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Estland ist bekanntlich das Heimatland der Nixen. An einer wissenschaftlichen Darstellung dieser Spezies hat es bisher gefehlt. Vetemaas Standardwerk bringt diesen Forschungszweig der Dämonologie auf den neuesten Stand und schließt damit eine empfindliche Lücke. Keinen Naturfreund werden diese anmutigen Geschöpfe gleichgültig lassen. Auch der Autor zeigt sich von ihren Reizen entflammt, was ihn jedoch nicht daran hindert, eine exakte Taxonomie zu entwerfen. Seine Pionierarbeit unterscheidet erstmals die Schönhaarigen (Euplocamidae) von den Lauthalsigen (Carrulidae) und die Nackttitten von den…mehr

Produktbeschreibung
Estland ist bekanntlich das Heimatland der Nixen. An einer wissenschaftlichen Darstellung dieser Spezies hat es bisher gefehlt. Vetemaas Standardwerk bringt diesen Forschungszweig der Dämonologie auf den neuesten Stand und schließt damit eine empfindliche Lücke. Keinen Naturfreund werden diese anmutigen Geschöpfe gleichgültig lassen. Auch der Autor zeigt sich von ihren Reizen entflammt, was ihn jedoch nicht daran hindert, eine exakte Taxonomie zu entwerfen. Seine Pionierarbeit unterscheidet erstmals die Schönhaarigen (Euplocamidae) von den Lauthalsigen (Carrulidae) und die Nackttitten von den Heulsusen. Ohne Kat Menschiks kongeniale Illustrationen, mit denen es üppig ausgestattet ist, wäre dieses Bestimmungsbuch freilich nur halbwegs so verlockend. In ihrer Bearbeitung vermählt sich die strenge Wissenschaft mit der heiteren Kunst. Auf diese Weise ist ein einzigartiges Werk entstanden, ohne das in Zukunft kein Liebhaber der Elementargeister auskommen wird. Übrigens hat es in d er Tschechischen Republik ein Raubdruck im Handumdrehen auf eine Auflage von 40.000 gebracht. Daß ein deutsches Publikum in seiner Wißbegier hinter den östlichen Nachbarn zurückbleibt, ist kaum vorstellbar.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.09.2002

