Sie haben Angst, gering zu gelten, nicht wichtig genommen zu werden, sie sind eifersüchtig, eitel, rachsüchtig. Ein äußerst vergnügliches Panoptikum, mit Cavazzonis berühmtem trockenen Humor geschrieben, in dem die menschlichen Schwächen bis in die hintersten, finstersten Gedankenwinkel ausgeleuchtet werden.
Schriftsteller: Ob sie schon lange auf Bäumen sitzen oder frisch aus der Erde sprießen ? alle wollen Erfolg haben und geben dafür ihren Namen preis, ihre Herkunft, verdingen sich als Schlittenhunde oder als Diebe.
Der eine schließt einen Pakt mit den Teufel, der andere mit dem Erzengel Michael, während der Avantgardeschriftsteller seit zwanzig Jahren im Keller sitzt und mit der Schere Buchseiten zurechtstutzt.
Ironisch und humorvoll beschreibt Ermanno Cavazzoni Eigenschaften und Typen, die einem irgendwie bekannt vorkommen, weit über den verlästerten Berufsstand hinaus.
Schriftsteller: Ob sie schon lange auf Bäumen sitzen oder frisch aus der Erde sprießen ? alle wollen Erfolg haben und geben dafür ihren Namen preis, ihre Herkunft, verdingen sich als Schlittenhunde oder als Diebe.
Der eine schließt einen Pakt mit den Teufel, der andere mit dem Erzengel Michael, während der Avantgardeschriftsteller seit zwanzig Jahren im Keller sitzt und mit der Schere Buchseiten zurechtstutzt.
Ironisch und humorvoll beschreibt Ermanno Cavazzoni Eigenschaften und Typen, die einem irgendwie bekannt vorkommen, weit über den verlästerten Berufsstand hinaus.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2003Kanaillen, Heuchler
Ermanno Cavazzoni verspottet die nutzlosen Schriftsteller
Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Ermanno Cavazzoni, Ästhetik-Professor an der Universität von Bologna, präsentiert sieben Lektionen mit insgesamt fünfzig Fallbeispielen. Cavazzoni liefert den Beweis: Schriftsteller sind nutzlos. Sie verdingen sich als Schlittenhunde oder Diebe, sie sitzen in Obstbäumen und warten auf Inspiration. Jedoch mit der Inspiration ist es Essig.
Ermanno Cavazzoni allerdings mangelt es an Inspiration ganz und gar nicht. Seine Phantasie ist ein toll und grotesk sprudelnder Quell. Was müssen sich die Schriftsteller nicht alles von ihm vorsprudeln lassen. Schimpf und Schande, Pest und Schwefel, Schmutz und andere Schweinereien gießt er über sie aus. Seien wir mal ehrlich: Haben die Schriftsteller das nicht auch verdient? Sind sie nicht selber schuld? "Die Schriftsteller hassen einander grundsätzlich; aber sie können nicht voneinander lassen", so lesen wir. "Gute Gesundheit euch allen", rufen sie sich am Schriftsteller-Stammtisch zu. In Wahrheit denken sie: "Lauter Angeber, Scheinheilige, Schmierfinken, Nieten, Abschreiber."
Empfehlung: Die Tagesordnung von Schriftsteller-Treffen sollte zehn Minuten Vorlesen aus diesem Buch einschließen. Mit den hilfreichen, nicht zu langen Abhandlungen können sich Schriftsteller die Wahrheit sagen, ohne lügen zu müssen. Nebenbei gewinnen sie die nützliche Einsicht: Eigentlich sind wir überflüssig. Das jedenfalls behauptet der Autor.
Die kurzen Geschichten, die er seinen Lektionen beifügt, fangen wie Märchen an: "Ein armer schlecht angezogener Schriftsteller hoffte, im Lotto zu gewinnen, und verfluchte sein Geschick." Tatsächlich gewinnt dieser Mann ein schönes Sümmchen, und dann: "Als Schriftsteller taugte er überhaupt nichts mehr. Auch vorher hatte er nichts getaugt." So lautet das vernichtende Urteil, und die Geschichte geht dann so weiter: Um den durch Glück im Spiel reich gewordenen Schriftsteller schart sich eine Gruppe von Schmarotzern, Kollegen also, die ihn auf seinen Reisen begleiten. "Sie hatten keinen festen Wohnsitz, denn sie lebten lieber in Freiheit nur der Literatur; außerdem liebten sie es nicht, sich zu parfümieren, zu waschen oder Kleider zu wechseln." Und was geschah, als der Lottogewinn verjubelt war? Man kann es sich denken. Trotzdem: zur Sicherheit lieber noch mal bei Cavazzoni nachlesen.
"Es gab eine Zeit, in der die Schriftsteller noch nicht schrieben, sondern ziellos durch die Lande und Täler irrten. Einige waren lahm, andere blind, wieder andere waren der Ausschuß der Menschheit." Was will uns der Autor damit sagen? Selbstverständlich nichts als die Wahrheit: "Speichellecker, Kanaillen, Heuchler". Ja, den Schriftstellern geht es ordentlich an den Kragen. Glücklich die Frauen, die hier nur am Rande erscheinen! Ähnlich glücklich die Kritiker. Sie werden gebraucht aus einem einzigen Grund: "damit ein Schriftsteller sich einen Augenblick lang einbildet, er würde existieren".
