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"Pariser Abende" ist der Titel eines Tagebuchs, das Roland Barthes vom 24. August bis zum 17. September 1979 führte. Knapp zwei Jahre nach dem Tod seiner geliebten Mutter erzählt er darin von seinen einsamen Gängen durch jene Pariser Zonen, zu denen er eine besondere, intime Nähe empfindet. All diese Wege folgen einem bestimmten Ritual: dem einsamen Aufbruch, der Suche nach Kontakten, einer wenn auch nur flüchtigen Gemeinschaft, einem möglichst gelungenen Essen im Kreis von Freunden und der sexuellen Annäherung an einen Partner. HannsJosef Ortheil bewegt sich in seinem autobiografischen Text…mehr

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Produktbeschreibung
"Pariser Abende" ist der Titel eines Tagebuchs, das Roland Barthes vom 24. August bis zum 17. September 1979 führte. Knapp zwei Jahre nach dem Tod seiner geliebten Mutter erzählt er darin von seinen einsamen Gängen durch jene Pariser Zonen, zu denen er eine besondere, intime Nähe empfindet. All diese Wege folgen einem bestimmten Ritual: dem einsamen Aufbruch, der Suche nach Kontakten, einer wenn auch nur flüchtigen Gemeinschaft, einem möglichst gelungenen Essen im Kreis von Freunden und der sexuellen Annäherung an einen Partner. HannsJosef Ortheil bewegt sich in seinem autobiografischen Text und seinen Fotografien aus dem Jahr 2015 zum einen in genau denselben Pariser Zonen und Stadtlandschaften. Daneben erzählt er in seinem passionierten Tagebuchtext aber auch von seiner eigenen Faszination durch den Abend, die Nacht. So folgt er Barthes' Wegen, schlägt Seitenwege ein, entwirft Rückwege, verrennt sich in neue Wege und sucht zu verstehen, welche kulturellen Zusammenhänge und Tiefenschichten sich hinter Barthes' Ritualen der Nacht verbergen.
Autorenporträt
Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Seit vielen Jahren gehört er zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Gegenwart. Sein Werk ist mit vielen Preisen ausgezeichnet worden, so mit dem "Brandenburger Literaturpreis", dem "Thomas-Mann-Preis", dem "Georg-K.-Glaser Preis", dem "Koblenzer Literaturpreis", dem "Nicolas Born-Preis", dem "Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis" und 2016 mit dem "Hannelore-Greve-Literaturpreis". Die Romane von Hanns-Josef Ortheil wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Lotta Ortheil wurde in Stuttgart geboren und studiert nach einer fotografischen Ausbildung Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

Lotta Ortheil wurde in Stuttgart geboren und studiert nach einer fotografischen Ausbildung Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2015

Abende in Paris
Hanns-Josef Ortheils
Hommage an Roland Barthes
In ein nicht enden wollendes Bäumchen-wechsel-dich-Spiel sind in den Schriften von Roland Barthes die Figuren des Autors und des Lesers vertieft. Dass er nicht nur Bücher las, sondern auch Automobile, Cafés, Kleider und Gesten, wurde zu einer Quelle seiner Autorschaft. Als er am Ende seines Lebens den Romanautor in sich selbst suchte, entstanden vom 24. August bis zum 17. September 1979 die tagebuchartigen Aufzeichnungen, die unter dem Titel „Pariser Abende“ aus dem Nachlass herausgegeben wurden. Es sind sehr traurige Texte, in denen das Ich unschlüssig mit einem der vorbeiziehenden Gigolos anbändelt, unruhig und oft unzufrieden Verabredungen mit Freunden absolviert und als verlässlichen Rückzugsort nur die eigene Wohnung und die Lektüren hat, die ihn begleiten: Chateaubriand, Pascal. Die aktuellen Bücher sind Pflichtlektüre geworden.
  Der deutsche Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, 1951 geboren, hat 1973 an der Sorbonne studiert, als von Barthes gerade „Die Lust am Text“ erschien. Er hat jetzt die „Pariser Abende“ neu herausgegeben und ist die darin beschriebenen Wege nachgegangen. Davon, von den Cafés, Bistros, Plätzen berichtet er. Vor allem aber von seiner Barthes-Lektüre. Dadurch ist diese Hommage gerechtfertigt: Eine Hauptfigur der Schriften von Barthes, der Leser, hat sie verfasst. Und dieser Leser blickt sehr genau auf den Text der „Abende von Paris“, sucht darin die Nachbilder der Räume, in denen der Text entstand, den Schatten der toten Mutter, zeichnet den Stadtraum, in dem sich das schreibende Ich bewegt, in sein Leben und in den Echoraum der französischen Literatur ein. Man lese dieses Buch vom Ende her, wo der Text der „Pariser Abende“ abgedruckt ist.
LMUE
  
Hanns-Josef Ortheil: Die Pariser Abende des Roland Barthes. Mit Roland Barthes: Pariser Abende. Aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2015. 150 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2015

Was denkt der Liebende von der Liebe?

