Hansjörg Küsters neues Buch handelt von einem der bedeutendsten Natur- und Kulturräume Europas - der Ostsee. Es zeichnet aber nicht nur die erdgeschichtliche Entwicklung eines der ungewöhnlichsten Meere unseres Planeten nach, sondern macht darüber hinaus die vielgestaltigen Abhängigkeiten, Einflüsse und Verflechtungen zwischen der Ostsee und ihren Anwohnern deutlich. Die ganz unterschiedlichen Besiedlungsformen ihrer Küsten und ihres Hinterlands durch den Menschen zeigen, warum die Zivilisationsgeschichte der Ostsee an Vielfältigkeit und Dynamik ihresgleichen sucht. Küster schildert die Gegensätze der Ackerbau- und Jägerkulturen, beschreibt die Welt der Wikinger, die Entstehung der ersten Häfen sowie Aufstieg und Fall der mächtigen Hanse.
Wir erfahren, warum es nie zu einem einheitlichen politischen und wirtschaftlichen Ostseeraum kam ebenso wie von der niederländischen Stadtbaukunst, die sich noch heute in den herrlichen Metropolen des Nordens, in Stockholm, Kopenhagen und St. Petersburg bewundern läßt. Küster erläutert die Entstehung der großen Güter im Baltikum, berichtet vom Erwachen der finnischen Identität, er schildert Bedeutung und Folgen des heutigen Ostseetourismus und nimmt Stellung zur gegenwärtigen ökologischen Situation der Ostsee. - Die beeindruckende Gesamtdarstellung eines einzigartigen Meeres.
Wir erfahren, warum es nie zu einem einheitlichen politischen und wirtschaftlichen Ostseeraum kam ebenso wie von der niederländischen Stadtbaukunst, die sich noch heute in den herrlichen Metropolen des Nordens, in Stockholm, Kopenhagen und St. Petersburg bewundern läßt. Küster erläutert die Entstehung der großen Güter im Baltikum, berichtet vom Erwachen der finnischen Identität, er schildert Bedeutung und Folgen des heutigen Ostseetourismus und nimmt Stellung zur gegenwärtigen ökologischen Situation der Ostsee. - Die beeindruckende Gesamtdarstellung eines einzigartigen Meeres.
"Dem Autor gelingt es, nicht nur Kulturgeschichte, Geologie und Ökologie zu verknüpfen, sondern dabei auch stets lesbar und anschaulich zu erklären. Das ansprechend gestaltete, sorgfältig edierte Buch glänzt zudem mit hundert farbigen Abbildungen. Die beigefügten sieben Karten eignen sich - auch für Ostseeurlauber, die etwas mehr über ihre Umgebung erfahren wollen, als ihr herkömmlicher Reiseführer hergibt."
Der Tagesspiegel
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002Sachliche Brackwasserromanze
Auch eine Machtfrage: Hansjörg Küster zeigt, daß im Ostseeraum alles mit allem zusammenhängt / Von Klaus Ungerer
Und jetzt eine Geschichte, wie sie wahrer kaum sein kann, erst neulich so gut wie passiert: Rempeln sich auf der Straße zwei interessierte Laien an (oder war es ein Krautgärtlein?), in der Folge "er" und "sie" genannt. Sagt er zu ihr: "Ihre Augen sind so bernsteinfarben!" Sagt sie zu ihm: "Was bist du denn für einer? Erzähl mir von dir!" Zieht er ein Buch aus der Tasche, sagt: "Hier, ,Die Ostsee', da komm' ich von wech! Das Buch, ich zitiere, zeichnet nicht nur die erdgeschichtliche Entwicklung des ,Mittelmeers des Nordens' nach, sondern macht darüber hinaus auch die vielgestaltigen Abhängigkeiten, Einflüsse und Verflechtungen zwischen der Ostsee und ihren Anwohnern deutlich. Der Autor erläutert die Entstehung der großen Güter im Baltikum, berichtet vom Erwachen der finnischen Identität, er schildert Bedeutung und Folgen des heutigen Ostseetourismus und nimmt Stellung zur gegenwärtigen ökologischen Situation der Ostsee. Is' das nix?" Denkt sie (auf schwäbisch): "Wie putzig!" Er grinst. Dann wird es Abend. Gemütlich. Liest er ihr also vor.
