Teilen ist das neue Besitzen
Der Kapitalismus geht zu Ende? Eine gewagte These! Doch wer könnte eine solch spannende Zukunftsvision mit Leben füllen? Jeremy Rifkin - Regierungsberater, Zukunftsvisionär und Bestsellerautor. Kurz: "einer der 150 einflussreichsten Intellektuellen der Welt" (National Journal). Rifkin ist überzeugt: Das Ende des Kapitalismus kommt nicht von heute auf morgen, aber dennoch unaufhaltsam. Die Zeichen dafür sind längst unübersehbar:
- Die Produktionskosten sinken.
- Wir leben in einer Share Economy, in der immer mehr das Teilen, Tauschen und Teilnehmen im Fokus steht.
- Das Zeitalter der intelligenten Gegenstände - das Internet der Dinge - ist gekommen.
Es fördert die Produktivität in einem Maße, dass die Grenzkosten vieler Güter und Dienstleistungen nahezu null sind, was sie praktisch kostenlos macht.
- Eine einst auf Knappheit gegründete Ökonomie macht immer mehr einer Ökonomie des Überflusses Platz.
Ein neues Buch für eine neue Zeit
Jeremy Rifkin fügt in seinem neuen Buch "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus" die Koordinaten der neuen Zeit endlich zu einem erkennbaren Bild zusammen. Aus unserer industriell geprägten erwächst eine globale, gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft. In ihr ist Teilen mehr wert als Besitzen, sind Bürger über nationale Grenzen hinweg politisch aktiv und steht das Streben nach Lebensqualität über dem nach Reichtum.
Die Befreiung vom Diktat des Eigentums hat begonnen und mit ihr eine neue Zeit.
- Wie wird dieser fundamentale Wandel unser Leben verändern?
- Wie wird der Wandel unsere Zukunft bestimmen?
- Was heißt das schon heute für unseren Alltag?
Kein anderer könnte die Zeichen der Zeit besser für uns deuten als der Zukunftsvisionär Rifkin in seinem neuen Buch.
Der Kapitalismus geht zu Ende? Eine gewagte These! Doch wer könnte eine solch spannende Zukunftsvision mit Leben füllen? Jeremy Rifkin - Regierungsberater, Zukunftsvisionär und Bestsellerautor. Kurz: "einer der 150 einflussreichsten Intellektuellen der Welt" (National Journal). Rifkin ist überzeugt: Das Ende des Kapitalismus kommt nicht von heute auf morgen, aber dennoch unaufhaltsam. Die Zeichen dafür sind längst unübersehbar:
- Die Produktionskosten sinken.
- Wir leben in einer Share Economy, in der immer mehr das Teilen, Tauschen und Teilnehmen im Fokus steht.
- Das Zeitalter der intelligenten Gegenstände - das Internet der Dinge - ist gekommen.
Es fördert die Produktivität in einem Maße, dass die Grenzkosten vieler Güter und Dienstleistungen nahezu null sind, was sie praktisch kostenlos macht.
- Eine einst auf Knappheit gegründete Ökonomie macht immer mehr einer Ökonomie des Überflusses Platz.
Ein neues Buch für eine neue Zeit
Jeremy Rifkin fügt in seinem neuen Buch "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus" die Koordinaten der neuen Zeit endlich zu einem erkennbaren Bild zusammen. Aus unserer industriell geprägten erwächst eine globale, gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft. In ihr ist Teilen mehr wert als Besitzen, sind Bürger über nationale Grenzen hinweg politisch aktiv und steht das Streben nach Lebensqualität über dem nach Reichtum.
Die Befreiung vom Diktat des Eigentums hat begonnen und mit ihr eine neue Zeit.
- Wie wird dieser fundamentale Wandel unser Leben verändern?
- Wie wird der Wandel unsere Zukunft bestimmen?
- Was heißt das schon heute für unseren Alltag?
Kein anderer könnte die Zeichen der Zeit besser für uns deuten als der Zukunftsvisionär Rifkin in seinem neuen Buch.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jeremy Rifkins Fortschrittsoptimismus geht Fritz Göttler runter wie Öl: dass das Internet die Welt dahingehend verändert, dass nicht mehr Arbeit und Eigentum, sondern Teilen und Partizipation künftig das Zusammenleben prägen werden, hört sich für ihn ausgesprochen gut an - aber leider auch zu schön, um wahr zu sein. Carsharing und Couchsurfing schön und gut, meint Göttler, aber stehen hinter Uber und Airbnb nicht knallhart gewinnorientierte Unternehmen, und lassen sich nicht diejenigen, die ihr Gästezimmer und ihren Beifahrersitz hergeben, gerne dafür entlohnen? Und wo kommen die Autos und Sofas überhaupt her, wenn sich nicht irgendjemand die Arbeit macht, sie herzustellen? Die Vision des Prosumenten, in dem Produktion und Konsum zusammenfallen, scheint Göttler doch nur in wenigen Bereichen realistisch. Die Begeisterung Rifkins hat ihm dennoch gut gefallen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2014Und jetzt alle zusammen!
Der Ökonom Jeremy Rifkin liebt große Thesen, jetzt verkündet er den Niedergang des Kapitalismus und den Beginn einer sozialen Gemeinschaft. Das klingt nach einer naiven Utopie. Aber ist es überhaupt eine?
