Die perfekte Theorie erzählt die fesselnde Geschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie, angefangen von ihrer faszinierenden Entstehung über die erbitterten Auseinandersetzungen, die Einsteins Revolution unter den besten physikalischen Köpfen des 20. Jahrhunderts auslöste, bis hin zu ihrer womöglich noch strahlenderen Zukunft.Die Allgemeine Relativitätstheorie war und ist der größte Triumph der modernen Physik. Von dem Augenblick an, da Einstein seine Theorie im Jahr 1915 vorschlug, wurde sie mit Enthusiasmus, jedoch ebenso mit erbittertem Widerstand aufgenommen. Bis heute ist sie Anlass von Fehden, ideologischen Kämpfen, aber auch fruchtbarer internationaler Zusammenarbeit. So anschaulich wie fesselnd erzählt der renommierte Oxforder Astrophysiker Pedro Ferreira, wie Einsteins Theorie unser Verständnis vom Universum und sogar dessen prägt, was wir noch nicht wissen und der Entdeckung harrt. Ungeachtet ihrer großen Vergangenheit hat Einsteins perfekte Theorie, so Ferreira, ihreeigentliche Zukunft noch vor sich.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Claus Kiefer liest das Buch des Oxford-Astrophysikers Pedro Ferreira weniger als Biografie (wie der Autor selbst sein Buch nennt) denn als Rezeptionsgeschichte der Relativitätstheorie. Solcherart scheint ihm der Band zwar zunächst nicht eben Neues zu bieten, zumal angesichts der zu erwartenden Publikationsflut im Jubiläumsjahr 2015. Allerdings würzt der Autor seine Darstellung der Entwicklung dieser Theorie laut Rezensent mit allerhand bemerkenswerten Zutaten: einem unaufgeregten, persönlichen Stil, der auch um scheiternde Wissenschaft keinen Bogen macht. Einem Ausblick über die Grenzen der Theorie hinaus. Sowie einer Darstellung all der großen Wissenschaftler, die insbesondere die Kosmologie mit geprägt haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2014Wüsste man nur, was in der dunklen Energie steckt
Einsteins Vermächtnis auf dem Prüfstand: Pedro Ferreira schreibt die Geschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie
Im Frühjahr 1914 reiste Albert Einstein von Zürich nach Berlin, um dort seine Stelle an der preußischen Akademie der Wissenschaften anzutreten. In Fachkreisen galt Einstein bereits als einer der brillantesten Physiker seiner Zeit. 1905 hatte er den Grundstein für gleich drei Gebiete gelegt, darunter die Spezielle Relativitätstheorie mit ihrer neuen Sichtweise auf Raum und Zeit. Einstein bemerkte zu dem Berliner Angebot: "Die Herren Berliner spekulieren mit mir wie mit einem prämierten Leghuhn; ich weiß nicht, ob ich noch Eier legen kann!" Tatsächlich legte er im folgenden Jahr ein goldenes Ei - die Allgemeine Relativitätstheorie, die das Phänomen der Gravitation als Geometrie von Raum und Zeit beschreibt und die Einstein als seine größte Leistung bezeichnen sollte.
Pedro Ferreira, Astrophysiker aus Oxford, nennt sein Buch die "Biographie" der Allgemeinen Relativitätstheorie. Da es sich bei dieser Theorie freilich nicht um eine Person handelt, sollte man eher von einer Rezeptionsgeschichte sprechen. Ferreira zeichnet die Entwicklung dieser Theorie, insbesondere der von ihr stark geprägten Kosmologie, anhand der zahlreichen Wissenschaftler auf, die mit ihr verbunden werden. Natürlich ist diese Geschichte schon oft erzählt worden, und angesichts des anstehenden Jubiläumsjahres 2015 wird es auch nicht das letzte Mal sein. Was Ferreiras Buch jedoch auszeichnet, ist der sehr persönliche und unaufgeregte Stil, der sich wohltuend von den Übertreibungen vieler anderer Sachbücher abhebt.
Ferreira schildert nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern berichtet auch vom Scheitern hochbegabter Wissenschaftler. Ein Beispiel ist der amerikanische Physiker Joseph Weber, der ein ganzes Forschungsgebiet begründet hat - die Suche nach den von Einsteins Theorie vorhergesagten Gravitationswellen. Weber selbst hat immer wieder behauptet, die Existenz dieser Wellen mit seinen Apparaten bereits gemessen zu haben, und beharrte auf dieser Behauptung, als von anderen Gruppen längst das Gegenteil bewiesen worden war; sein Ruf war schließlich ruiniert.