Und kommt ins Schwitzen: Bis nach Finnland Leute kommen, um dort eine Identität zu entwickeln, muß das Land überhaupt erst mal eisfrei werden. Das dauert. Gletscher schrappen hin und schrummeln her, sie verschieben im großen Umfang Geröll und drücken das Land ins Magma der Erde hinein, auch lassen sie gern mal ein Flußtal unter sich. So vergeht die Zeit, es knistern die Seiten und klimpern die Lider, die interessierten Laien kämpfen sich durch Kambrium ("die älteste Epoche der Erdgeschichte, in der es eine große Mannigfaltigkeit von Lebewesen gab, alles Leben spielte sich zur damaligen Zeit im Wasser ab"), Ordovizium und Silur (das man früher Gotlandium nannte), kämpfen sich heran an die Tornquistsche Linie, eine Bruchkante, die quer durch die Ostsee verläuft. "Zeig mal die Zeichnung!" Die interessierte Laiin ist wieder wacher geworden. Der interessierte Laie grinst ein bißchen verdächtig, blättert fürbaß und zurück, zeigt ihr Fotos von Inseln und Hafeneinfahrten, alle sehr klein und bescheiden, wie es sich für die nüchterne Wissenschaft geziemt, jedoch die Laiin läßt sich nicht foppen: Sie verlangt die Tornquistsche Linie. Als Grafik. So was gibt's aber nicht.
Also anderswo weiter, das Angebot ist ja reichhaltig, nun hupft der Vorleser rasch voran, hinweg über Meerwerdung, Baumbestände und den ewigen Kampf der Dendro- gegen die Warvenchronologie, hinweg über Salzgehalte, Grönlandrobben, Bären und Elche, hinweg auch über die vielen Dramen des naturhistorischen Alltags ("Hasel und Wassernuß werden seltener", "Buchen und Fichten werden häufiger", "Das Vieh weidet im Wald"), bis mittig sich der Mensch ernsthaft zu regen und auch für die Nachwelt zu interessieren beginnt. Er hinterläßt ihr Male, deren Bedeutung sie mit luzider Einsicht und gewagtem Plusquamperfekt in den Griff zu bekommen sich anschickt: "Einzelne Menschen an der westlichen Ostsee hatten genauso wie im östlichen Mittelmeer die Macht, andere Menschen zu befehligen. Sie erteilten die Aufträge, riesige Grabhügel für die Toten aufzurichten. Die Hügel werden heute Königs- oder Fürstengräber genannt. Ganz gleich, ob darin tatsächlich Fürsten oder Könige bestattet worden waren: Mächtig mußten die begrabenen Persönlichkeiten gewesen sein, und ihre Hinterbliebenen mußten ebenfalls große Macht besessen haben, um anderen Menschen befehlen zu können, lange und schwer zu arbeiten, bis ein solider Hügel aufgeschüttet war."
"Macht!" sagt die Laiin, "Hügel aufschütten! Die Männer sind doch überall gleich! Und ich dachte, ihr von der Ostsee wärt anders." Sie schnaubt ein bißchen und schüttelt das Haar durcheinander, und da ein Gran Ernstes mitzuschwingen scheint in ihren Worten, wird der vorlesende Laie ganz blättrig. Nönöö, schickt er vorweg, sie sehe das ganz falsch, ganz im Gegenteil hege man gerade an der Ostsee ein vertieftes Verständnis für die Natur, in die wir doch eingebettet seien, und den großen Zusammenhang, der, ganz grob mal gesagt, alles mit allem verbinde. Auch sei Humor vorhanden, von vorzüglicher Trockenheit, die das Ostseeklima neutralisiere. "Das Buch", sagt er, "legt Zeugnis ab davon."