Es hat ein bisschen gedauert, bis die Zukunft aussieht, wie wir sie uns einmal vorgestellt haben, wie eine Welt voller hilfreicher Roboter und Wunscherfüllungsautomaten, eine Welt also, in der sich nicht nur Nullen und Einsen steuern lassen, sondern auch Dinge, jene aus Holz und Stahl und Stein oder wenigstens solche aus Plastik. Zurzeit aber vergeht kein Tag mehr, an dem nicht eine neue Wundernachricht vom sogenannten Internet der Dinge zu hören ist, von schlauen Häusern und selbstfahrenden Autos, von T-Shirts, die unseren Schlaf steuern, und Pflastern, die unseren Puls messen, von Kühlschränken, die Milch nachbestellen, oder von Zimmern, die sich mit ein paar Wischbewegungen umbauen lassen. Auch in dieser Woche wurde der futuristische Maschinenpark wieder um zwei aufsehenerregende Neuheiten erweitert. Von der niedlichen Armbanduhr von Apple, jener als modischer Schnickschnack verharmlosten Disziplinierungsmaschine, dürften inzwischen auch Menschen ohne Smartphone gehört haben. Erstaunlich wenig Aufmerksamkeit dagegen bekam ein Menschheitstraum, der gestern auf einer Industriemesse in Chicago, nun ja, eben nicht vom Band lief: der "Strati", das erste Auto aus dem 3-D-Drucker. Die amerikanische Firma Local Motors fertigte den zweisitzigen Buggy innerhalb einer Woche, Kernstück ist ein Chassis aus schnelltrocknendem Carbon-Plastik-Gemisch, Schicht für Schicht aufgetragen von einem riesigen 3-D-Drucker. Der Strati ist das Gegenmodell zur Apple-Uhr, designt von einem italienischen Amateur aus der Crowd, ein basisdemokratisch entworfener Volkswagen sozusagen. Und natürlich kann man darüber spotten, dass er so auch aussieht. Die interessantere Frage ist aber, warum er überhaupt noch Sitze hat. Damit aber der Drucker einen fahrerlosen Wagen ausspuckt, müsste man nur eine andere Software einlegen.
Wie all diese neuen Apparate die Welt verändern, verbunden in einem gigantischen Netz; was sie mit ihren Benutzern machen, die unaufhörlich analysiert und optimiert werden, und auch mit jenen, die glauben, sich den Veränderungen durch Nichtbenutzung entziehen zu können, darüber kann man derzeit gar nicht so schnell spekulieren, wie der Wandel Wirklichkeit wird. Während man sich noch wundert, wer sich freiwillig eine elektronische Wanze anlegt, die den Pulsschlag an einen Großkonzern sendet, prophezeien Marktforscher 60 Millionen Käufer. Und 26 Milliarden Geräte, die bis zum Jahr 2020 ans Internet angeschlossen sein werden. Was das für die Wirtschaft bedeutet, das fassen die Analysten von Gartner, die diese Zahl ermittelt haben, so zusammen: "Milliarden Dinge, Billionen Dollar."
Ungefähr hier aber ist der Punkt, an dem die Utopien aufeinanderprallen, die momentan über die digitale Zukunft im Umlauf sind. Man muss nämlich gar kein Skeptiker sein, um Einwände gegen die kommerziellen Chancen zu haben, die das Internet der Dinge eröffnet; es reicht, die Apple Watch ein bisschen vorzustellen und die ökonomische Entwicklung auf die Spitze zu treiben. Die Frage nämlich, ob die Versprechen einer sozialen Weltgemeinschaft, ohne die kein Werbespot aus dem Silicon Valley auskommt, vielleicht tatsächlich eintreffen und damit all den schönen Profitphantasien ein Ende machen, wird mittlerweile von immer mehr Menschen mit Ja beantwortet. "Sharing Economy" heißt der Begriff, unter dem diese Vision kursiert, und es sind längst nicht mehr nur ein paar schweißfüßige Couchsurfer, die daran glauben.
Nun hat auch einer der berühmtesten Berufsvisionäre der Gegenwart, der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin, seine umfangreiche Analyse über den Siegeszug des neuen Wirtschaftssystems vorgelegt, das er die "kollaborativen Commons" nennt. Vor kurzem ist das Buch auch auf Deutsch unter dem Titel "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft" erschienen. In der Ökonomie des Teilens und Tauschens sieht Rifkin ein neues Paradigma, und zwar eines im Sinne des Philosophen Thomas S. Kuhn, eines also, das alles verändern wird: die Wirtschaft, die Gesellschaft, unsere Art zu leben und zu denken. Der Kapitalismus, meint Rifkin, wird spätestens in ein paar Jahrzehnten nur noch in einigen Nischen stattfinden.
Rifkin neigte schon immer zu den ganz großen Entwürfen, er ist eher der Mann für die Szenarien von übermorgen, was tendenziell zur Folge hat, dass man ihn immer erst nach Jahrzehnten widerlegen kann, dann also, wenn es dummerweise zu spät ist, an den Entwicklungen etwas zu ändern. Auch diesmal ist seine Großthese, die, wenn auch nicht den sofortigen Tod, dann doch zumindest den unaufhaltsamen Niedergang des Kapitalismus voraussagt, so radikal, dass einem sämtliche Einwände an ihrer Plausibilität schnell wie kleingeistige Spielverderberei vorkommen. Seine Hoffnung auf eine kooperative Wirtschaft, das ist die Pointe des Buches, wird weder durch reinen Idealismus angetrieben, noch ist sie der Slogan einer jener neokapitalistischen Sharing-Unternehmen wie die Zimmervermittlung AirBnB oder die Privattaxizentrale Uber, die alles andere als gemeinnützige Vereine sind. Es ist die Logik des Kapitalismus, die "Schizophrenie" in seinem Kern, wie Rifkin schreibt, die dazu führt, dass er sich selbst auffrisst: Im freien Wettbewerb steigt die Produktion ständig, die Preise fallen, bis sie keine Gewinne mehr einbringen. Am Ende liegen die Grenzkosten, die Kosten für jede zusätzlich produzierte Einheit, fast bei null.
In der Unterhaltungsindustrie ist diese Entwicklung längst offensichtlich, und dass sie vor der Welt der Atome nicht haltmacht, wird allmählich absehbar. In der Energiewirtschaft macht die Solartechnik Kunden zu Produzenten, in China werden nicht nur Autos ausgedruckt, sondern ganze Häuser. Die Frage aber ist nicht nur, ob damit auch der Kapitalismus gefährdet ist, auch da, wo er längst sein Heil nicht mehr in der Produktion, sondern in Dienstleistungen, Datenbankmanagement und irgendwelchen anderen aufwendigen "Solutions" sucht. Die Frage ist auch, ob man sich überhaupt wünschen soll, dass Rifkin wieder einmal recht behält; ob es tatsächlich ein Versprechen ist, wenn das, was vorher dem Kreislauf der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen war, von der eigenen Wohnung bis zum nachbarschaftlichen Gefallen, einen Tauschwert bekommt, in welcher utopischen Währung auch immer. Wenn jeder Mensch funktionieren muss wie eine durchrationalisierte Fabrik.
