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Alles, was Rang und Namen hat, findet sich im Art déco-Ambiente von Esther und Frederick Jack ein: sie eine gefeierte Broadway-Künstlerin, er ein aus Koblenz stammender Jude und Selfmade-Millionär. Die Roaring Twenties sind auf ihrem Höhepunkt angelangt, schon wirft die Große Depression ihre Schatten voraus. Doch vom drohenden Ende der Sause will man bei den Jacks noch lange nichts wissen ... Mit seiner Innenansicht einer New Yorker Luxusadresse - von der Dachterrasse bis hinab in den Untergrund, von wo die Subway feine Vibrationen durchs Gebäude schickt - zeichnet Wolfe das Panoptikum einer faszinierenden Stadt und einer faszinierenden Epoche.…mehr

Produktbeschreibung
Alles, was Rang und Namen hat, findet sich im Art déco-Ambiente von Esther und Frederick Jack ein: sie eine gefeierte Broadway-Künstlerin, er ein aus Koblenz stammender Jude und Selfmade-Millionär. Die Roaring Twenties sind auf ihrem Höhepunkt angelangt, schon wirft die Große Depression ihre Schatten voraus. Doch vom drohenden Ende der Sause will man bei den Jacks noch lange nichts wissen ... Mit seiner Innenansicht einer New Yorker Luxusadresse - von der Dachterrasse bis hinab in den Untergrund, von wo die Subway feine Vibrationen durchs Gebäude schickt - zeichnet Wolfe das Panoptikum einer faszinierenden Stadt und einer faszinierenden Epoche.

Autorenporträt
Wolfe, Thomas§Thomas Wolfe (1900-1938) wurde als letztes von acht Kindern in Asheville, North Carolina, geboren. Aus bescheidenen Verhältnissen stammend, schaffte es der hochbegabte Junge bis nach Harvard und wurde Dozent für amerikanische Literatur an der New York University. Kaum hatte sein Schaffen weltweit Anerkennung gefunden, als er im Alter von nur siebenunddreißig Jahren starb.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2011

Noch einmal prassen vor dem Crash

Ein Fund aus dem Nachlass von Thomas Wolfe: Eine Gruppe von New Yorkern feiert am Vorabend des Zusammenbruchs der Börse ein Fest, wie es die Stadt noch nicht gesehen hat.

Von Verena Lueken

Es ist eine bemerkenswerte Gesellschaft: Bankiers und Theaterleute, Kritiker, kühle Debütantinnen und alte Schabracken, Zyniker, Gute-Mine-Macher, Schlechte-Mine-Macher, Übersättigte, Gierige, Ehebrecher, vorübergehende Geliebte, Unterhaltungskünstler und eine Gastgeberin, die von sich selbst begeistert ist. Bald wird sie taub sein. Zur Party bei den Jacks kommen sie zusammen. Alles ist tadellos vorbereitet von den diebischen Dienstboten und einer Haushälterin, die trinkt. Die Räume von riesigen Dimensionen sind zurückhaltend und mit genau dem richtigen Maß an Lässigkeit dekoriert, im Kamin knistern die Holzscheite, und Mrs. Esther Jack, die auch Bühnenbilderin ist, hat es geschafft, dem Ganzen eine Art Einfachheit zu geben, die sich mit Geld nicht kaufen lässt.

Der Rest dann schon. Das Büfett strahlt voll Köstlichkeiten, die Silberplatten glänzen, die Braten sind perfekt gebräunt, der Kaviar schimmert, und über allem liegt der Duft der Gewürznelken, die den Schinken spicken. Es ist ein Festmahl ungeahnter Pracht und gleichzeitig lässiger Eleganz, wie es nicht viele hinbekommen. Die Attraktion des Abends soll ein Drahtpuppenspieler sein, der Hit der Saison, der in einem der Gästezimmer seine Koffer abgestellt und sich ein Kostüm angezogen hat, das ihn zum Zirkusdirektor macht.