Heute vor hundert Jahren wurde Roland Barthes geboren. Er war Philosoph, professioneller Stadtbewohner, ein großer Briefschreiber und passionierter Leser. Neue Bücher zeigen einen der vielseitigsten und aufmerksamsten Intellektuellen unserer Zeit.

Der Strukturalismus fand im deutschen Sprachraum nicht viele Freunde und unter den wenigen kaum aktive. An Roland Barthes, einem seiner gedankenreichsten Exponenten, zeigt sich das. Sein Werk hat Bewunderer - wie den Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, der sich in einem verspielten Buch touristisch und genießerisch auf die Spurensuche in der Heimat von Barthes begeben hat -, aber kaum Nachfolger. Wirkung entfaltete der 1980 verstorbene Literaturwissenschaftler und Linguist über seinen Stil und seine Gegenstände. Dass er über das Beefsteak und den Striptease, die Fotografie, die Mode und die japanische Kultur als Zeichensysteme Essays von geheimnisvoller Klarheit schrieb, wurde vor allem als hocherfreuliche Gebietserweiterung der Geisteswissenschaften wahrgenommen.

Wer ihren älteren Aufgaben, zum Textverständnis beizutragen oder empirisches Wissen über Literatur zu gewinnen, sich entfremdet hatte, aber nicht zur Soziologie oder Ethnologie wechseln wollte, fand in Barthes einen Klassiker. Seitdem Barthes Ende der fünfziger Jahre damit begonnen hatte, Begriffe der Sprachwissenschaft unter dem Titel "Semiologie" zur Analyse kultureller Objekte einzusetzen, ist eine ganze Deutungsindustrie des Alltäglichen entstanden.

Was dabei oft auf der Strecke blieb, waren die ungemein skrupulösen Methoden und Begriffsbildungen von Barthes. Tausendfach wurden seine Zeitungsessays über das Catchen oder den 2CV zitiert und nachgeahmt. Doch fast niemand diskutierte den zweiten Teil der "Mythen des Alltags", der die theoretischen Prämissen solcher Deutungen vorstellte. Was an Barthes überzeugte, war die intellektuelle Geste, nicht die strukturalistische Arbeit.

Sein Essay über den Eiffelturm zeigt beide Seiten. Er ist blicköffnend und zugleich eine Übertreibung. Barthes' Deutung des Eiffelturms beginnt damit, dass man dieses Denkmal der Weltausstellung von 1889 in Paris nicht nicht sehen kann - ein Aussichtsturm, der niemandem auf der Welt unbekannt ist und der von fast jeder Stelle in Paris gesehen wird.

Um die begrifflichen Manöver zu verstehen, die Barthes liebte, muss man der Verwandlung dieses Befundes folgen. Der allgegenwärtige Eiffelturm wird zum "Objekt, das sieht", zum "Blick, der gesehen wird". Es folgt die Behauptung, das sei einzigartig, weil andere Objekte, die Dinge sehen, sich gerade nicht dem Blick darböten. Inwiefern das für Augen gilt, wie Barthes behauptet, könnte trotz der Behauptung, sie seien "mythisch betrachtet" mit dem Verborgenen und dem Voyeurismus verbunden, diskutiert werden. Nüchterner ist jedenfalls die Feststellung, dass der Eiffelturm zum Symbol von Paris werden konnte, weil er ein reines "fast leeres" Zeichen ist, das keine Bedeutung hat und darum unablässig mit Bedeutung angefüllt wird. "In ihm gibt es nichts zu sehen", er ist auch nicht schön, sondern das "Schauspiel einer Funktion", ohne eine zu haben; gegen den Vorwurf, er sei nutzlos, hatte sich schon sein Konstrukteur mühsam mit dem Hinweis verteidigt, man könne dort alle Arten wissenschaftlicher Messungen veranstalten. Anderen repräsentiert er die Moderne als solche.