In der vergangenen Woche war Rifkin in Berlin, um seine These in Interviews und Talkshows auszuführen. Auch im Gespräch kann er nicht alle Zweifel ausräumen, und doch wird, wenn man ins Detail geht, viel deutlicher als in seinem atemlosen Buch, dass er schon sehr genau weiß, wo die Hürden auf dem Weg zur globalen Digitalkommune stehen. Natürlich, sagte er, werde der Wandel, den er beschreibt, "ein langer, qualvoller Prozess", schließlich entstehe nicht alle paar Jahre ein neues Wirtschaftssystem. Er ist auch nicht blind für die Macht monopolistischer Firmen und die Notwendigkeit ihrer Regulierung, für die Angst vorm Verlust der Privatsphäre und vor Datenmissbrauch oder für das drohende Ende der Netzneutralität, jenem Prinzip, dass im Internet alle Daten gleich schnell verschickt werden, ob sie von Großkonzernen oder Einzelpersonen kommen. All dies seien Kämpfe, die ausgetragen, Probleme, die geklärt werden müssen, es werde "ziemlich schmutzig". Am Ende aber werde es nicht nur einem Giganten wie Google schwerfallen, der Macht der Milliarden zum Prosumer gewordenen Kollaborateure standzuhalten, sondern auch Unternehmen wie Uber, die glauben, daran mitverdienen zu können. "Die Fahrer in der ganzen Welt werden sagen: ,Warum sollte ich mich von Uber ausnehmen lassen?' Ich könnte im direkten Umkreis dieses Platzes zehn Programmierer finden, die so eine Seite bauen können, und eine Kooperative gründen. Kann man sich vorstellen, dass die Milliarden von Menschen bis zum Ende der Welt dasitzen werden und sich ihre Ideen und Daten wegnehmen und für kommerzielle Zwecke benutzen lassen? Und niemand wird etwas dagegen tun? Das widerspricht der Geschichte!"
In Rifkins Zeitrafferaufnahme sind nicht nur Internettraditionsunternehmen wie Ebay, Amazon oder Facebook, sondern auch die gerade noch gehypten Unternehmen der Sharing-Ökonomie lediglich Akteure einer Übergangsphase, einer "hybriden Ökonomie", in der Kapitalismus und soziale Commons nebeneinander existieren. In der neuen Wirtschaftsordnung wird man sie genauso wenig brauchen wie Plattenfirmen, Kaufhäuser, Stromkonzerne und all die anderen Zwischenhändler des analogen Kapitalismus. Ein bisschen dürfen sie noch mitverdienen am Aufbau des "Super-Internets", das die Bereiche Kommunikation, Energie und Logistik integriert. Doch wenn es halbwegs von alleine läuft, glaubt Rifkin, wird die Crowd anfangen, auch die Steuerung und Kontrolle dieser Weltmaschine zu übernehmen. Dass die Macht der Internetmonopolisten gerade darin besteht, den allgemeinen Zugang zu den Daten, also gewissermaßen zum Rohmaterial der neuen Ökonomie, zu verhindern; dass also nicht einfach jeder dahergelaufene Datenschneider in seinem Heimatelier eine neue Suchmaschine oder ein soziales Netzwerk zusammenschnipseln kann, ist für ihn kein Gegenargument, im Gegenteil: Wie die Fabrikarbeiter der industriellen Revolution werden sie sich, wenn sie sich erst einmal ihrer Macht bewusst sind, zusammenschließen und ihre Rechte erkämpfen.
Rifkin kann ohne Punkt und Komma erzählen von dieser idealen neuen Welt, in der sich jeder in das globale Nervensystem einklinken kann, um irgendeine Idee einzuspeisen, die dann am anderen Ende als 3-D-Ausdruck wieder herauskommt. Natürlich klingt das alles nach einer Neuausgabe des "Whole Earth Catalogue", und spätestens wenn Rifkin irgendwann ins Transzendentale abdriftet, wenn er den "Übergang zum Biosphärebewusstsein mit einer Ausweitung unserer Empathie auf die ganze Menschheit als unserer Familie und auf unsere Mitgeschöpfe als evolutionäre Großfamilie" ankündigt, ist der Moment gekommen, wo auch die Staatschefs und Minister, die sich so gern von ihm beraten lassen, die Augen verdrehen.
Es ist aber der Punkt, an dem es interessant wird. So falsch, naiv, geschwätzig man Rifkins Digitalromantik finden kann, so wenig hat sie mit den Slogans zu tun, die in der Ideologie des Silicon Valley davon übrigbleiben, einer Ideologie, die man ja vor allem daran erkennt, dass sie das Grand Design, die politischen und ökonomischen Effekte ihrer Spielzeuge verschweigt. Statt großer Gesellschaftsentwürfe formuliert sie Floskeln und glaubt, die Welt retten zu können, indem sie Apps gegen Alltagsprobleme programmiert.
Es sind vielleicht nicht immer die richtigen Interpretationen, die Rifkin liefert, es sind aber die richtigen Kategorien. Das gilt auch für den wichtigsten Aspekt seiner Überlegungen, seine Kulturanthropologie. Das interessanteste Kapitel ist jenes, in dem er sich, wenn auch nur skizzenhaft, mit der Frage der Freiheit beschäftigt. Dass die herrschenden Vorstellungen von Privatsphäre eben auch nur die lieb gewonnenen Anpassungen an eine Welt des Privateigentums sind, "wo alles auf die Dichotomie ,mein' und ,dein' reduziert war", dass es sich dabei also um Errungenschaften handelt, nicht um ein Menschenrecht, das sollte man eben auch im Hinterkopf haben, wenn man sie verteidigen möchte. Wenn man das eine ohne das andere haben will, die Autonomie ohne das Automobil gewissermaßen, reicht Technologiekritik allein nicht aus. Die Kraft der Autonomie, hat Theodor W. Adorno einmal gesagt, ist die Kraft des Nicht-Mitmachens. In einer Ökonomie der Kollaboration ist sie nicht vorgesehen.
Umso wichtiger ist es, dass ab und zu jemand wie Rifkin kommt, der die Fenster aufreißt und die richtigen Begriffe reinlässt. Am Donnerstag war er zu Gast bei Maybrit Illner. Auch dort sollte es um die Zukunft gehen. Stattdessen diskutierte die Runde über Entlassungen bei Karstadt und die 35-Stunden-Woche.