Und er entwirft ihr ein Netzwerk von Kausalitäten, eine Topographie der Rohstoffvorkommen und Verkehrswege, welche im Grunde alle auf die Gletscherzeit zurückgehen und aus der ein Ding wie die Hanse mit großer Selbstverständlichkeit/Notwendigkeit entsteht, ganz wie im Aufbauspiel am Computer: Eifrig wuseln die kleinen Menschlein kreuz und quer übers Meer, schaffen alles getreulich hierher dorthin, als hätte ein Transporttrieb sie befallen, ein Drang zur Warendiffusion. Die wackeren Lübecker zum Beispiel holen aus Riga das Nadelbaumholz für ihre Masten, die sie auf bauchige Schiffe stecken, welche sie aus den krummen Eichen gebastelt haben, mit denen ihre Heimat so reich gesegnet ist. Mit den bauchigen Schiffen segeln sie dann ihr Salz nach Schonen und nach Bornholm, wo es benötigt wird, um den Hering einzulegen, der seinerseits auf die Koggen angewiesen ist, um sich postum südwärts zu bewegen, lübeckwärts. "Den weiten Transport dahin überstanden die Fische nur in konserviertem Zustand, also derart stark gesalzen, daß ihre Zersetzung durch Kleinstlebewesen ausgeschlossen war." Die nämlich lauerten überall, schon damals.
Intellekt, Interesse, Weitsicht und Unterhaltsamkeit sind unter Beweis gestellt, dem Laien geht's gut. Es scheint ihm, daß die Laiin nähergerückt sei auf dem Kiefernholzsofa, scheint, als hätte eine warme Entspanntheit sich ihrer bemächtigt, als sie ihn ansieht und lächelt. Da packt den Laien ein Überschwang, ein Wille zum Triumph, und zitationsfreudig wie je wirft er sich in die Brust, zückt das Grande Finale des Buches: "Die universale Sicht auf die Individuen der Meere, der Länder, der Seen, der Flüsse, Wälder, Dörfer, Städte", führt er an, "ist ein wichtiger Teil der Kultur, nicht das Ermitteln der Gleichheit von Typen der Ökosysteme und der Wohnorte der Menschen. Wir brauchen dieses Wissen als notwendigen Hintergrund für unser Dasein und unser Tun. Freiheit und Brüderlichkeit müssen nicht gemeinsam mit Gleichheit durchgesetzt werden."
Und der Laie atmet schwer, und der Text reißt ihn mit sich fort: "Die Ostsee als einmalig zu erkennen fällt nicht schwer: Nirgendwo sonst tauchten in den letzten Jahrzehnten derartig viele Inseln aus dem Meer empor, nirgendwo sonst werden in ähnlicher Weise Küsten zerstört und neu aufgebaut, nirgendwo sonst auf der Welt gibt es soviel Brackwasser." Sagt's, wischt sich ein wenig davon von der Stirn, und schließt mit dem Buch: "Man ist gespannt auf die Zukunft der Ostsee. Denn trotz der geologischen Dynamik hoffen die Menschen wie schon vor Jahrtausenden, daß das Meer ihre Lebensgrundlagen letztlich erhält und fördert." Schlägt's zu. Schlägt's zwölf. Ist sie weggedämmert, selig wie ein Hund, eingekringelt auf dem Sofa. Guckt er erst 'n büschen bedröppelt. Fängt dann an, im Register zu blättern. Und findet was auf Seite 24f. : "Man kann die Pollenkörner zahlreicher Pflanzenarten erkennen, wenn man Bernstein unter das Mikroskop legt." Die Stelle merkt er sich.
Hansjörg Küster: "Die Ostsee". Eine Natur- und Kulturgeschichte. Verlag C. H. Beck, München 2002. 357 S., 100 Farb-Abb., 7 Karten, geb., 34,90 [Euro].