Liest sich nun das Folgende auch wie der erste Satz aus einem Märchen? "Der Nazifaschismus war ein Regime, das bis 1945 in ganz Europa wütete und alle Länder in der Zange hatte. Nach 1945 lebt der Nazifaschismus - so sagt ein Schriftsteller - weit entfernt davon, vollkommen verschwunden zu sein, jedes Jahr im Juli wieder neu auf und treibt ihn, seine Frau, seinen Sohn, seine Schwiegermutter, den Schwager mit Frau und zwei Kindern in die Konzentrationslager, zusammen mit den vielen anderen, mindestens die Hälfte der Bevölkerung. Das Neue daran ist im Vergleich zum alten grausamen Vorkriegsfaschismus, daß sich die Bevölkerung, wenn auch unter großen Qualen, freiwillig in die Konzentrationslager begibt und daß keine Waffen, keine Gestapo und kein SS-Aufgebot nötig sind. Heute liegen die Konzentrationslager außerhalb an den Meeresstränden, und es sind nicht mehr die alten Lager; aber die Namen sind ebenso berüchtigt: Rimini, Miramare, Cattolica . . ."
Ergeben Sommerhitze, Stau auf der Autobahn, Massenurlaubsbetrieb an der Adria und sonstwo ein zulässiges Bild von den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten? Schon kapiert: Das will uns doch nur der nutzlose Schriftsteller einreden! Aber hat das auch der italienische Autor, Professor Cavazzoni, kapiert? Ist denn wirklich alles erlaubt? Glückt so ein literarisches Spiel ohne Grenzen? Darf man dieses Dollstück, und sei es noch so bizarr, durchgehen lassen?
Man darf es natürlich nicht. Aber davon einmal abgesehen, sind diesen Lach- und Schießstücken aus dem Lesekabarett doch gute Reise und viel Publikum zu wünschen! Besonders die Bemerkungen über Sterben und Tod des Schriftstellers sind erfrischend komisch, also literarischer Glücksfall. Dem Schriftsteller Cavazzoni kann man zustimmen, weil fast alles, was er mitzuteilen hat, Witz und Freude bereitet und darum dick unterstrichen werden kann. Auf daß am Ende folgende Erkenntnis walte: Ganz nutzlos kann der Schriftsteller nicht sein, wenn sein Buch dem eigenen Titel so herzhaft und vehement widerspricht.
Ermanno Cavazzoni: "Die nutzlosen Schriftsteller". Aus dem Italienischen übersetzt von Marianne Schneider. Wagenbach Verlag, Berlin 2003. 192 S., geb., 19,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ermanno Cavazzoni verspottet die nutzlosen Schriftsteller
Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Ermanno Cavazzoni, Ästhetik-Professor an der Universität von Bologna, präsentiert sieben Lektionen mit insgesamt fünfzig Fallbeispielen. Cavazzoni liefert den Beweis: Schriftsteller sind nutzlos. Sie verdingen sich als Schlittenhunde oder Diebe, sie sitzen in Obstbäumen und warten auf Inspiration. Jedoch mit der Inspiration ist es Essig.
Ermanno Cavazzoni allerdings mangelt es an Inspiration ganz und gar nicht. Seine Phantasie ist ein toll und grotesk sprudelnder Quell. Was müssen sich die Schriftsteller nicht alles von ihm vorsprudeln lassen. Schimpf und Schande, Pest und Schwefel, Schmutz und andere Schweinereien gießt er über sie aus. Seien wir mal ehrlich: Haben die Schriftsteller das nicht auch verdient? Sind sie nicht selber schuld? "Die Schriftsteller hassen einander grundsätzlich; aber sie können nicht voneinander lassen", so lesen wir. "Gute Gesundheit euch allen", rufen sie sich am Schriftsteller-Stammtisch zu. In Wahrheit denken sie: "Lauter Angeber, Scheinheilige, Schmierfinken, Nieten, Abschreiber."
Empfehlung: Die Tagesordnung von Schriftsteller-Treffen sollte zehn Minuten Vorlesen aus diesem Buch einschließen. Mit den hilfreichen, nicht zu langen Abhandlungen können sich Schriftsteller die Wahrheit sagen, ohne lügen zu müssen. Nebenbei gewinnen sie die nützliche Einsicht: Eigentlich sind wir überflüssig. Das jedenfalls behauptet der Autor.
Die kurzen Geschichten, die er seinen Lektionen beifügt, fangen wie Märchen an: "Ein armer schlecht angezogener Schriftsteller hoffte, im Lotto zu gewinnen, und verfluchte sein Geschick." Tatsächlich gewinnt dieser Mann ein schönes Sümmchen, und dann: "Als Schriftsteller taugte er überhaupt nichts mehr. Auch vorher hatte er nichts getaugt." So lautet das vernichtende Urteil, und die Geschichte geht dann so weiter: Um den durch Glück im Spiel reich gewordenen Schriftsteller schart sich eine Gruppe von Schmarotzern, Kollegen also, die ihn auf seinen Reisen begleiten. "Sie hatten keinen festen Wohnsitz, denn sie lebten lieber in Freiheit nur der Literatur; außerdem liebten sie es nicht, sich zu parfümieren, zu waschen oder Kleider zu wechseln." Und was geschah, als der Lottogewinn verjubelt war? Man kann es sich denken. Trotzdem: zur Sicherheit lieber noch mal bei Cavazzoni nachlesen.