HARALD STAUN
Jeremy Rifkin: "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus". Campus-Verlag, 528 Seiten, 27 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Ökonom Jeremy Rifkin liebt große Thesen, jetzt verkündet er den Niedergang des Kapitalismus und den Beginn einer sozialen Gemeinschaft. Das klingt nach einer naiven Utopie. Aber ist es überhaupt eine?
Es hat ein bisschen gedauert, bis die Zukunft aussieht, wie wir sie uns einmal vorgestellt haben, wie eine Welt voller hilfreicher Roboter und Wunscherfüllungsautomaten, eine Welt also, in der sich nicht nur Nullen und Einsen steuern lassen, sondern auch Dinge, jene aus Holz und Stahl und Stein oder wenigstens solche aus Plastik. Zurzeit aber vergeht kein Tag mehr, an dem nicht eine neue Wundernachricht vom sogenannten Internet der Dinge zu hören ist, von schlauen Häusern und selbstfahrenden Autos, von T-Shirts, die unseren Schlaf steuern, und Pflastern, die unseren Puls messen, von Kühlschränken, die Milch nachbestellen, oder von Zimmern, die sich mit ein paar Wischbewegungen umbauen lassen. Auch in dieser Woche wurde der futuristische Maschinenpark wieder um zwei aufsehenerregende Neuheiten erweitert. Von der niedlichen Armbanduhr von Apple, jener als modischer Schnickschnack verharmlosten Disziplinierungsmaschine, dürften inzwischen auch Menschen ohne Smartphone gehört haben. Erstaunlich wenig Aufmerksamkeit dagegen bekam ein Menschheitstraum, der gestern auf einer Industriemesse in Chicago, nun ja, eben nicht vom Band lief: der "Strati", das erste Auto aus dem 3-D-Drucker. Die amerikanische Firma Local Motors fertigte den zweisitzigen Buggy innerhalb einer Woche, Kernstück ist ein Chassis aus schnelltrocknendem Carbon-Plastik-Gemisch, Schicht für Schicht aufgetragen von einem riesigen 3-D-Drucker. Der Strati ist das Gegenmodell zur Apple-Uhr, designt von einem italienischen Amateur aus der Crowd, ein basisdemokratisch entworfener Volkswagen sozusagen. Und natürlich kann man darüber spotten, dass er so auch aussieht. Die interessantere Frage ist aber, warum er überhaupt noch Sitze hat. Damit aber der Drucker einen fahrerlosen Wagen ausspuckt, müsste man nur eine andere Software einlegen.
Wie all diese neuen Apparate die Welt verändern, verbunden in einem gigantischen Netz; was sie mit ihren Benutzern machen, die unaufhörlich analysiert und optimiert werden, und auch mit jenen, die glauben, sich den Veränderungen durch Nichtbenutzung entziehen zu können, darüber kann man derzeit gar nicht so schnell spekulieren, wie der Wandel Wirklichkeit wird. Während man sich noch wundert, wer sich freiwillig eine elektronische Wanze anlegt, die den Pulsschlag an einen Großkonzern sendet, prophezeien Marktforscher 60 Millionen Käufer. Und 26 Milliarden Geräte, die bis zum Jahr 2020 ans Internet angeschlossen sein werden. Was das für die Wirtschaft bedeutet, das fassen die Analysten von Gartner, die diese Zahl ermittelt haben, so zusammen: "Milliarden Dinge, Billionen Dollar."
Ungefähr hier aber ist der Punkt, an dem die Utopien aufeinanderprallen, die momentan über die digitale Zukunft im Umlauf sind. Man muss nämlich gar kein Skeptiker sein, um Einwände gegen die kommerziellen Chancen zu haben, die das Internet der Dinge eröffnet; es reicht, die Apple Watch ein bisschen vorzustellen und die ökonomische Entwicklung auf die Spitze zu treiben. Die Frage nämlich, ob die Versprechen einer sozialen Weltgemeinschaft, ohne die kein Werbespot aus dem Silicon Valley auskommt, vielleicht tatsächlich eintreffen und damit all den schönen Profitphantasien ein Ende machen, wird mittlerweile von immer mehr Menschen mit Ja beantwortet. "Sharing Economy" heißt der Begriff, unter dem diese Vision kursiert, und es sind längst nicht mehr nur ein paar schweißfüßige Couchsurfer, die daran glauben.
Nun hat auch einer der berühmtesten Berufsvisionäre der Gegenwart, der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin, seine umfangreiche Analyse über den Siegeszug des neuen Wirtschaftssystems vorgelegt, das er die "kollaborativen Commons" nennt. Vor kurzem ist das Buch auch auf Deutsch unter dem Titel "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft" erschienen. In der Ökonomie des Teilens und Tauschens sieht Rifkin ein neues Paradigma, und zwar eines im Sinne des Philosophen Thomas S. Kuhn, eines also, das alles verändern wird: die Wirtschaft, die Gesellschaft, unsere Art zu leben und zu denken. Der Kapitalismus, meint Rifkin, wird spätestens in ein paar Jahrzehnten nur noch in einigen Nischen stattfinden.
Rifkin neigte schon immer zu den ganz großen Entwürfen, er ist eher der Mann für die Szenarien von übermorgen, was tendenziell zur Folge hat, dass man ihn immer erst nach Jahrzehnten widerlegen kann, dann also, wenn es dummerweise zu spät ist, an den Entwicklungen etwas zu ändern. Auch diesmal ist seine Großthese, die, wenn auch nicht den sofortigen Tod, dann doch zumindest den unaufhaltsamen Niedergang des Kapitalismus voraussagt, so radikal, dass einem sämtliche Einwände an ihrer Plausibilität schnell wie kleingeistige Spielverderberei vorkommen. Seine Hoffnung auf eine kooperative Wirtschaft, das ist die Pointe des Buches, wird weder durch reinen Idealismus angetrieben, noch ist sie der Slogan einer jener neokapitalistischen Sharing-Unternehmen wie die Zimmervermittlung AirBnB oder die Privattaxizentrale Uber, die alles andere als gemeinnützige Vereine sind. Es ist die Logik des Kapitalismus, die "Schizophrenie" in seinem Kern, wie Rifkin schreibt, die dazu führt, dass er sich selbst auffrisst: Im freien Wettbewerb steigt die Produktion ständig, die Preise fallen, bis sie keine Gewinne mehr einbringen. Am Ende liegen die Grenzkosten, die Kosten für jede zusätzlich produzierte Einheit, fast bei null.