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Auch eine Machtfrage: Hansjörg Küster zeigt, daß im Ostseeraum alles mit allem zusammenhängt / Von Klaus Ungerer
Und jetzt eine Geschichte, wie sie wahrer kaum sein kann, erst neulich so gut wie passiert: Rempeln sich auf der Straße zwei interessierte Laien an (oder war es ein Krautgärtlein?), in der Folge "er" und "sie" genannt. Sagt er zu ihr: "Ihre Augen sind so bernsteinfarben!" Sagt sie zu ihm: "Was bist du denn für einer? Erzähl mir von dir!" Zieht er ein Buch aus der Tasche, sagt: "Hier, ,Die Ostsee', da komm' ich von wech! Das Buch, ich zitiere, zeichnet nicht nur die erdgeschichtliche Entwicklung des ,Mittelmeers des Nordens' nach, sondern macht darüber hinaus auch die vielgestaltigen Abhängigkeiten, Einflüsse und Verflechtungen zwischen der Ostsee und ihren Anwohnern deutlich. Der Autor erläutert die Entstehung der großen Güter im Baltikum, berichtet vom Erwachen der finnischen Identität, er schildert Bedeutung und Folgen des heutigen Ostseetourismus und nimmt Stellung zur gegenwärtigen ökologischen Situation der Ostsee. Is' das nix?" Denkt sie (auf schwäbisch): "Wie putzig!" Er grinst. Dann wird es Abend. Gemütlich. Liest er ihr also vor.
Und kommt ins Schwitzen: Bis nach Finnland Leute kommen, um dort eine Identität zu entwickeln, muß das Land überhaupt erst mal eisfrei werden. Das dauert. Gletscher schrappen hin und schrummeln her, sie verschieben im großen Umfang Geröll und drücken das Land ins Magma der Erde hinein, auch lassen sie gern mal ein Flußtal unter sich. So vergeht die Zeit, es knistern die Seiten und klimpern die Lider, die interessierten Laien kämpfen sich durch Kambrium ("die älteste Epoche der Erdgeschichte, in der es eine große Mannigfaltigkeit von Lebewesen gab, alles Leben spielte sich zur damaligen Zeit im Wasser ab"), Ordovizium und Silur (das man früher Gotlandium nannte), kämpfen sich heran an die Tornquistsche Linie, eine Bruchkante, die quer durch die Ostsee verläuft. "Zeig mal die Zeichnung!" Die interessierte Laiin ist wieder wacher geworden. Der interessierte Laie grinst ein bißchen verdächtig, blättert fürbaß und zurück, zeigt ihr Fotos von Inseln und Hafeneinfahrten, alle sehr klein und bescheiden, wie es sich für die nüchterne Wissenschaft geziemt, jedoch die Laiin läßt sich nicht foppen: Sie verlangt die Tornquistsche Linie. Als Grafik. So was gibt's aber nicht.
Also anderswo weiter, das Angebot ist ja reichhaltig, nun hupft der Vorleser rasch voran, hinweg über Meerwerdung, Baumbestände und den ewigen Kampf der Dendro- gegen die Warvenchronologie, hinweg über Salzgehalte, Grönlandrobben, Bären und Elche, hinweg auch über die vielen Dramen des naturhistorischen Alltags ("Hasel und Wassernuß werden seltener", "Buchen und Fichten werden häufiger", "Das Vieh weidet im Wald"), bis mittig sich der Mensch ernsthaft zu regen und auch für die Nachwelt zu interessieren beginnt. Er hinterläßt ihr Male, deren Bedeutung sie mit luzider Einsicht und gewagtem Plusquamperfekt in den Griff zu bekommen sich anschickt: "Einzelne Menschen an der westlichen Ostsee hatten genauso wie im östlichen Mittelmeer die Macht, andere Menschen zu befehligen. Sie erteilten die Aufträge, riesige Grabhügel für die Toten aufzurichten. Die Hügel werden heute Königs- oder Fürstengräber genannt. Ganz gleich, ob darin tatsächlich Fürsten oder Könige bestattet worden waren: Mächtig mußten die begrabenen Persönlichkeiten gewesen sein, und ihre Hinterbliebenen mußten ebenfalls große Macht besessen haben, um anderen Menschen befehlen zu können, lange und schwer zu arbeiten, bis ein solider Hügel aufgeschüttet war."
"Macht!" sagt die Laiin, "Hügel aufschütten! Die Männer sind doch überall gleich! Und ich dachte, ihr von der Ostsee wärt anders." Sie schnaubt ein bißchen und schüttelt das Haar durcheinander, und da ein Gran Ernstes mitzuschwingen scheint in ihren Worten, wird der vorlesende Laie ganz blättrig. Nönöö, schickt er vorweg, sie sehe das ganz falsch, ganz im Gegenteil hege man gerade an der Ostsee ein vertieftes Verständnis für die Natur, in die wir doch eingebettet seien, und den großen Zusammenhang, der, ganz grob mal gesagt, alles mit allem verbinde. Auch sei Humor vorhanden, von vorzüglicher Trockenheit, die das Ostseeklima neutralisiere. "Das Buch", sagt er, "legt Zeugnis ab davon."