Das doppelte Nixchen
Das najadologische Fachbuch von Enn Vetemaa und Kat Menschik wirft Fragen der künstlerischen Originalität auf
An sich wäre das Buch „Die Nixen von Estland” von Enn Vetemaa, das mit Schuber, Schlangenhaut und Goldschnitt in der „Anderen Bibliothek” herausgekommen ist, nichts, worüber man in Zorn geraten müsste. Der Autor existiert tatsächlich, es handelt sich also nicht, wie man zunächst mutmaßen möchte, um eine Mystifikation des Herausgebers Enzensberger. Ein „Bestimmungsbuch” soll es sein; es beginnt mit einer taxonomischen Tabelle, in der die Nixen, soweit sie in Estland vorkommen, nach Familien, Gattungen und Arten aufgegliedert werden. Die Waschversessenen (Lotidae) weisen zwei Gattungen auf, Lavatrix und Lotis, die letztere wiederum zerfällt in die zwei Spezies der baltischen gemeinen Waschversessenen (Lotis vulgaris baltica) und der waschversessenen Seifomanin (Lotis saponiphila) usw. usw. Dieses System wird auf 336 Seiten Stück für Stück abgearbeitet, in einer schrullenhaften Wissenschaftsförmigkeit, die rasch in Pedanterie und Langeweile versackt. Der Scherz ist mäßig und ermüdet durch Überlänge.
Auf das, was Vetemaa schreibt, kommt es jedoch so gut wie gar nicht an. Er liefert nur Sprungbrett und Vorwand für das, was der Titel, mit heuchlerischer Bescheidenheit, als „Illustrationen” ankündigt. Unter den 648 Zeichnungen löst sich der Text auf wie die Wand einer gotischen Kathedrale zwischen ihren bunten Glasfenstern.
Um diese Zeichnungen von Kat Menschik also muss es gehen, wenn man das Buch bespricht; und man kann es nicht tun, ohne das Problem des geistigen Eigentums zu berühren. Auf den ersten Blick scheinen die Zeichnungen durch Fülle, Fleiß, Einfallsreichtum und Virtuosität bestechen zu wollen. Aber wirklich nur auf den ersten. Der zweite enthüllt, dass Kat Menschik über keine eigene künstlerische Sprache verfügt, sondern auf schier unglaubliche Weise das Werk der Zeichnerin Anke Feuchtenberger anzapft. Von Einfluss oder kreativem Nachempfinden kann keine Rede mehr sein: Hier hat sich jemand zur Gänze den fremden Stil zu eigen gemacht.
Das fällt viel schwerer ins Gewicht, als wenn einzelne Motive abgekupfert würden (was freilich auch geschieht); und ist zugleich auf argumentativem Wege schwieriger nachzuweisen. Aber der Augenschein gibt den Sachverhalt sofort preis. Betrachten Sie die beiden Abbildungen. Sie werden über die Abhängigkeiten nicht im Unklaren bleiben.
Und auch nicht darüber, welche von beiden die bedeutendere Künstlerin ist. Denn alle Einfühlung Menschiks bleibt zuletzt nur haut-, oder sagen wir besser, textiltief. Es überwiegt bei ihr eine ornamentale Verflachung, viel zu viel an kraftlos heterogenen Mustern tummelt sich in dieser Vignette; speziell die Tapete oben rechts stellt eine Notlösung für den toten Winkel dar. Das Geheimnis ist ans Adrette verloren gegangen; die erotische Energie des schmächtigen weiblichen Körpers wird zitiert, aber nicht gestaltet. Insbesondere hat der Mund, wenn Sie ihn genau ins Auge fassen, einen Zug ins Flaue.
Wie alle unschöpferischen Nachahmer verfährt Menschik nach dem Grundsatz „Mehr vom Selben”, ohne die sorgfältige Ökonomie des Originals zu beachten. Langes Haar (das ja bei den Nixen eine große Rolle spielt) kommt bei ihr unweigerlich als ein Tellervoll Spaghetti heraus. Wo sie sich nicht an Feuchtenberger emporranken kann, verfällt sie in Hilflosigkeit. Getreu bis in die Einzelheiten malt sie etwa die am Strand tanzende „Nackttittige Wuchtbrumme” vom Plakat einer Freak-show aus den Vierzigern ab und weckt so den Verdacht, es könne hier noch mehr Fälle von, vorsichtig gesagt, unfreier Übernahme geben.
Dieses zeichnerische Werk ist unverkennbar nicht aus dem Zentrum einer Begabung heraus entwickelt, sondern überrascht durch stilistische Brüche. So steht neben der Feuchtenbergerschen Art, vegetabilische Kraft auszudrücken – grobe parallele Nerven durchziehen das Blatt, dessen Spitze klappt jäh um und wirft dabei einen starken Schatten – unvermittelt eine Vorliebe für den Stahlstich des 19. Jahrhunderts mit seinen extrem engen Schraffuren, die nicht mehr als Linien, sondern insgesamt als flächiger Schatten wirken: Auf diese Weise ergeht sich Menschik in ihrem zuweilen setzkastenhaften Accessoire.
Eigentlich wäre dies nur ein trauriger Fall – jemand, dem es nicht an hand-werklichem Geschick und Beharrlichkeit gebricht, erreicht dennoch mit all seinen Mühen zuletzt nichts weiter, als dass man sagen muss: Da fehlt der Funke. Ärgerlich aber wird er am Erfolg, den die Nachtreterin neben dem Original und teilweise über es hinaus für sich verbuchen kann. Die „Vogue” hat vor kurzem ein Doppelporträt der „zwei besten deutschen Zeichnerinnen” angefertigt, Menschik und Feuchtenberger natürlich. Hat sich die Mitwelt, so Schopenhauer, endlich einmal widerstrebend entschlossen, die Leistung des Einzelnen anzuerkennen, so schmälert sie die Achtung vor seiner Besonderheit gleich dadurch wieder, dass sie einen Unberufenen mit aufs Podest hebt, „wie ungefähr noch so einen”.
Ungefähr noch so eine: Das bezeichnet ziemlich präzis Menschiks Verhältnis zu Feuchtenberger. Menschik liefert zu ermäßigten Preisen. Einem breiteren Publikum weiß sie sich durch ihre Nettheit zu empfehlen, jene Eigenschaft, die dem Urbild durchaus abgeht. Anke Feuchten-bergers Bilder zeichnen sich durch eine geschlechtliche Kraft aus, die erhebliche Verstörung bewirken kann. Auch von ihr gibt es eine Nixengeschichte, längst ver-griffen: Hier leidet die kleine Seejungfrau an der Geschlechtslosigkeit; sie hilft dem Übel ab, indem sie ihren Fischschwanz brutal bis auf Hüfthöhe zerschneidet und eine klaffend gegabelte Wunde schafft, aus der das Blut über die Klippen strömt. So etwas käme für Kat Menschik nicht in Frage. Vetemaas Vorgabe, dass Nixen asexuelle Wesen seien, schmiegt sie sich problemlos an; selbst ein Geschöpf wie die Trällernde Nymphomanin (Calliphonica nymphomanica) gelangt so, ihres Namens ungeachtet, nicht über das Stadium eines äugelnden Flirts mit dem Nixenforscher hinaus. In diesem Buch herrscht die Atmosphäre einer unverfänglichen Halbfrivolität. Diese Sirenen locken in keine Abgründe mehr, sie sind so seicht geworden wie die schilfbestandenen estnischen Tümpel, in die es sie verschlagen hat.
BURKHARD MÜLLER
ENN VETEMAA: Die Nixen von Estland. Ein Bestimmungsbuch. Bearbeitet und illustriert von Kat Menschik. Nach dem russischen Übersetzungsmanuskript ins Deutsche übertragen von Günter Jäniche. Mit 648 naturwissenschaftlichen, geographischen und najadologischen Abbildungen sowie sechzehn Farbtafeln. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 336 Seiten, 19,90 Euro.
Urbild und Nachbild: links Anke Feuchtenberger, rechts Kat Menschik.
Abb. Feuchtenberger/besprochener Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2002