In der Unterhaltungsindustrie ist diese Entwicklung längst offensichtlich, und dass sie vor der Welt der Atome nicht haltmacht, wird allmählich absehbar. In der Energiewirtschaft macht die Solartechnik Kunden zu Produzenten, in China werden nicht nur Autos ausgedruckt, sondern ganze Häuser. Die Frage aber ist nicht nur, ob damit auch der Kapitalismus gefährdet ist, auch da, wo er längst sein Heil nicht mehr in der Produktion, sondern in Dienstleistungen, Datenbankmanagement und irgendwelchen anderen aufwendigen "Solutions" sucht. Die Frage ist auch, ob man sich überhaupt wünschen soll, dass Rifkin wieder einmal recht behält; ob es tatsächlich ein Versprechen ist, wenn das, was vorher dem Kreislauf der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen war, von der eigenen Wohnung bis zum nachbarschaftlichen Gefallen, einen Tauschwert bekommt, in welcher utopischen Währung auch immer. Wenn jeder Mensch funktionieren muss wie eine durchrationalisierte Fabrik.
In der vergangenen Woche war Rifkin in Berlin, um seine These in Interviews und Talkshows auszuführen. Auch im Gespräch kann er nicht alle Zweifel ausräumen, und doch wird, wenn man ins Detail geht, viel deutlicher als in seinem atemlosen Buch, dass er schon sehr genau weiß, wo die Hürden auf dem Weg zur globalen Digitalkommune stehen. Natürlich, sagte er, werde der Wandel, den er beschreibt, "ein langer, qualvoller Prozess", schließlich entstehe nicht alle paar Jahre ein neues Wirtschaftssystem. Er ist auch nicht blind für die Macht monopolistischer Firmen und die Notwendigkeit ihrer Regulierung, für die Angst vorm Verlust der Privatsphäre und vor Datenmissbrauch oder für das drohende Ende der Netzneutralität, jenem Prinzip, dass im Internet alle Daten gleich schnell verschickt werden, ob sie von Großkonzernen oder Einzelpersonen kommen. All dies seien Kämpfe, die ausgetragen, Probleme, die geklärt werden müssen, es werde "ziemlich schmutzig". Am Ende aber werde es nicht nur einem Giganten wie Google schwerfallen, der Macht der Milliarden zum Prosumer gewordenen Kollaborateure standzuhalten, sondern auch Unternehmen wie Uber, die glauben, daran mitverdienen zu können. "Die Fahrer in der ganzen Welt werden sagen: ,Warum sollte ich mich von Uber ausnehmen lassen?' Ich könnte im direkten Umkreis dieses Platzes zehn Programmierer finden, die so eine Seite bauen können, und eine Kooperative gründen. Kann man sich vorstellen, dass die Milliarden von Menschen bis zum Ende der Welt dasitzen werden und sich ihre Ideen und Daten wegnehmen und für kommerzielle Zwecke benutzen lassen? Und niemand wird etwas dagegen tun? Das widerspricht der Geschichte!"
In Rifkins Zeitrafferaufnahme sind nicht nur Internettraditionsunternehmen wie Ebay, Amazon oder Facebook, sondern auch die gerade noch gehypten Unternehmen der Sharing-Ökonomie lediglich Akteure einer Übergangsphase, einer "hybriden Ökonomie", in der Kapitalismus und soziale Commons nebeneinander existieren. In der neuen Wirtschaftsordnung wird man sie genauso wenig brauchen wie Plattenfirmen, Kaufhäuser, Stromkonzerne und all die anderen Zwischenhändler des analogen Kapitalismus. Ein bisschen dürfen sie noch mitverdienen am Aufbau des "Super-Internets", das die Bereiche Kommunikation, Energie und Logistik integriert. Doch wenn es halbwegs von alleine läuft, glaubt Rifkin, wird die Crowd anfangen, auch die Steuerung und Kontrolle dieser Weltmaschine zu übernehmen. Dass die Macht der Internetmonopolisten gerade darin besteht, den allgemeinen Zugang zu den Daten, also gewissermaßen zum Rohmaterial der neuen Ökonomie, zu verhindern; dass also nicht einfach jeder dahergelaufene Datenschneider in seinem Heimatelier eine neue Suchmaschine oder ein soziales Netzwerk zusammenschnipseln kann, ist für ihn kein Gegenargument, im Gegenteil: Wie die Fabrikarbeiter der industriellen Revolution werden sie sich, wenn sie sich erst einmal ihrer Macht bewusst sind, zusammenschließen und ihre Rechte erkämpfen.
Rifkin kann ohne Punkt und Komma erzählen von dieser idealen neuen Welt, in der sich jeder in das globale Nervensystem einklinken kann, um irgendeine Idee einzuspeisen, die dann am anderen Ende als 3-D-Ausdruck wieder herauskommt. Natürlich klingt das alles nach einer Neuausgabe des "Whole Earth Catalogue", und spätestens wenn Rifkin irgendwann ins Transzendentale abdriftet, wenn er den "Übergang zum Biosphärebewusstsein mit einer Ausweitung unserer Empathie auf die ganze Menschheit als unserer Familie und auf unsere Mitgeschöpfe als evolutionäre Großfamilie" ankündigt, ist der Moment gekommen, wo auch die Staatschefs und Minister, die sich so gern von ihm beraten lassen, die Augen verdrehen.
Es ist aber der Punkt, an dem es interessant wird. So falsch, naiv, geschwätzig man Rifkins Digitalromantik finden kann, so wenig hat sie mit den Slogans zu tun, die in der Ideologie des Silicon Valley davon übrigbleiben, einer Ideologie, die man ja vor allem daran erkennt, dass sie das Grand Design, die politischen und ökonomischen Effekte ihrer Spielzeuge verschweigt. Statt großer Gesellschaftsentwürfe formuliert sie Floskeln und glaubt, die Welt retten zu können, indem sie Apps gegen Alltagsprobleme programmiert.