Für Barthes macht der Eiffelturm die Stadt zu einer Landschaft. Man könnte auch sagen: man sieht von ihm aus die Gleichzeitigkeit. Jeder, so Barthes, der von ihm herabblickt, betreibt Strukturalismus, indem er die Stadt als Geflecht funktioneller Punkte wahrnimmt und als Gebilde, das entziffert werden muss. Wo ist der Arc de Triomphe? Wo das Marais? Welche Straße führt wohin? Im Blick vom dezentralen Eiffelturm herab kämpfen Wissen und Wahrnehmung miteinander, ganz wie in der strukturalistischen Tätigkeit der Mustererkennung und -deutung.

So weit, so aufschließend - eine hinreißende Skizze, in der vielleicht nur der Tourismus fehlt. Dann aber häuft Barthes selbst Deutung auf Deutung, ist ihm der Eiffelturm Symbol des Aufstiegs, der "Höhe an sich", der Leichtigkeit, Pflanze, Insekt, menschliche Silhouette ohne Kopf, Frau, die über Paris wacht. Hier wird der Strukturalismus von einer Forschungsmethode zur Lizenz für Projektionen, von denen unklar bleibt, wie sich ihre Triftigkeit überprüfen ließe.

Ganz anders verhält es sich mit "Fragmente einer Sprache der Liebe", das zum hundertsten Geburtstag jetzt in einer um die von Barthes verworfenen Anteile erweiterten Ausgabe vorliegt. Zu Recht war das Buch in Frankreich einer von Barthes' größten Erfolgen. Denn hier wendet sich der Autor Fragen zu, die es geradezu sachgemäß erscheinen lassen, dass die Grenze zwischen Philosophie, Literatur und Wissenschaft missachtet wird. Wie beschreiben glücklich und unglücklich Liebende sich selbst und einander? Wodurch wissen sie, was für ein Gefühl das ist? Welche Szenen - der Hingabe, Eifersucht, des Rückzugs oder der Erpressung - führen sie einander auf? Was meint, wer "Ich liebe dich" sagt. Ist das eine Aussage? "Warum ist dauern besser als brennen?" Was ist schlimmer als Eifersucht? (Barthes: der Rückzug der geliebten Person, ihr "Fading").

Erotische Liebe heißt für Barthes geradezu: ständig von der Unklarheit bewegt sein, was es ist, und sich darum ständig im Selbstgespräch zu befinden. Untersucht wird der entsprechende "Schwarm von Figuren, die sich in unvorhersehbarer Reihenfolge, nach Art der Zickzackflüge einer Fliege im Zimmer jagen". Den Impuls geben neben Alltagsszenen (der Geliebte ist unpünktlich) und Paradoxien - "der Andere ist mir schuldig, was ich brauche", "es ist mein Verlangen, das ich verlange, und das geliebte Wesen ist nicht mehr als sein Helfershelfer" - vor allem Literatur und Musik, darunter auffällig viel deutscher Herkunft. Goethes "Leiden des jungen Werthers" liefert unzählige Motive, aber auch Beethoven, Schubert und Heine werden aufgerufen.

Unter den von Barthes gestrichenen Einträgen in dieses Alphabet der Passion finden sich viele aufschlussreiche, etwa über die Neigung der Liebenden, Verletzungen, die sie erlitten haben, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, oder der lakonische Befund: "Was denkt der Liebende von der Liebe? Kurz gesagt, nichts. Er möchte zwar wissen, was das ist, doch weil er darin befangen ist, nimmt er nur ihre Existenz, nicht ihre Essenz wahr." Hier also ist keine Übertreibung und auch keine Unüberprüfbarkeit fehl am Platz, weil der Gegenstand selbst einer voller Übertreibungen ist, der weder von innen noch von außen zureichend beschrieben werden kann. Die Liebe ist keine strukturalistische Tätigkeit, was weder gegen sie noch gegen den Strukturalismus spricht.

JÜRGEN KAUBE

Roland Barthes: "Fragmente einer Sprache der Liebe". Erweiterte Neuausgabe.

Aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen und Horst Brühmann. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 399 S., geb., 24,95 [Euro].

Roland Barthes:

"Der Eiffelturm".

Aus dem Französischen von Helmut Scheffel. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 80 S., Abb., br., 9,- [Euro].

Hanns-Josef Ortheil: "Die Pariser Abende des Roland Barthes"/Roland Barthes: "Pariser Abende".

Aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2015. 159 S., Abb., geb., 18,- [Euro].

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