"Es gab eine Zeit, in der die Schriftsteller noch nicht schrieben, sondern ziellos durch die Lande und Täler irrten. Einige waren lahm, andere blind, wieder andere waren der Ausschuß der Menschheit." Was will uns der Autor damit sagen? Selbstverständlich nichts als die Wahrheit: "Speichellecker, Kanaillen, Heuchler". Ja, den Schriftstellern geht es ordentlich an den Kragen. Glücklich die Frauen, die hier nur am Rande erscheinen! Ähnlich glücklich die Kritiker. Sie werden gebraucht aus einem einzigen Grund: "damit ein Schriftsteller sich einen Augenblick lang einbildet, er würde existieren".
Liest sich nun das Folgende auch wie der erste Satz aus einem Märchen? "Der Nazifaschismus war ein Regime, das bis 1945 in ganz Europa wütete und alle Länder in der Zange hatte. Nach 1945 lebt der Nazifaschismus - so sagt ein Schriftsteller - weit entfernt davon, vollkommen verschwunden zu sein, jedes Jahr im Juli wieder neu auf und treibt ihn, seine Frau, seinen Sohn, seine Schwiegermutter, den Schwager mit Frau und zwei Kindern in die Konzentrationslager, zusammen mit den vielen anderen, mindestens die Hälfte der Bevölkerung. Das Neue daran ist im Vergleich zum alten grausamen Vorkriegsfaschismus, daß sich die Bevölkerung, wenn auch unter großen Qualen, freiwillig in die Konzentrationslager begibt und daß keine Waffen, keine Gestapo und kein SS-Aufgebot nötig sind. Heute liegen die Konzentrationslager außerhalb an den Meeresstränden, und es sind nicht mehr die alten Lager; aber die Namen sind ebenso berüchtigt: Rimini, Miramare, Cattolica . . ."
Ergeben Sommerhitze, Stau auf der Autobahn, Massenurlaubsbetrieb an der Adria und sonstwo ein zulässiges Bild von den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten? Schon kapiert: Das will uns doch nur der nutzlose Schriftsteller einreden! Aber hat das auch der italienische Autor, Professor Cavazzoni, kapiert? Ist denn wirklich alles erlaubt? Glückt so ein literarisches Spiel ohne Grenzen? Darf man dieses Dollstück, und sei es noch so bizarr, durchgehen lassen?
Man darf es natürlich nicht. Aber davon einmal abgesehen, sind diesen Lach- und Schießstücken aus dem Lesekabarett doch gute Reise und viel Publikum zu wünschen! Besonders die Bemerkungen über Sterben und Tod des Schriftstellers sind erfrischend komisch, also literarischer Glücksfall. Dem Schriftsteller Cavazzoni kann man zustimmen, weil fast alles, was er mitzuteilen hat, Witz und Freude bereitet und darum dick unterstrichen werden kann. Auf daß am Ende folgende Erkenntnis walte: Ganz nutzlos kann der Schriftsteller nicht sein, wenn sein Buch dem eigenen Titel so herzhaft und vehement widerspricht.
Ermanno Cavazzoni: "Die nutzlosen Schriftsteller". Aus dem Italienischen übersetzt von Marianne Schneider. Wagenbach Verlag, Berlin 2003. 192 S., geb., 19,50 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
""Gute Reise und viel Publikum" wünscht Rezensent Jochen Missfeldt diesen "Lach- und Schießstücken aus dem Lesekabarett". Denn er hat einen "literarischen Glücksfall" anzuzeigen, in dem Schriftsteller als ebenso unangenehme wie nutzlose Spezies beschrieben werden. Besonders die Bemerkungen über Sterben und Tod des Schriftstellers findet der rezensierende Schriftsteller Missfeldt erfrischend komisch. Aber auch all die anderen Dinge, die Cavazzoni mitzuteilen habe, bereiten ihm großes Vergnügen. Sieben Lektionen mit insgesamt fünfzig Fallbeispielen, lesen wir, liefert der Ästhetik-Professor an der Universität Bologna, dessen tolle und grotesk sprudelnde Fantasie Missfeldt in den Himmel lobt. "Schimpf und Schande, Pest und Schwefel, Schmutz und andere Schweinereien" gieße Cavazzoni über die Schriftsteller aus, freut sich Schriftsteller Missfeldt, der diese höchst amüsanten Litaneien und bizarren Kapricen in hohem (masochistischen?) Maße genossen hat. "Was will uns der Autor damit sagen?" fragt er scheinheilig und gibt selber die Antwort: Schriftsteller sind "Speichellecker, Kanaillen, Heuchler."
© Perlentaucher Medien GmbH"
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