Die Zeit: Frühjahr 1928. Der Ort: New York und dort eine Wohnung in einem imposanten Apartmenthaus an der Park Avenue. Wenn die Subway unter ihm her rattert, bebt noch im siebten Stock der Boden. Und der Hausherr, den wir in den ersten Kapiteln als Sohn eines jüdischen Privatbankiers in einer mittelalterlichen Stadt am Rhein kennengelernt haben, verliert für Augenblicke das Vertrauen in die "schillernde Blase der Spekulation", der er seinen Reichtum, seine fünfzig Angestellten und sein schiffsartiges Automobil verdankt.

Was wollen diese Leute, die sich an jenem Abend bei den Jacks treffen? Was verbindet sie, wenn sie etwas verbindet jenseits gesellschaftlicher Konvention? Mögen sie einander, interessieren sie sich füreinander, machen sie Geschäfte miteinander, freuen sie sich über ein Wiedersehen, schmeckt das Essen wenigstens? Es ist erstaunlich, wie lange Thomas Wolfe unsere Aufmerksamkeit mit der Beschreibung von Einrichtungs- und Dekorationsdetails, von körperlichen Merkmalen und kommunikativen Eigenheiten der Gäste unterhalten kann, ohne auf eine einzige dieser Fragen eine Antwort zu geben. Er hat eine Satire, eine Gesellschaftssatire geschrieben, in der - so sieht man es kommen - der Stil, der das ganze System stützt, mit diesem zusammenkrachen wird. Vorboten des Ruins erkennen allein die kleinen Leute, die Stenotypistin in der Bank, die Aufzugführer an der Park Avenue, die Feuerwehrleute, die dort in der Küche mit den Zimmermädchen schäkern. Am Ende steht das Haus in Flammen, die Gäste haben sich auf die Straße gerettet, und auch wenn sie schließlich in die Wohnung der Jacks zurückkehren können, um bei einem letzten Drink dieses ungeahnte Erlebnis des Brandes, mit dem die Party endete, noch einmal Revue passieren zu lassen, wissen wir doch: Es wird nie wieder sein wie an diesem Abend, bevor der Fahrstuhl Feuer fing.

Thomas Wolfe, geboren im Jahr 1900 und bereits 1938 gestorben, ist weltweit und in Deutschland allemal vor allem für seinen Debütroman "Schau heimwärts, Engel" berühmt, den er 1929 herausbrachte und der bis in die siebziger Jahre hinein in jedem Bücherschrank bildungsbürgerlicher Familien zu finden war, was vor allem den Jugendlichen im Haus zugute kam. Möglicherweise hatten die Eltern das Buch als Drama auf dem Theater gesehen und erinnerten sich. Aber nur die Jugendlichen hatten vermutlich die Geduld, die Sehnsucht nach Selbstbehauptung und das Verlangen nach Pathos, die das Lesen des riesigen Werks voraussetzt. "Of Time and the River", Wolfes zweiter Roman, war in Amerika einige Jahre später sein einziger Bestseller, und damals schrieben die Kritiker, Wolfe sei mit F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway und William Faulkner einer der wichtigsten amerikanischen Autoren der ersten Jahrhunderthälfte. Oder könnte es zumindest werden. Dann starb Wolfe an Tuberkulose, und einige Jahrzehnte später starb auch sein Ruf. "Leaver-outers" wie Fitzgerald trafen den Geschmack von Publikum und Kritik besser als "putter-inners" wie Wolfe, der sich selbst, wie wir im Nachwort lesen, in einem Brief an Fitzgerald so nannte.

