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Produktdetails
  • Edition Zeitgeschichte
  • Verlag: Tosa
  • Seitenzahl: 256
  • Abmessung: 300mm
  • Gewicht: 1540g
  • ISBN-13: 9783854924845
  • ISBN-10: 3854924844
  • Artikelnr.: 10427440
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.1995

Barbarossa und die Briten
Alan Clark beschreibt Hitlers Krieg gegen Rußland

Alan Clark: Barbarossa: The Russian-German Conflict 1942-1945. Weidenfeld & Nicolson, London 1995. 522 Seiten, 24 Abbildungen, Preis in Großbritannien 25,- Pfund.

"333 bei Issos Keilerei" - mit solchen Eselsbrücken lernten einst deutsche Gymnasiasten die Daten antiker Schlachten auswendig. Vom heroischen Völkergemetzel blieb am Ende nichts als die nackte Jahreszahl. Eines Tages werden auch die Triumphe und Tragödien des Zweiten Weltkrieges hinter dem Horizont der Zeit versunken sein: Am 100. Jahrestag der Kapitulation, dem 8. Mai 2045, ist die welthistorische Katastrophe mit ihren 50 Millionen Toten längst zum Geschichtsthema erstarrt, und die Nachfahren der Besiegten dürften jenes Datums nur noch beiläufig gedenken. Natürlich werden künftige Historiker immer wieder an das schreckliche Drama erinnern, aber im nahezu geschichtslos dahinlebenden Deutschland wird man solchen irritierenden Reminiszenzen aus dem zwanzigsten Jahrhundert wohl wenig Beachtung schenken.

Anders im traditionsbewußten England. Dort spielt Kriegsgeschichte von jeher eine bedeutende Rolle, und angesehene Militärhistoriker wie Liddle Hart oder John Keegan, denen jeglicher Militarismus fremd ist, finden ein fasziniertes Publikum. Jahr für Jahr erscheinen noch immer Bücher über den Ersten Weltkrieg, und in den Londoner Verlagshäusern hat man schon jetzt den 200. Jahrestag der Schlacht bei Waterloo im Visier - den 18. Juni 2015.

Gerade ist ein kriegsgeschichtlicher Bestseller neu erschienen, der in Großbritannien bereits vor 30 Jahren Furore machte. Der populäre Schriftsteller Alan Clark, einst junger Minister im Kabinett von Frau Thatcher und angeblich einer der brillantesten Tagebuchschreiber seit Pepys und Boswell, hat sich intensiv mit Hitlers monströsem "Rußland-Feldzug" beschäftigt. Er schrieb über den vierjährigen gnadenlosen Krieg ein umfangreiches Werk, das zuweilen allerdings an ein Heldenepos erinnert. Am besten gelang ihm das Kapitel über die große Panzerschlacht bei Kursk, wo im Juli 1943 Tausende von deutschen und russischen Stahlkolossen aufeinanderprallten. Imposant schildert der Brite, wie die gewaltigen Ungetüme aus dem staubigen Dunst der Steppe auftauchen - der von Porsche konstruierte Mammutpanzer "Ferdinand" und sein russisches Pendant, der viel schnellere "Josef Stalin". Er erzählt, wie russische Infanteristen mit Flammenwerfern auf die vorpreschenden "Tiger" und "Panther" springen, um durch die Auspuffrohre Feuerstöße ins Innere der deutschen Panzer zu jagen. Ein Kronzeuge Alan Clarks ist der legendäre Panzergeneral Guderian, der in seinen Memoiren die genial-primitive Konstruktion des russischen "T 34" bewundert. In ungeheuren Stückzahlen produziert, wurde dieser robuste Standardpanzer der Roten Armee zum Schreckgespenst der deutschen Landser.

Während in dem vorzüglich illustrierten Buch die Darstellung der Kampfhandlungen und strategischen Operationen im Osten oft beeindruckt, enttäuscht das Schlußkapitel, "The Fall of Berlin". Offenbar waren dem Autor etliche einschlägige Quellen, vor allem von deutscher Seite, unbekannt. Die tagelange erbitterte Schlacht um die Seelower Höhen wird von ihm gar nicht erwähnt, und es unterlaufen ihm einige seltsame Irrtümer: So verwechselt er beispielsweise die Havel mit der Spree und behauptet, die Berliner hätten schon im März 1945 unentwegt den russischen Kanonendonner gehört - was aber erst viel später, am 21. April, geschah. Obendrein schickt er sogar Gauleiter und andere hohe NS-Funktionäre als schlichte Volkssturmmänner an die Front. Man staunt darüber, daß im Londoner Lektorat niemand auf die Idee kam, den Text dieser Neuausgabe von kundiger Hand noch einmal überprüfen zu lassen. Immerhin stammt das präzise Standardwerk über die Eroberung Berlins von einem britischen Offizier - Tony Le Tissier.

Auch mancherlei orthographische Mängel blieben unentdeckt. Oder ist es bloß teutonische Pedanterie, wenn man über eine "Igelstelle" stolpert? Gemeint ist natürlich eine Igelstellung. Ist denn die deutsche Sprache an der Themse noch immer eine quantité négligeable? HENNING SCHLÜTER

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