle auf ihre Kosten, jeder verliert seinen eigenen Kopf und ist damit buchstäblich bei sich."
Das Nibelungenlied, um 1200 verfasst und seit etwa 200 Jahren der bekannteste mittelalterliche Stoff neben der Artus-Legende, ist Ausgangspunkt von Felicitas Hoppes Roman "Die Nibelungen" mit der aparten Gattungsbezeichnung "Ein deutscher Stummfilm". Unter den für den Deutschen Buchpreis nominierten Titeln gehört er zu den verspieltesten, formal anspruchsvollsten und zugleich zu den witzigsten.
Wer sich da allerdings eine plane Nacherzählung der Nibelungen-Handlung erhofft hat, wird sich enttäuscht sehen, muss sich allerdings auch fragen lassen, warum er nicht zu einem der dutzendfach vorhandenen Texte greift, die genau das leisten: die Wiedergabe einer Geschichte des jungen Drachentöters Siegfried, der mit seinem Goldschatz nach Worms kommt, um die schöne Kriemhild zu heiraten, deren Bruder Gunther hilft, die ebenso schöne Brunhild auf Island zu gewinnen, vom finsteren Hagen ermordet und später seines Schatzes beraubt wird. Kriemhild aber findet sich mit beidem nicht ab und entwirft einen monströsen Racheplan, der praktisch allen Burgunderrittern den Tod bringt und am Ende auch ihr.
All das erzählt Hoppe auch, aber aus diesem Stoff wird bei ihr ein Kunstwerk mit inhaltlich wie formal aufs schönste fließenden Grenzen. Unter Großkapiteln wie "Der Rhein", "Die Donau" und "Die Klage" wird die Handlungsstruktur der Vorlage sichtbar, die in zwei Teile und einen dritten zerfällt, der oft vernachlässigt wird und doch im Kontrast zu den anderen für das Gefüge des Werks unverzichtbar ist. Hoppe aber setzt mit noch zwei weiteren Kapiteln, beide mit "Pause" überschrieben und zwischen den drei anderen platziert, einen Akzent, der schon allein einem allzu planen Handlungsfluss von der Quelle - Siegfrieds Ankunft - zur Mündung - dem großen Gemetzel - geradewegs zuwiderläuft.
Am Ende finden drei Erzählebenen in diesem Buch zusammen: die Nibelungen-Geschichte als modernes Theaterstück in Worms samt Zuschauerreaktionen, zweitens als stummfilmartig dargebotene Handlung mit rasanten Szenen, kaum Dialog und genretypischen Texttafeln und schließlich die Pausengespräche über Rollen und ihre Darsteller. Natürlich weiß Hoppe, dass jede heutige Beschäftigung mit dem Nibelungen-Stoff in einer übermächtigen Tradition steht, die etwa mit den Adaptionen von Heinrich Steinfest oder Ulrike Draesner bis in die Gegenwart reicht. Weder ignoriert Hoppe sie oder wendet sich bewusst von ihr ab, sondern spielt mit beiläufiger Eleganz darauf an - ihre Wormser Regisseurin "Frau Kettelhut" trägt den Namen des Filmarchitekten von Fritz Langs Nibelungen-Film, der Hinweis auf die allen Deutschen bekannte Geschichte der Nibelungen stammt aus Quentin Tarantinos "Django Unchained" und vieles mehr -, ohne dass ihre Leser genötigt wären, diesen Hinweisen im Einzelnen zu folgen. Eher wird damit ein Bewusstsein dafür erzeugt, wie viele Wege man in der produktiven Aneignung des Nibelungen-Stoffes einschlagen kann. Und welche hier gegangen werden.
Unter Hoppes Methoden sind Wiederholung und Variation seit jeher wohl die auffälligsten, und auch "Die Nibelungen" sind davon geprägt, vor allem dort, wo die Verfahren ein inniges Bündnis eingehen: Da wird etwa gleich zu Beginn mit großer Geste etwas in den Rhein geworfen, so wie man das von der Hagen-Statue am Wormser Ufer kennt, nur ist das hier kein Nibelungen-Schatz, sondern ein Buch, genauer das Jahr für Jahr anschwellende Programmbuch zu den Nibelungen-Festspielen, was getrost für die inzwischen vollends unübersichtliche Rezeption dieses Stoffes stehen kann, den Hoppe damit zugleich, wenn auch mit Schwung, den Fluten übergibt und zitiert - Traditionspflege und -verneinung in einem. Allerdings belässt es die listige Autorin nicht dabei, sondern folgt dem im Rhein davontreibenden Buch bis in die Nordsee, wo es sich "im Land der Nibelungen, endlich erschöpft, zum Schlafen legt" - ein Verweis auf die nordische Stofftradition unter anderem in der auf Island entstandenen "Edda". Die Geschichte kommt so zu ihren Ursprüngen zurück, und erst damit ist die Bahn frei für die Erzählerin, die sich der Sache wieder annimmt.
Dieser Wechsel gilt fürs gesamte Buch. In einem bis ins Letzte determinierten mittelalterlichen Werk - die donauabwärts fahrenden Burgunder bekommen das leidvoll zu spüren, und spätestens mit der Rettung des von Hagen wiederum ins Wasser geworfenen Geistlichen ist daran nicht mehr zu deuteln - spielt Hoppe mit den Bestandteilen der Vorlage, lässt Köpfe nach Herzenslust rollen und lädt zur finalen Tortenschlacht an Etzels Hof.
"Sicher ist nur: Es gab eine Zeit, da gehörten alle Schätze der Welt einer Frau", heißt es ganz zu Beginn. Und auch, wie sich die Schätze "eines Tages auf und davon machten, sich an verschiedenen Orten versteckten und die Zauberer aller Länder bezahlten, um verzaubert und nicht gefunden zu werden". Dass Felicitas Hoppe der Frage, was Schätze eigentlich ausmacht, im Lauf der Jahre eine Reihe von großartigen Erörterungen gewidmet hat, bildet das Fundament dieser Sätze, die von der erstaunlichen Beweglichkeit dieser Schätze handeln, als ob diese nicht aus Gold, sondern Quecksilber bestünden. Das aber verbindet sie mit jeder guten Geschichte, auch der von den Nibelungen: Sie verändern permanent ihre Gestalt, fließen hierhin und dorthin, benutzen Rhein und Donau für ihre Wege und bleiben sich doch treu. In diesem Sinne hat Felicitas Hoppe zu unserem Glück den Nibelungen-Schatz gehoben und ihn sich zu eigen gemacht, um ihn verwandelt zurück in die Welt zu schicken. TILMAN SPRECKELSEN.
Felicitas Hoppe: "Die Nibelungen". Ein deutscher Stummfilm. Roman. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 256 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Um Furcht, gewaltige Bilder und ihre Brechung, um große Literatur und kleinliche Helden, ums Lachen und Sehnen [...] geht es. Rhein-Neckar-Zeitung 20220217