Was also hat es mit "Die Party bei den Jacks" auf sich, der deutschen Erstausgabe eines Werks, dessen Original man erst seit 1995 in den Veröffentlichungslisten von Wolfes Büchern findet? Suzanne Strutman und John L. Idel haben es 1995 aus dem Nachlass gefischt, und dass dem Titel keine Gattungsbezeichnung folgt, lässt ahnen, worum es sich handelt: ein unvollendet gebliebenes Buch, eine Sammlung von Kapiteln, die über Jahre hinweg entstanden und die ihrer Überarbeitung harrten. So stehen die ersten beiden Kapitel, die am Rhein spielen und von der Kindheit Friedrich Jacks und den antisemitischen Anfeindungen seiner Klassenkameraden handeln, auch stilistisch ziemlich unverbunden vor den folgenden, in denen die Party vorbereitet und schließlich gefeiert wird. Und Wolfes Stilmittel der Wiederholung - wie oft lesen wir "furios", "selbstgewiss", "fiebrig"! - funktioniert nicht so, wie es wohl gemeint war, als Namenszusatz sozusagen, sondern wirkt ein wenig ungelenk, unfertig eben, und es wäre gut, der Leser wüsste, warum, bevor es ihm auffällt.

Dass Wolfe am besten war, wenn er beobachtete und aufschrieb, was er sah, das zeigt sich auch hier. Wie "zersplitternde Schäfte aus Stahl und Stein" ragen die Wolkenkratzer Manhattans in die Höhe. Nur eine Stadt wie diese kann einen Mann wie Jack wachsen lassen, den wir als angstvolles Kind kennenlernen und dann als einen erleben, dessen Leben dreißig Jahre lang "an Tempo immer mehr zugelegt" hatte. Das hat enorme Wucht und auch Komik. Ein Mann wie Mr. Jack bringt noch Verständnis auf für seinen brutalen, gierigen Chauffeur, dessen "verderbtes, vergiftetes, finsteres Gesicht über dem Lenkrad lauerte" und der seinerseits nur von dieser "furiosen Stadt" geschaffen worden sein konnte, "mit seinem dunklen talgigen Körper, in dem sich wie in Millionen anderer Männer, die graue Hüte trugen und Gesichter von derselben leblosen und unsäglichen Tönung hatten, die Grundsubstanz der Stadt verdichtet zu haben schien, aus dem Stoff des Gehweggraus, aber auch aus dem Stoff der Gebäude, Türme, Tunnel, Brücken, Straßen".

Das Nachwort von Kurt Dasow klärt uns über die autobiographischen Hintergründe des Romans - eine Affäre mit der Gattin eines liberalen Wallstreet-Spekulanten und eine Party in deren Haus im Jahr 1930, was das Kapitel "Der Geliebte" zu einer Art Selbstporträt macht, aus dem der Autor aber wieder entwischt - wie auch über die Realnamen einiger Figuren auf - etwa des Puppenspielers Piggy Logan, der Alexander Calder war. Dasow, wiewohl voller Bewunderung für Wolfe und hoffnungsvoll, eine Neubewertung seines Gesamtwerks stehe bevor, weist aber auch darauf hin, dass Wolfe selbst, der "Die Party bei den Jacks" für seine "am dichtesten verwobene Arbeit" hielt, eine weitreichende Überarbeitung des Manuskripts für notwendig hielt. Und so bleiben wir nach der Lektüre dieses nicht zum letzten Schliff gebrachten Buchs zurück mit der Frage, ob Wolfe, hätte er nur länger gelebt, möglicherweise tatsächlich einer der ganz Großen der amerikanischen Literatur geworden wäre.

Thomas Wolfe: "Die Party bei den Jacks".

Aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Höbel. Nachwort von Kurt Darsow. Manesse Verlag, Zürich 2011. 350 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2011

Wenn der Kater um den Champagner schleicht
Vor einem Börsenkrach ist die Stimmung meist glänzend: Thomas Wolfes nachgelassener Roman „Die Party bei den Jacks“ über die New Yorker High Society im Jahr 1928
„Haben Sie mal was von einem Mann namens Proust gelesen?“ Miss Mandell hat eine Vorliebe für solche beiläufig und mit Understatement, „ganz schlicht und schläfrig“ vorgetragene Fragen. Das wirkt hintersinnig, gerade so, als öffne die Bemerkung eine Tür zu einer Bibliothek an tiefen Einsichten und Gedanken in Miss Mandells Gehirn. Wenn das Gegenüber sich animiert fühlt, sich in einen selbstgefälligen Diskurs über das Werk Prousts verstrickt und schließlich den Small Talk in ein literarisches Oberseminar zu verwandeln droht, wendet sich Miss Mandell mit einem dahingemurmelten „Hm-hm“ hochmütig ab. Schöner lässt sich Distinktionsbewusstsein kaum beschreiben.
Dass in Thomas Wolfes Roman „Die Party bei den Jacks“ der Name Proust irgendwann einmal fallen musste, verwundert nicht. Denn die Jacks sind ein bisschen wie die Verdurins, der Pariser Salon der Jahrhundertwende wird hier transponiert in eine luxuriöse Wohnung an der Park Avenue im Jahr 1928, die Beschreibungen der Gäste und ihrer Kommunikationsriten sind so detailliert und scharfsinnig wie die von Proust. Allerdings, und das sei gleich zur Dämpfung allzu großer Erwartungen angefügt, ist die Prosa von Thomas Wolfe nicht selten manieriert und redundant, wo sie bei Proust stets elegant und filigran ist.
Scheint bei Proust noch der längste Satz sich immer näher auf eine Erkenntnis zuzubewegen, so wirkt Wolfe manchmal wie ein Autor auf der Suche nach dem verlorenen Stil, wenn er seinen Gegenstand unaufhörlich umkreist: „Auch war die schimmernde, weihrauchgeschwängerte Luft unmerklich gewürzt mit dem bitteren, aromatischen Reiz starken, frisch gebrühten Kaffees, und darin lag die stolze, anregende Drohung von Kampf und Gefahr sowie eine quicklebendige, berauschende Verheißung von Macht, Reichtum und Liebe.“ Ein Adjektiv ist für diesen wandelnden Thesaurus kaum je genug, und wo andere Autoren seiner Generation wie Ernest Hemingway lieber mal ein Wort wegließen, griff Thomas Wolfe mit beiden Händen im Synonymenlexikon zu.
Nun darf nicht unterschlagen werden, dass „Die Party bei den Jacks“ ein nachgelassenes Werk ist, das von den Wolfe-Forschern Suzanne Stutman und John L. Idol aus Kisten und Kasten gehoben und 1995 aus Notizen und Kapitelentwürfen veröffentlicht worden ist. Zwar hielt Wolfe, wie er 1937 in einem Brief an Hamilton Basso schrieb, die Geschichte für seine „am dichtesten verwobene Arbeit“, die zudem etwas „irgendwie Proustianisches“ haben sollte. Aber zu einer Überarbeitung der offenkundigen Mängel konnte es nicht mehr kommen. Der durch seinen Roman „Schau heimwärts, Engel“ berühmt gewordene Autor starb 1938, erst 37 Jahre alt, an Tuberkulose.
Einiges in „Die Party bei den Jacks“ kommt einem bekannt vor, wenn man das ebenfalls aus dem Nachlass veröffentlichte Werk „Es führt kein Weg zurück“ gelesen hat. Dort tritt Esther Jack bereits auf, und auch ihr Liebhaber, der starke Ähnlichkeit mit Thomas Wolfe selbst aufweist, wird dort beschrieben. Esther Jack, so klärt uns das Nachwort von Kurt Dasow auf, hat eine New Yorker Bühnenbildnerin namens Aline Bernstein zum Vorbild, die reich verheiratet war und mit dem wesentlich jüngeren Thomas Wolfe eine intensive Affäre pflegte.