Heute fahndet man weltweit mit riesigen Interferometern nach Gravitationswellen. Schon früh ist Ferreira der Faszination dieser Theorie erlegen, ein Schicksal, das er mit vielen anderen teilt. Es handelt sich um eine "perfekte Theorie", da sie auf einzigartige Weise mathematische Schönheit mit empirischem Erfolg verknüpft. Die Anwendungen von Einsteins Theorie reichen von den GPS-Geräten des Alltags über die Bewegungen der Planeten im Sonnensystem, der Dynamik von Pulsaren und schwarzen Löchern bis hin zu der Beschreibung der Welt als Ganzes - der Kosmologie. Die Theorie ist auch in dem Sinne vollkommen, dass sie die Bedingungen ihres eigenen Zusammenbruchs benennt; sogenannte Singularitäten, die beim Urknall und im Inneren schwarzer Löcher auftreten, verhindern dort ihre Anwendung.
Was liegt jenseits der Grenzen dieser Theorie? Ferreira zeigt die beiden Bereiche auf, in denen Abänderungen möglich sind: die Bereiche des Allergrößten und des Allerkleinsten. Auf kosmischen Entfernungen beobachtet man zwei Erscheinungen, von denen derzeit nicht klar ist, ob sie von Einsteins Theorie beschrieben werden können oder nicht; es handelt sich um Dunkle Materie und Dunkle Energie. Das ist Ferreiras Arbeitsgebiet. Anders sieht es in der mikroskopischen Welt aus. Dort erwartet man den unvermeidbaren Einfluss der Quantentheorie, die Einsteins Theorie zu einer Quantengravitation erweitert, mit bisher kaum vorstellbaren Konsequenzen für die Struktur von Raum und Zeit. Ferreira stellt die verschiedenen Schulen der Quantengravitation vor, ohne eine vor der anderen auszuzeichnen.
In seiner Antrittsvorlesung von 1979 sprühte der Cambridger Physiker Stephen Hawking vor Optimismus. Das Ende der Physik, so Hawking, könne durchaus bereits für das Jahr 2000 erwartet werden; dann würden alle fundamentalen Gesetze bekannt sein, und man müsse sich nur noch um Anwendungen kümmern. Heute sieht die Lage gar nicht so strahlend aus. Es ist nicht klar, ob das Ende der (fundamentalen) Physik eintritt, weil die Weltformel gefunden wird oder weil die Probleme für den Fortschritt unüberwindbar werden. Doch das macht die Entwicklung gerade so spannend.
Ferreira beschreibt gegen Ende seine Reise auf die kleine, im Golf von Guinea gelegene Insel Príncipe. Seine Großmutter war dort vor über hundert Jahren auf die Welt gekommen, doch der eigentliche Anlass der Reise hatte mit Einsteins Theorie zu tun. Auf dieser Insel hatte der britische Astronom Arthur Eddington 1919 eine Sonnenfinsternisexpedition geleitet, um diese damals noch neue Theorie zu testen. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die, so Ferreira, erst im 21. Jahrhundert zu ihrer vollen Entfaltung kommen werde.
CLAUS KIEFER.
Pedro Ferreira: "Die perfekte Theorie". Das Jahrhundert der Genies und der Kampf um die Relativitätstheorie. Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz und Friedrich Pflüger. Verlag C. H. Beck, München 2014. 320 S., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einsteins Vermächtnis auf dem Prüfstand: Pedro Ferreira schreibt die Geschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie
Im Frühjahr 1914 reiste Albert Einstein von Zürich nach Berlin, um dort seine Stelle an der preußischen Akademie der Wissenschaften anzutreten. In Fachkreisen galt Einstein bereits als einer der brillantesten Physiker seiner Zeit. 1905 hatte er den Grundstein für gleich drei Gebiete gelegt, darunter die Spezielle Relativitätstheorie mit ihrer neuen Sichtweise auf Raum und Zeit. Einstein bemerkte zu dem Berliner Angebot: "Die Herren Berliner spekulieren mit mir wie mit einem prämierten Leghuhn; ich weiß nicht, ob ich noch Eier legen kann!" Tatsächlich legte er im folgenden Jahr ein goldenes Ei - die Allgemeine Relativitätstheorie, die das Phänomen der Gravitation als Geometrie von Raum und Zeit beschreibt und die Einstein als seine größte Leistung bezeichnen sollte.