Es sind vielleicht nicht immer die richtigen Interpretationen, die Rifkin liefert, es sind aber die richtigen Kategorien. Das gilt auch für den wichtigsten Aspekt seiner Überlegungen, seine Kulturanthropologie. Das interessanteste Kapitel ist jenes, in dem er sich, wenn auch nur skizzenhaft, mit der Frage der Freiheit beschäftigt. Dass die herrschenden Vorstellungen von Privatsphäre eben auch nur die lieb gewonnenen Anpassungen an eine Welt des Privateigentums sind, "wo alles auf die Dichotomie ,mein' und ,dein' reduziert war", dass es sich dabei also um Errungenschaften handelt, nicht um ein Menschenrecht, das sollte man eben auch im Hinterkopf haben, wenn man sie verteidigen möchte. Wenn man das eine ohne das andere haben will, die Autonomie ohne das Automobil gewissermaßen, reicht Technologiekritik allein nicht aus. Die Kraft der Autonomie, hat Theodor W. Adorno einmal gesagt, ist die Kraft des Nicht-Mitmachens. In einer Ökonomie der Kollaboration ist sie nicht vorgesehen.
Umso wichtiger ist es, dass ab und zu jemand wie Rifkin kommt, der die Fenster aufreißt und die richtigen Begriffe reinlässt. Am Donnerstag war er zu Gast bei Maybrit Illner. Auch dort sollte es um die Zukunft gehen. Stattdessen diskutierte die Runde über Entlassungen bei Karstadt und die 35-Stunden-Woche.
HARALD STAUN
Jeremy Rifkin: "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus". Campus-Verlag, 528 Seiten, 27 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.09.2014Die Komödie
der Allmenden
Jeremy Rifkin über die digitale Ökonomie
Der Kapitalismus ist nah an der Kapitulation im neuen Buch von Jeremy Rifkin. Das System ist nicht am Ende, aber es muss sich anpassen, an die neue Dynamik, die das Internet ihm verpasst. Das totale Internet, das Super-Internet, das Internet der Dinge, wie es sich gerade mit gewaltiger Geschwindigkeit entwickelt und unser aller Leben erfasst und ändert.
Rifkin ist der Starprophet und -propagandist der tapferen neuen Welt, die bei ihm wie ein Paradies ausschaut, weil alle Probleme, mit denen wir uns heute abplagen – gesellschaftliche Ungleichheit, ökonomische Desaster und sogar die Klimakatastrophen – sich wie von selbst lösen werden. Seit Jahren begleitet er diesen Prozess, und im neuen Buch sind gewissermaßen die Bücher der vergangenen 20 Jahre fulminant zusammengeführt, es geht um das „Ende der Arbeit“ (1995) und „Access – Das Verschwinden des Eigentums“ (2000), die „empathische Zivilisation“ (2010) und die „dritte industrielle Revolution“ (2011). Das Buch ist die reine Begeisterung, atemlos, und wo die harte Faktenlage der Realität die These noch nicht so ganz unterstützen mag, ist immerhin von Hoffnung auf sinnvolle Lösungen die Rede.
Seit dem Internet, das ist Rifkins Überzeugung, ist es mit dem Habenwollen vorbei, mit dem Eigentum und den Deformationen, die es nach sich zieht, die Menschen sehen nun ihre Gemeinschaft durchs Teilen konstituiert, was enorme ökonomische und kreative Potenziale freisetzen wird. In seinem Buch „Access“ hat Rifkin das erstmals vorgestellt, nun sieht er die Tendenz, dadurch dass die Grenzkosten in der industriellen Produktion immer mehr gegen null gehen, nachdrücklich bestätigt: „Je mehr Güter und Dienstleistungen, die das Wirtschaftsleben unserer Gesellschaft ausmachen, sich in Richtung Nahezu-null-Grenzkosten bewegen und fast kostenlos zu haben sind, desto mehr wird sich der kapitalistische Markt in schmale Nischen zurückziehen, in denen Unternehmen, die Profit abwerfen, nur am Rande der Wirtschaft überleben.“
Das ist ein Traum, der sich zwischen Kapitalismus und Kommunismus bewegt und zu keinem von beiden dezidiert sich bekennen mag. Im Internet – einem, das alles regeln wird, Information und Energie und Transporte, wissenschaftliche Lehre und medizinische Versorgung – sieht Rifkin ein altes gesellschaftliches Modell der Feudalzeit reaktiviert, das der Commons, der kollaborativen Allmenden, die man, in Erinnerung an den Geschichtsunterricht, exemplarisch mit den Viehweiden assoziiert, die einst gemeinsam genutzt und gepflegt wurden. Die Tragödie dieser Allmenden begann, als der Gemeinschaftsgedanke korrumpiert wurde durch Vorstellungen von privatem Profitstreben, Verschleiß- und Regenerationsprobleme. Rifkin hat selbst die alte Idee überleben sehen, in der Gemeinde Törbel etwa im Schweizer Kanton Wallis. Und er sieht die Tragödie allgemein rückgängig gemacht durch die neue Mentalität der Share Community des Internets und seiner Prosumenten – die Produzieren und Konsumieren zusammenbringen. Die Komödie der Commons!
Die Komödie hat Swing, und fasziniert folgt man, wie Rifkin ihre einzelnen Szenen skizziert, Tausch, Eigeninitiative, Unabhängigkeit von staatlichen Instanzen und den Zwängen der industriellen Konzerne. Selbst ist der Produzent, der Arzt. Und doch werfen immer wieder Neben- und Hintergedanken Schatten aufs Idyll. Die beiden zugkräftigsten Share-Initiativen, in denen Autos und Wohnungen geteilt werden, sind knallharte kapitalistische Unternehmen – sie werden deshalb hoch taxiert und mit Kapital zugeschüttet. Das Unternehmen Uber, das gerade die Taxi-Firmen der ganzen Welt vernichten will, und Airbnb, das weltweit Zimmer vermittelt, kassieren immer mit, ohne große Gegenleistung oder Verantwortung. Auch die Teilenden kassieren für die Nutzung, und sind glücklich über jeden Mehrwert, der dabei anfällt – wenn man durch die aufgenommenen Gäste fremde Menschen und Kulturen erleben und soziales Verhalten üben kann. Von wirklich radikalem, gänzlich profitunorientiertem Sharing, in philanthropischem, christlichem, kommunistischem Sinne, ist das himmelweit entfernt – müsste es dann nicht ein Airbnb für Asylanten, Migranten, Verfolgte geben?