Parties wie jene im Jahr 1928 am Vorabend des großen Börsencrashs hat es bei den Bernsteins wirklich gegeben. Rauschende Feste waren das, bei denen die New Yorker High Society fiebrig neueste Klatschgeschichten kolportierte, die letzten Bühnenereignisse kommentiert wurden und man in stilsicher eingerichteten und apart dekorierten Apartments Champagner schlürfte, während sich draußen schon ein paar Wolken über der Wall Street zusammenzogen.
Am Abgrund tanzt es sich bekanntlich am heitersten, und die Banker, Intellektuellen und Künstler, die Möchtegern-Prominenten und die wirklich Mächtigen amüsierten sich noch einmal prächtig auf Kosten ihrer eigenen Zukunft. Ein gefeierter Puppenspieler mit seinen aus Draht geformten Figuren, der einen Gastauftritt bei der Party der Jacks hat, führt uns auf eindrucksvolle Weise die Dekadenz seiner Zuhörer vor Augen: Er spielt selbstvergessen wie ein Kind mit seinen Drahtpuppen, und weil die Zeitungen über ihn elaborierte, kunsttheoretische Essays veröffentlichen und er als letzter Schrei gilt, betrachten die Gäste den Auftritt gebannt – und lassen sich auch von der augenscheinlichen Absurdität des Schauspiels kaum irritieren.
Der Party geht im Roman allerdings eine andere Geschichte voraus: Als würde dieser Teil nicht so recht zum Rest des Buches dazu gehören, erfahren wir in den ersten Kapiteln etwas über die Herkunft von Frederick Jack. Wolfe, der Deutschland bei mehreren Besuchen kennenlernte, lässt seinen Helden aus einer Stadt stammen, die von fern an Koblenz erinnert. Es ist eine enge, von Ressentiments und Antisemitismus durchsetzte Atmosphäre, in die der kleine Fritz hineingeboren wird. Seine Schulzeit ist die Hölle. Er wandert mit 17 in die USA aus und kehrt in einem Traum als älterer Herr noch einmal in seine Heimatstadt zurück – als gemachter Mann, mit einer Karriere im Gepäck und einer offenen Rechnung.
Die ehemaligen Schulkameraden, die er im Traum um sich versammelt und im Glanze seines Erfolgs in ihrer Nichtsnutzigkeit vorführen will, sind allerdings resistent gegenüber seiner Aura. Er stottert sich unbeholfen durch sein Leben und geht gänzlich der Selbstsicherheit verlustig, die ihn zu dem gemacht hat, was er ist: ein reicher Mann, der es gewohnt ist, seinen Willen durchzusetzen, der von Hauspersonal umsorgt und von einer in der Gesellschaft angesehenen Frau geliebt, zumindest nicht verlassen wird. Schon in diesem Traum braut sich etwas Unheilvolles zusammen.
Die Party bei den Jacks ist schließlich der Kulminationspunkt. Hier zeigt sich die Macht in aller Selbstgefälligkeit und Freizügigkeit. Interessanterweise spielt der erfolgreiche Broker Frederick Jack auf dieser Bühne keine sonderlich prominente Rolle – er taucht kaum einmal auf, scheint aber doch im Hintergrund zusammen mit seiner Frau die Fäden in den Beziehungsgeflechten zu ziehen.
Die Party ist für Wolfe eine große Metapher. Als er Mitte der dreißiger Jahre an den Szenen dieses Buches schrieb, wusste er, was die Partygäste im Jahr 1928 höchstens spüren konnten: dass man bald aus dem Rausch der Roaring Twenties mit einem gehörigen Kater erwachen würde. Bei Wolfe wird das Fest durch den Ausbruch eines Feuers gesprengt. Die Gäste müssen das Gebäude verlassen, stehen plötzlich auf der Straße, treffen dort auf andere Bewohner des Hauses, Dienstboten und Angestellte. „Menschen, die unter normalen Umständen niemals miteinander