Pedro Ferreira, Astrophysiker aus Oxford, nennt sein Buch die "Biographie" der Allgemeinen Relativitätstheorie. Da es sich bei dieser Theorie freilich nicht um eine Person handelt, sollte man eher von einer Rezeptionsgeschichte sprechen. Ferreira zeichnet die Entwicklung dieser Theorie, insbesondere der von ihr stark geprägten Kosmologie, anhand der zahlreichen Wissenschaftler auf, die mit ihr verbunden werden. Natürlich ist diese Geschichte schon oft erzählt worden, und angesichts des anstehenden Jubiläumsjahres 2015 wird es auch nicht das letzte Mal sein. Was Ferreiras Buch jedoch auszeichnet, ist der sehr persönliche und unaufgeregte Stil, der sich wohltuend von den Übertreibungen vieler anderer Sachbücher abhebt.
Ferreira schildert nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern berichtet auch vom Scheitern hochbegabter Wissenschaftler. Ein Beispiel ist der amerikanische Physiker Joseph Weber, der ein ganzes Forschungsgebiet begründet hat - die Suche nach den von Einsteins Theorie vorhergesagten Gravitationswellen. Weber selbst hat immer wieder behauptet, die Existenz dieser Wellen mit seinen Apparaten bereits gemessen zu haben, und beharrte auf dieser Behauptung, als von anderen Gruppen längst das Gegenteil bewiesen worden war; sein Ruf war schließlich ruiniert.
Heute fahndet man weltweit mit riesigen Interferometern nach Gravitationswellen. Schon früh ist Ferreira der Faszination dieser Theorie erlegen, ein Schicksal, das er mit vielen anderen teilt. Es handelt sich um eine "perfekte Theorie", da sie auf einzigartige Weise mathematische Schönheit mit empirischem Erfolg verknüpft. Die Anwendungen von Einsteins Theorie reichen von den GPS-Geräten des Alltags über die Bewegungen der Planeten im Sonnensystem, der Dynamik von Pulsaren und schwarzen Löchern bis hin zu der Beschreibung der Welt als Ganzes - der Kosmologie. Die Theorie ist auch in dem Sinne vollkommen, dass sie die Bedingungen ihres eigenen Zusammenbruchs benennt; sogenannte Singularitäten, die beim Urknall und im Inneren schwarzer Löcher auftreten, verhindern dort ihre Anwendung.
Was liegt jenseits der Grenzen dieser Theorie? Ferreira zeigt die beiden Bereiche auf, in denen Abänderungen möglich sind: die Bereiche des Allergrößten und des Allerkleinsten. Auf kosmischen Entfernungen beobachtet man zwei Erscheinungen, von denen derzeit nicht klar ist, ob sie von Einsteins Theorie beschrieben werden können oder nicht; es handelt sich um Dunkle Materie und Dunkle Energie. Das ist Ferreiras Arbeitsgebiet. Anders sieht es in der mikroskopischen Welt aus. Dort erwartet man den unvermeidbaren Einfluss der Quantentheorie, die Einsteins Theorie zu einer Quantengravitation erweitert, mit bisher kaum vorstellbaren Konsequenzen für die Struktur von Raum und Zeit. Ferreira stellt die verschiedenen Schulen der Quantengravitation vor, ohne eine vor der anderen auszuzeichnen.
In seiner Antrittsvorlesung von 1979 sprühte der Cambridger Physiker Stephen Hawking vor Optimismus. Das Ende der Physik, so Hawking, könne durchaus bereits für das Jahr 2000 erwartet werden; dann würden alle fundamentalen Gesetze bekannt sein, und man müsse sich nur noch um Anwendungen kümmern. Heute sieht die Lage gar nicht so strahlend aus. Es ist nicht klar, ob das Ende der (fundamentalen) Physik eintritt, weil die Weltformel gefunden wird oder weil die Probleme für den Fortschritt unüberwindbar werden. Doch das macht die Entwicklung gerade so spannend.
Ferreira beschreibt gegen Ende seine Reise auf die kleine, im Golf von Guinea gelegene Insel Príncipe. Seine Großmutter war dort vor über hundert Jahren auf die Welt gekommen, doch der eigentliche Anlass der Reise hatte mit Einsteins Theorie zu tun. Auf dieser Insel hatte der britische Astronom Arthur Eddington 1919 eine Sonnenfinsternisexpedition geleitet, um diese damals noch neue Theorie zu testen. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die, so Ferreira, erst im 21. Jahrhundert zu ihrer vollen Entfaltung kommen werde.
CLAUS KIEFER.
Pedro Ferreira: "Die perfekte Theorie". Das Jahrhundert der Genies und der Kampf um die Relativitätstheorie. Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz und Friedrich Pflüger. Verlag C. H. Beck, München 2014. 320 S., geb., 24,95 [Euro].
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