Für den einzelnen Menschen interessiert sich Rifkin – der sehr gerne Gandhi zitiert – in seiner Euphorie nur am Rande, ihn fasziniert die große Bewegung, und vor allem die Billionen Sensoren, die in wenigen Jahren unser aller Leben gestalten werden. Sein Buch ist zu dicht dran an den einzelnen Initiativen, und zugleich zu weit abgehoben, um die Struktur der Gesellschaft in den Blick zu kriegen. Die Produktions- und Schaffungsprozesse, ohne die es auch in Zukunft nicht gehen wird, ignoriert es. Und die Produktionsverhältnisse – Reflexionen darüber, was die Arbeit und das Leben miteinander zu tun haben. Von der konkreten Arbeit, an Materie und Rohstoffen, Häusern und Straßen, auf Feldern und Wäldern ist nicht die Rede. Auch nicht von der Lust an Arbeit, am Wirken des Menschen.
Nur die menschliche Arbeit, hat Marx gesagt, schafft Wert. Wenn Rifkin vom Musik-, Film- und Buchgeschäft spricht, die zuerst von den Null-Grenzwert-Praktiken des Internets betroffen wurden, sind die Künstler kaum der Rede wert. Die Prosumenten, die sie ablösten und von denen er so begeistert ist, sind eine merkwürdig wesenlose Masse, wenig individualistisch. Dialektik ist nicht Rifkins Ding, er orientiert sich an einfachsten rationalen Handeln. Die Komödie der Commons, die er inszeniert, verspricht am Ende weniger Leichtigkeit als Leichtfertigkeit.
FRITZ GÖTTLER
Jeremy Rifkin: Die Null Grenzkosten Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus. Aus dem Englischen von Bernhard Schmid. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2014. 525 Seiten, 27 Euro. E-Book 22,99 Euro.
Jeremy Rifkin , geb. 1945, Kämpfer für die gerechte Gesellschaft und die Rettung der Biosphäre. Von Gandhi inspiriert: „Die Erde bietet genug für die Befriedigung der Bedürfnisse aller, nicht aber genug für aller Gier.“
Foto: AFP/E. LALMAND
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Allmenden
Jeremy Rifkin über die digitale Ökonomie
Der Kapitalismus ist nah an der Kapitulation im neuen Buch von Jeremy Rifkin. Das System ist nicht am Ende, aber es muss sich anpassen, an die neue Dynamik, die das Internet ihm verpasst. Das totale Internet, das Super-Internet, das Internet der Dinge, wie es sich gerade mit gewaltiger Geschwindigkeit entwickelt und unser aller Leben erfasst und ändert.
Rifkin ist der Starprophet und -propagandist der tapferen neuen Welt, die bei ihm wie ein Paradies ausschaut, weil alle Probleme, mit denen wir uns heute abplagen – gesellschaftliche Ungleichheit, ökonomische Desaster und sogar die Klimakatastrophen – sich wie von selbst lösen werden. Seit Jahren begleitet er diesen Prozess, und im neuen Buch sind gewissermaßen die Bücher der vergangenen 20 Jahre fulminant zusammengeführt, es geht um das „Ende der Arbeit“ (1995) und „Access – Das Verschwinden des Eigentums“ (2000), die „empathische Zivilisation“ (2010) und die „dritte industrielle Revolution“ (2011). Das Buch ist die reine Begeisterung, atemlos, und wo die harte Faktenlage der Realität die These noch nicht so ganz unterstützen mag, ist immerhin von Hoffnung auf sinnvolle Lösungen die Rede.
Seit dem Internet, das ist Rifkins Überzeugung, ist es mit dem Habenwollen vorbei, mit dem Eigentum und den Deformationen, die es nach sich zieht, die Menschen sehen nun ihre Gemeinschaft durchs Teilen konstituiert, was enorme ökonomische und kreative Potenziale freisetzen wird. In seinem Buch „Access“ hat Rifkin das erstmals vorgestellt, nun sieht er die Tendenz, dadurch dass die Grenzkosten in der industriellen Produktion immer mehr gegen null gehen, nachdrücklich bestätigt: „Je mehr Güter und Dienstleistungen, die das Wirtschaftsleben unserer Gesellschaft ausmachen, sich in Richtung Nahezu-null-Grenzkosten bewegen und fast kostenlos zu haben sind, desto mehr wird sich der kapitalistische Markt in schmale Nischen zurückziehen, in denen Unternehmen, die Profit abwerfen, nur am Rande der Wirtschaft überleben.“
Das ist ein Traum, der sich zwischen Kapitalismus und Kommunismus bewegt und zu keinem von beiden dezidiert sich bekennen mag. Im Internet – einem, das alles regeln wird, Information und Energie und Transporte, wissenschaftliche Lehre und medizinische Versorgung – sieht Rifkin ein altes gesellschaftliches Modell der Feudalzeit reaktiviert, das der Commons, der kollaborativen Allmenden, die man, in Erinnerung an den Geschichtsunterricht, exemplarisch mit den Viehweiden assoziiert, die einst gemeinsam genutzt und gepflegt wurden. Die Tragödie dieser Allmenden begann, als der Gemeinschaftsgedanke korrumpiert wurde durch Vorstellungen von privatem Profitstreben, Verschleiß- und Regenerationsprobleme. Rifkin hat selbst die alte Idee überleben sehen, in der Gemeinde Törbel etwa im Schweizer Kanton Wallis. Und er sieht die Tragödie allgemein rückgängig gemacht durch die neue Mentalität der Share Community des Internets und seiner Prosumenten – die Produzieren und Konsumieren zusammenbringen. Die Komödie der Commons!
