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Der Gesundheitsmarkt wirkt wie entfesselt, immer mehr Akteure, Indikationen, Methoden konkurrieren um Aufmerksamkeit. Dr. Michelle Hildebrandt zeigt, wie Unternehmen, aber auch Ärzte und die Alternativmedizin aus wirtschaftlichen Interessen Patienten »fangen« - und wie wir uns das gerne gefallen lassen. Immer mehr Menschen werden daher unnötig oder falsch mit Medikamenten und Therapien behandelt, während zugleich unseriöse Anbieter teilweise gefährliche Methoden propagieren, statt zu lebensrettender Diagnostik aufzufordern.
Damit Patienten ihre selbst verschuldete Unmündigkeit überwinden
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Produktbeschreibung
Der Gesundheitsmarkt wirkt wie entfesselt, immer mehr Akteure, Indikationen, Methoden konkurrieren um Aufmerksamkeit. Dr. Michelle Hildebrandt zeigt, wie Unternehmen, aber auch Ärzte und die Alternativmedizin aus wirtschaftlichen Interessen Patienten »fangen« - und wie wir uns das gerne gefallen lassen. Immer mehr Menschen werden daher unnötig oder falsch mit Medikamenten und Therapien behandelt, während zugleich unseriöse Anbieter teilweise gefährliche Methoden propagieren, statt zu lebensrettender Diagnostik aufzufordern.

Damit Patienten ihre selbst verschuldete Unmündigkeit überwinden können, ist daher Wissen nötig - Michelle Hildebrandts Buch leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
Autorenporträt
Michelle Hildebrandt ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Medizingutachterin. In ihrem beruflichen Alltag ist sie täglich mit Krank-heiten konfrontiert und sorgt sich um alle, die unter den neuen 'Modekrankheiten' und deren Behandlungen leiden.
Rezensionen
"Michelle Hildebrandt hat in ihrem Beruf als Ärztin schon vieles erlebt. Schonungslos rechnet sie ab mit Scharlatanen und wirkungslosen Behandlungen." Gesundheitstipp Oktober 2021 20220104

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Stephan Sahm seufzt: So interessant der Titel auch klingt, so wenig ergiebig erscheint ihm der Inhalt dieses Buches der Psychiaterin Michelle Hildebrandt. Der Kritiker erfährt hier zwar, wie schwierig beziehungsweise unmöglich es ist, von gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für "Lifestyle"-Behandlungen, etwa für die Einnahme von Viagra, zu erhalten. Vom engen Verhältnis vieler Ärzte zur Pharmaindustrie oder von der "heiklen" Kooperation der Industrie mit Patientenvereinigungen liest er hier hingegen leider nichts. Ungenauigkeiten wie die Verwechslung von Viren und Bakterien oder Plattitüden, etwa wenn Hildebrandt den Anstieg der Fälle von Transsexualität damit erklärt, es sei heute "hip, queer zu sein", tragen ebenfalls nicht unbedingt zur Lesefreude des Kritikers bei. Vieles in diesem Buch hat man bereits bei Ivan Illich gelesen - und zwar vor fünfzig Jahren, meint Sahm.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2022

Diagnosen zur Hand
Michelle Hildebrandt über Medizin und Geschäft

"Allein durch Gewinnsucht lässt sich auch ein großes Können verführen." Der Satz findet sich nicht in Michelle Hildebrandts Buch. Den griechischen Dichter Pindar zitiert der jüngst verstorbene Medizinhistoriker Udo Benzenhöfer in seiner letzten Arbeit, die der Kritik der Medizin in der Literatur gewidmet ist. Was Pindar im fünften vorchristlichen Jahrhundert formulierte, gilt auch heute. Klagen über Gewinnsucht der Ärzte sind so alt wie die Medizin, sie sind ein ertragreicher Topos. "Die Patientenfänger" verheißen also anregende Lektüre. Allein der Leser wird enttäuscht, denn noch selten hielt der Rezensent ein Buch in Händen, bei dem die vollmundige Ankündigung in Titel und Klappentext so deutlich vom Inhalt abstach.