Trällernde Nymphomanin
Enn Vetemaa und Kat Menschik erforschen Estlands Nixen

Es gibt Konstellationen, die alle Bemühungen um Sachlichkeit von vornherein unterminieren: "In den meisten Fällen ruft schon die erste Begegnung mit einer Nixe großes Interesse für dieses romantische und gar etwas rätselhafte Wasservölkchen hervor." Das schreibt einer, der sich auskennt, der sich gerade anschickt, aus seinen langjährigen Studien nun endlich jenes Bestimmungsbuch zu schaffen, auf das die naturkundliche Gemeinde gewartet hat. Streng teilt er die estnischen Nixen in Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten ein: Von der Sittsamen waschversessenen Rubbelfee (Lavatrix facilis) liest man, der Gemeinen Kopfkratzerin (Capitiradens vulgaris), der Minilesbischen Heulsuse (Lamentosa minilesbica), der Tränenreichen Goldblonden (Auricomata flebilis) oder der Grünhaarigen Kokette (Viridiosa irritans), und diese Klassifizierungen werden im Hauptteil des Bandes durch Anekdoten um die jeweiligen Nixenarten ergänzt.

 Nicht selten führen sich Nixen dabei wenig damenhaft auf. Da ist beispielsweise die Flucherin, die scheinbar wahllos und ausgesprochen variationsreich Passanten beleidigt. Daß ihr lautes Schimpfen tatsächlich einer musikalischen Struktur folgt, ist eine ganz frische nixenkundliche Entdeckung, die der Verfasser des Handbuchs stolz präsentiert: Auf eine Exposition (etwa: "Was sabberst du da, verlauster Halbirrer") folgt zuverlässig die eigentliche Verfluchung als Anathema ("Schande über Euch, kariöse Surrealisten"), die von einer Drohung ("Dir helfe ich") und der individuellen Signatur jeder einzelnen Flucherin (etwa: "Sense!" oder "Marihuana") beschlossen wird.

 Doch der eifrig um professorale Distanz bemühte Ton kann die Bezauberung des Naturkundlers durch seinen Gegenstand kaum verleugnen: Ob die erste Begegnung mit einer Nixe "beim Licht des Vollmondes stattfindet, wenn sich der verdutzte Debütant, mit klopfendem Herzen im tauschimmernden Gras hockend, an den perlenden Koloraturen einer trällernden Nymphomanin begeistert, oder aber in der gleißenden Mittagsglut eines sonnigen Tages, wenn der Naturfreund unvermutet auf eine Schönhaarige trifft, die hingebungsvoll ihre goldblonden Locken striegelt: stets hinterläßt die Nixe einen unauslöschlichen Eindruck."

 So kommt es, daß allmählich und implizit neben der Beschreibung der Nixen auch ein konturiertes Bild des Naturkundlers entsteht, und die berührendsten Passagen sind die, wo in dem Forscher ganz offensichtlich Schüchternheit und Wissensdrang miteinander kämpfen. Am Ende enthüllt er eine langdauernde Freundschaft mit einer Nixe, die als Augenliebe aus großer Distanz beginnt und schließlich fast in eine Art Wochenendbeziehung mündet. Das Buch, das ursprünglich 1983 in Tallinn erschienen ist, trägt unübersehbar den Stempel seiner Entstehungszeit. Der 1936 in Tallinn geborene Autor Enn Vetemaa bemüht sich um eine Poetisierung der tristen Wirklichkeit in der letzten Dekade der Sowjetunion - zwei Jahre später erschien "Die Nixen von Estland" in der gefeierten, aber karg ausgestatteten "Schwarzen Reihe" von Volk & Welt in deutscher Übersetzung.

 Das Buch, das jetzt unter dem gleichen Titel in der "Anderen Bibliothek" erscheint, unterscheidet sich sehr von seinem Vorgänger. Bearbeitet und üppig illustriert wurde es von der Zeichnerin Kat Menschik, die sich bemüht, Vetemaas Nixen ihre Schroffheit zu belassen. Sie vermeidet die Untiefen der süßlichen Nixenikonographie des späten neunzehnten Jahrhunderts und reproduziert besonders in den Detailaufnahmen etwa von Haar oder Werkzeug der Meerfrauen den Blick des Naturforschers. Daß sich der Schwerpunkt des Bandes dabei gründlich vom Text auf die Illustrationen verlagert hat, ist zu verschmerzen. Menschik erweist sich jedenfalls als genauso nixenbesessen wie Enn Vetemaa. Mit diesem Prachtband dürfte sich die kleine Gemeinde rasch erweitern.      

Enn Vetemaa: "Die Nixen von Estland". Ein Bestimmungsbuch. Aus dem Russischen übersetzt von Günter Jäniche. Bearbeitet und illustriert von Kat Menschik. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 336 S., geb., 29,50 [Euro].

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