Die Komödie hat Swing, und fasziniert folgt man, wie Rifkin ihre einzelnen Szenen skizziert, Tausch, Eigeninitiative, Unabhängigkeit von staatlichen Instanzen und den Zwängen der industriellen Konzerne. Selbst ist der Produzent, der Arzt. Und doch werfen immer wieder Neben- und Hintergedanken Schatten aufs Idyll. Die beiden zugkräftigsten Share-Initiativen, in denen Autos und Wohnungen geteilt werden, sind knallharte kapitalistische Unternehmen – sie werden deshalb hoch taxiert und mit Kapital zugeschüttet. Das Unternehmen Uber, das gerade die Taxi-Firmen der ganzen Welt vernichten will, und Airbnb, das weltweit Zimmer vermittelt, kassieren immer mit, ohne große Gegenleistung oder Verantwortung. Auch die Teilenden kassieren für die Nutzung, und sind glücklich über jeden Mehrwert, der dabei anfällt – wenn man durch die aufgenommenen Gäste fremde Menschen und Kulturen erleben und soziales Verhalten üben kann. Von wirklich radikalem, gänzlich profitunorientiertem Sharing, in philanthropischem, christlichem, kommunistischem Sinne, ist das himmelweit entfernt – müsste es dann nicht ein Airbnb für Asylanten, Migranten, Verfolgte geben?
Für den einzelnen Menschen interessiert sich Rifkin – der sehr gerne Gandhi zitiert – in seiner Euphorie nur am Rande, ihn fasziniert die große Bewegung, und vor allem die Billionen Sensoren, die in wenigen Jahren unser aller Leben gestalten werden. Sein Buch ist zu dicht dran an den einzelnen Initiativen, und zugleich zu weit abgehoben, um die Struktur der Gesellschaft in den Blick zu kriegen. Die Produktions- und Schaffungsprozesse, ohne die es auch in Zukunft nicht gehen wird, ignoriert es. Und die Produktionsverhältnisse – Reflexionen darüber, was die Arbeit und das Leben miteinander zu tun haben. Von der konkreten Arbeit, an Materie und Rohstoffen, Häusern und Straßen, auf Feldern und Wäldern ist nicht die Rede. Auch nicht von der Lust an Arbeit, am Wirken des Menschen.
Nur die menschliche Arbeit, hat Marx gesagt, schafft Wert. Wenn Rifkin vom Musik-, Film- und Buchgeschäft spricht, die zuerst von den Null-Grenzwert-Praktiken des Internets betroffen wurden, sind die Künstler kaum der Rede wert. Die Prosumenten, die sie ablösten und von denen er so begeistert ist, sind eine merkwürdig wesenlose Masse, wenig individualistisch. Dialektik ist nicht Rifkins Ding, er orientiert sich an einfachsten rationalen Handeln. Die Komödie der Commons, die er inszeniert, verspricht am Ende weniger Leichtigkeit als Leichtfertigkeit.
FRITZ GÖTTLER
Jeremy Rifkin: Die Null Grenzkosten Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus. Aus dem Englischen von Bernhard Schmid. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2014. 525 Seiten, 27 Euro. E-Book 22,99 Euro.
Jeremy Rifkin , geb. 1945, Kämpfer für die gerechte Gesellschaft und die Rettung der Biosphäre. Von Gandhi inspiriert: „Die Erde bietet genug für die Befriedigung der Bedürfnisse aller, nicht aber genug für aller Gier.“
Foto: AFP/E. LALMAND
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Eine anregende Lektüre, die hilft, über den Tellerrand der operativen Aspekte des Internets und der Industrie 4.0 hinauszuschauen." Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Péter Horváth, Stuttgart, Controlling, 01.06.2015"Jeremy Rifkin schreibt leicht verständlich, hat gründlich recherchiert, nennt zahlreiche beeindruckende Details, ist einfach ein bestens informierter Erzähler. Er weiß gut zu begründen, warum uns eine dritte Industrielle Revolution bevorsteht." Johannes Kaiser, NDR, 14.10.2014"Rifkin zeichnet ein beeindruckendes Panorama der Zukunft.", Neue Zürcher Zeitung, 05.01.2015"Eines der bedeutendsten Wirtschaftsbücher dieses Jahres." Thorsten Giersch, Handelsblatt Online, 04.10.2014"Eine gewinnbringende Lektüre" Torsten Riecke, Handelsblatt, 08.08.2014"Rifkin fügt wie immer brillant Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen zu einem bereicherndem und anregendem Buch zusammen.", KURIER, 20.11.2014"Rifkins Buch erweist sich dort, wo es von den enormen Auswirkungen neuer Technologien auf unser Leben erzählt - trotz mancher Übertreibung - als eine lohnende Lektüre." Holger Heimann, MDR Wissen, 03.09.2014"Unser Wirtschaftsmodell funktioniert nicht mehr, weil die Menschen lieber teilen statt besitzen - der Soziologe Jeremy Rifkin beschreibt eine neue industrielle Revolution.", Süddeutsche Zeitung, 16.09.2014"Jeremy Rifkin beschreibt in seinem Buch eine Welt voller smarter Geräte und Maschinen. Man kann sich davor gruseln oder darüber freuen, wie der Autor. In jedem Fall bietet Rifkin auf mehr als 500 Seiten eine Fülle von wertvollen Anregungen darüber, wie unsere Welt in nicht allzu ferner Zukunft aussehen könnte." Rebecca Hillauer, ORF, 13.09.2014"Während der vom materiellen Gewinn getriebene kapitalistische Markt auf Eigennutz basiert, charakterisiert die neue, auf wirtschaftliche Kollaboration beruhende Welt das Interesse an der Zusammenarbeit." Jeremy Rifkin im SPIEGEL-Gespräch mit Thomas Schulz, DER SPIEGEL, 04.08.2014"Das Buch ist spannend und wichtig und bietet interessante Analysen sowie inspirierende Gedanken" Caspar Dohmen in "Andruck - Das Magazin für politsche Literatur", Deutschlandfunk, 18.08.2014"Man darf wohl von einem Best-of-Rifkin sprechen: Das Ende der Arbeit verbindetsich mit dem Verschwinden des Eigentums und der Dritten Industriellen Revolution zum umfassenden Panorama einer künftigen Welt, die nicht mehr rein kapitalistisch ist." Konstantin Richter, Die Welt, 16.08.2014"Kaum jemand zeichnet die Welt der Zukunft so klar und nachvollziehbar wie der US-Ökonom Jeremy Rifkin." Birk Grüling, UNICUM.de, 17.04.2015"In der Ökonomie des Teilens und Tauschens sieht Rifkin ein neues Paradigma, und zwar eines im Sinne des Philosophen Thomas S. Kuhn, eines also, das alles verändern wird: die Wirtschaft, die Gesellschaft, unsere Art zu leben und zu denken." Harald Staun, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14.09.2014