Liv wollte an die Kante der Welt, dorthin, wo alle Wege enden, um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Seit einem knappen Jahr arbeitet die 35-Jährige nun schon als Pastorin in einem abgeschiedenen Fischerdorf im Norden Norwegens. Doch auch hier holen sie eines Tages ihre Erinnerungen ein. Die vielfach preisgekrönte norwegische Autorin Hanne Ørstavik hat einen ergreifenden Roman über die Freundschaft geschrieben, in einer leichten, klaren Sprache, so glänzend schön.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.2010Grübeln in Norwegen
Seit einem Jahr lebt die Theologin Liv, eine Grüblerin vor dem Herrn, als Pastorin im nördlichen Norwegen. Sie muss ein Trauma bewältigen. Davor hatte sie in Tübingen die Puppenspielerin Kristiane kennengelernt, der sie unkritisches Verhalten vorwarf; zwei Wochen später brachte Kristiane sich um. Nun bringt sich hier im Norden aufs Neue jemand um, aber Liv kann die Eltern der Toten nicht trösten, sie versagt als "Seelsorgerin". Eigentlich handelt sie sehr bewusst, aber stets kommt ihr das Unbewusste in die Quere, Vergangenheit legt sich über Gegenwart, und besonders fatal ist ihr Wahn, das erspüren zu wollen, "womit die Worte gefüllt sein mussten". Liv formuliert hier eins zu eins, was seit je das Projekt ihrer Schöpferin ist: Sie wolle "auf die andere Seite der Sprache gelangen", hat es die 1969 geborene Hanne Ørstavik formuliert. Gewiss will ihr Roman tiefschürfende Sprach- und Seelenkritik sein, scheitert aber künstlerisch. Denn was uns zum Handeln anleitet, uns aber auch zu handeln hindert, dafür findet sie nur hilfloses Gelalle; die eigentlich gute Übersetzerin Ina Kronenberger müht sich hier sichtlich ab. (Hanne Ørstavik: "Die Pastorin". Roman. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009. 237 S., geb., 19,95 [Euro].) puh
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Seit einem Jahr lebt die Theologin Liv, eine Grüblerin vor dem Herrn, als Pastorin im nördlichen Norwegen. Sie muss ein Trauma bewältigen. Davor hatte sie in Tübingen die Puppenspielerin Kristiane kennengelernt, der sie unkritisches Verhalten vorwarf; zwei Wochen später brachte Kristiane sich um. Nun bringt sich hier im Norden aufs Neue jemand um, aber Liv kann die Eltern der Toten nicht trösten, sie versagt als "Seelsorgerin". Eigentlich handelt sie sehr bewusst, aber stets kommt ihr das Unbewusste in die Quere, Vergangenheit legt sich über Gegenwart, und besonders fatal ist ihr Wahn, das erspüren zu wollen, "womit die Worte gefüllt sein mussten". Liv formuliert hier eins zu eins, was seit je das Projekt ihrer Schöpferin ist: Sie wolle "auf die andere Seite der Sprache gelangen", hat es die 1969 geborene Hanne Ørstavik formuliert. Gewiss will ihr Roman tiefschürfende Sprach- und Seelenkritik sein, scheitert aber künstlerisch. Denn was uns zum Handeln anleitet, uns aber auch zu handeln hindert, dafür findet sie nur hilfloses Gelalle; die eigentlich gute Übersetzerin Ina Kronenberger müht sich hier sichtlich ab. (Hanne Ørstavik: "Die Pastorin". Roman. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009. 237 S., geb., 19,95 [Euro].) puh
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