Die Autorin diskutiert ihre Beobachtungen vor der Folie der Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Im Kapitel mit der Überschrift "Das Normale wird zur Krankheit" weist sie darauf hin, wie schwierig es doch ist, Kosten für Behandlungen erstattet zu bekommen, wenn es um Lifestyle oder Folgen von Alterungsprozessen geht. Man lernt in dem Kapitel, dass Kostenträger hierzulande eher viel Aufmerksamkeit darauf richten, nur für Zustände zu zahlen, über deren Krankheitscharakter Einigkeit erzielt werden kann.

Ein schlagendes Beispiel dafür ist der Streit um die Übernahme der Arzneikosten für das potenzsteigernde Viagra, die Gegenstand einschlägiger Verfahren vor dem Bundessozialgericht war. Das Sozialgesetzbuch regelt, dass Arzneimittel, "bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht", von der Erstattung der Kosten ausgeschlossen sind, wie Michelle Hildebrandt richtig zitiert. Patientenfänger sehen sich, so lernen wir also, mit erheblichen Hürden konfrontiert. So weit offenbar kein Grund zum Alarm.

In einem Abriss unter der Überschrift "Wie Pharmafirmen von 'Modekrankheiten' profitieren" erläutert die Autorin, wie kompliziert und aufwendig heute die Entwicklung und die Prozesse der Zulassung neuer Medikamente sind. Der Grund dafür ist das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz aus dem Jahre 2011. Es schreibt vor, dass erstattungsfähige Medikamente nicht nur verträglich, vielmehr auch besser wirksam als bis dahin verfügbare Standardtherapien zu sein haben. Fast ist der Leser an dieser Stelle geneigt, eine Spende zugunsten der Arzneimittelhersteller zu geben.

Die Autorin will hier keinesfalls ungerecht urteilen, bringt sich aber um ihren Kredit als Kritikerin: Kein Wort über die immer noch nicht selten engen Beziehungen vieler Ärzte zur Pharmaindustrie, deren schlechte Folgen seit Langem empirisch belegt sind; und auch die heikle strategische Kooperation der Industrie mit Patientenvereinigungen oder Gruppierungen, deren Mitglieder auf den Patientenstatus zumindest Anspruch erheben, wird nicht thematisiert.

Andere haben über das Phänomen, nahezu alle Lebensbereiche unter dem Blickwinkel medizinischer Behandelbarkeit zu betrachten, mit mehr Scharfsinn beschrieben. Ivan Illich hat den Prozess der Medikalisierung der Lebenswelt schon vor etwa fünfzig Jahren problematisiert; der Begriff findet sich erst gar nicht in Hildebrandts Buch.

Zudem nimmt es die Autorin mit medizinischen Sachverhalten nicht immer genau. "Mit der Entdeckung von Bakterien als Krankheitserreger", heißt es bei ihr, "konnten Impfstoffe entwickelt werden." Es sind aber überwiegend Viren, gegen die Impfungen wirksam sind; die erste Impfstrategie Edward Jenners im achtzehnten Jahrhundert richtete sich gegen das Pockenvirus.

Von eigener Erfahrung gesättigt - die Autorin ist Fachärztin für Psychiatrie - sind die Ausführungen zum rasanten Anstieg der Diagnosen psychischer Erkrankungen. Und dennoch fällt die Analyse mager aus, etwa die Ausführungen zum rasanten Anstieg der Fälle von Transsexualität. Was könnten dafür Gründe sein? Man ahnt es schon: die Medien. Der Leser merkt auf, wenn ihm erklärt wird, dass es heute "hip sei, queer zu sein". Klar wird nicht, ob diese Einschätzung eigenen Wahrnehmungen oder fundierter Empirie entspringt.

Einen letzten Abschnitt widmet die Autorin der Corona-Pandemie, obwohl unklar bleibt, was die mit dem titelgebenden Patientenfang zu tun haben mag. Doch mit querdenkerischen Neigungen bekommt man es nicht zu tun. Die Autorin lobt vielmehr, wie Wissenschaft, Medizin und Politik in Deutschland bisher die Krise bewältigten - und sie wirbt für das Impfen. STEPHAN SAHM

Michelle Hildebrandt: "Die Patientenfänger". Wie man uns Krankheiten einredet.

S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2021. 223 S., br., 18,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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