Und er entwirft ihr ein Netzwerk von Kausalitäten, eine Topographie der Rohstoffvorkommen und Verkehrswege, welche im Grunde alle auf die Gletscherzeit zurückgehen und aus der ein Ding wie die Hanse mit großer Selbstverständlichkeit/Notwendigkeit entsteht, ganz wie im Aufbauspiel am Computer: Eifrig wuseln die kleinen Menschlein kreuz und quer übers Meer, schaffen alles getreulich hierher dorthin, als hätte ein Transporttrieb sie befallen, ein Drang zur Warendiffusion. Die wackeren Lübecker zum Beispiel holen aus Riga das Nadelbaumholz für ihre Masten, die sie auf bauchige Schiffe stecken, welche sie aus den krummen Eichen gebastelt haben, mit denen ihre Heimat so reich gesegnet ist. Mit den bauchigen Schiffen segeln sie dann ihr Salz nach Schonen und nach Bornholm, wo es benötigt wird, um den Hering einzulegen, der seinerseits auf die Koggen angewiesen ist, um sich postum südwärts zu bewegen, lübeckwärts. "Den weiten Transport dahin überstanden die Fische nur in konserviertem Zustand, also derart stark gesalzen, daß ihre Zersetzung durch Kleinstlebewesen ausgeschlossen war." Die nämlich lauerten überall, schon damals.
Intellekt, Interesse, Weitsicht und Unterhaltsamkeit sind unter Beweis gestellt, dem Laien geht's gut. Es scheint ihm, daß die Laiin nähergerückt sei auf dem Kiefernholzsofa, scheint, als hätte eine warme Entspanntheit sich ihrer bemächtigt, als sie ihn ansieht und lächelt. Da packt den Laien ein Überschwang, ein Wille zum Triumph, und zitationsfreudig wie je wirft er sich in die Brust, zückt das Grande Finale des Buches: "Die universale Sicht auf die Individuen der Meere, der Länder, der Seen, der Flüsse, Wälder, Dörfer, Städte", führt er an, "ist ein wichtiger Teil der Kultur, nicht das Ermitteln der Gleichheit von Typen der Ökosysteme und der Wohnorte der Menschen. Wir brauchen dieses Wissen als notwendigen Hintergrund für unser Dasein und unser Tun. Freiheit und Brüderlichkeit müssen nicht gemeinsam mit Gleichheit durchgesetzt werden."
Und der Laie atmet schwer, und der Text reißt ihn mit sich fort: "Die Ostsee als einmalig zu erkennen fällt nicht schwer: Nirgendwo sonst tauchten in den letzten Jahrzehnten derartig viele Inseln aus dem Meer empor, nirgendwo sonst werden in ähnlicher Weise Küsten zerstört und neu aufgebaut, nirgendwo sonst auf der Welt gibt es soviel Brackwasser." Sagt's, wischt sich ein wenig davon von der Stirn, und schließt mit dem Buch: "Man ist gespannt auf die Zukunft der Ostsee. Denn trotz der geologischen Dynamik hoffen die Menschen wie schon vor Jahrtausenden, daß das Meer ihre Lebensgrundlagen letztlich erhält und fördert." Schlägt's zu. Schlägt's zwölf. Ist sie weggedämmert, selig wie ein Hund, eingekringelt auf dem Sofa. Guckt er erst 'n büschen bedröppelt. Fängt dann an, im Register zu blättern. Und findet was auf Seite 24f. : "Man kann die Pollenkörner zahlreicher Pflanzenarten erkennen, wenn man Bernstein unter das Mikroskop legt." Die Stelle merkt er sich.
Hansjörg Küster: "Die Ostsee". Eine Natur- und Kulturgeschichte. Verlag C. H. Beck, München 2002. 357 S., 100 Farb-Abb., 7 Karten, geb., 34,90 [Euro].
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