Umgang hätten, sah man jetzt mit der Vertrautheit alter Bekanntschaft lachend und plaudernd beisammen stehen. Eine berühmte Kurtisane in einem Chinchilla-Mantel, den ihr steinalter und fabelhaft reicher Liebhaber ihr geschenkt hatte und der ihn ein Vermögen gekostet haben musste, streifte das luxuriöse Stück jetzt ab und ging zu einer älteren Frau mit einem feinen Patriziergesicht, warf ihr den Mantel über die nur dünn bedeckten Schultern und sagte mit derber, doch zugleich freundlicher Stimme: ‚Legen Sie den mal über, Darling. Sie sehen ganz verfroren aus.’“
Zwei Fahrstuhlführer, die wir zuvor kennengelernt haben, und die wie Wärter den Austausch von oben und unten überwacht haben, sterben bei dem Brand. Noch ist das nur ein kleines Rauchzeichen für das Kommende, eine Warnung. Aber schon in einem Jahr werden manche der Gäste aus ihren Park Avenue-Palästen vertrieben sein. Das Auf und Ab der Fahrstühle nimmt dann an Fahrt auf, und wo unten und oben ist, wird schließlich nicht mehr so klar sein.
Thomas Wolfes „Die Party bei den Jacks“ ist ein lesenswertes, wenn auch unvollkommenes Buch über die Prä-Depressionsära und über die kaum wahrnehmbaren Verstörungen, die dem großen Crash vorweggehen – Gesellschaftsporträt und Charakterstudien vermischen sich. „Unweigerlich musste am Ende die Zerstörung stehen“, lesen wir auf Esther Jacks Stirn, noch bevor sie selber etwas davon ahnt. Aber die Partynacht ist wie ein Spiegel, in dem die verzerrten Züge und die Menetekel sichtbar werden können.
ULRICH RÜDENAUER
THOMAS WOLFE: Die Party bei den Jacks. Aus dem Englischen von Susanne Höbel. Mit einem Nachwort von Kurz Darsow. Manesse Verlag, Zürich 2011. 350 Seiten. 24,95 Euro.
Selbstvergessen wie ein
Kind spielt der Puppenspieler
mit seinen Drahtpuppen
Schon in einem Jahr werden
manche Gäste aus ihren Park-
Avenue-Palästen vertrieben sein
Thomas Wolfe 1936, zwei Jahre vor seinem frühen Tod. Foto: Bettmann/Corbis
Der Crash von 1929 wirft im Rückblick seine Schatten über alle Partys der „Roaring Twenties“ (hier eine Filmszene aus „The Great Gatsby“). Foto: Interfoto
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»1928 in New York, vor dem Börsencrash: Auf der Dachterrasse wird ordentlich gefeiert, unten zittern die Fundamente. Einer der besten Romane der Gatsby-Ära.« Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.07.2011

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ehrgeizig war das Unternehmen, das Thomas Wolfe mit diesem Roman einging. Ausdrücklich hat er sich an keinem Geringeren als Proust orientiert mit seiner Beschreibung des New Yorker Partylebens kurz vor dem Börsenkrach: die Jacks als Wolfes Verdurins. Als der Autor dann viel zu jung starb, blieb dieses Werk unvollendet zurück und wurde erst aus dem Nachlass 1995 veröffentlicht. Unfertig ist, was nun in deutscher Übersetzung vorliegt, zweifellos, wie Ulrich Rüdenauer feststellt. Aber "lesenswert" findet er es doch, wenngleich Proust dann doch noch einmal was anderes ist. Auch stilistisch: Im Vergleich mit dem "filigranen" Franzosen neigt Wolfe entschieden zum Überbordenden, der lieber ein Wort mehr als eins weniger hinschreibt. Dennoch ist, was er über die Atmosphäre der "Roaring Twenties" zu sagen hat, findet Rüdenauer, so aufschlussreich wie auch literarisch interessant.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Bissige Sozialstudie, feine Psychoanalyse des Ehebruchs, überbordende Schwelgerei, wenn es um Dekors und Delikatessen geht.«