In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf den in der Pflege tätigen Frauen in der Zeit ab 1939 liegen. Dort, wo sie in ihrem Arbeitsumfeld auf Männer trafen, wurden ihre Beziehungen zu diesen selbstverständlich untersucht. Daneben wurden auch die besonderen Ansprüche analysiert, die zu dieser Zeit an Pflegerinnen gestellt wurden, sowie die Rolle der zeitgenössischen Vorstellungen von Gender bei der Verurteilung weiblicher Pflegender in den Nachkriegsprozessen. Durch die Erforschung des Pflegepersonals wird eine weitere, bisher vernachlässigte Tätergruppe erstmals kollektivbiographisch präsentiert. Die Untersuchung der Rolle der Pflegerinnen bei den Zwangssterilisationen und Morden zeigt auf, wie aus vermeintlich ganz normalen, unbescholtenen Bürgerinnen Mörderinnen und deren Helferinnen bzw. Mitwisserinnen werden konnten. Dabei ist die Frage nach der Vereinbarkeit der im Alltag ausgeübten Verbrechen mit dem eigenen Verständnis von Weiblichkeit sowie dem eigenen Unrechtsempfinden zentral. Die Pflegerinnen sind deshalb von zentraler Bedeutung, weil ihr Handeln und Unterlassen direkte Konsequenzen nicht nur für das Wohlergehen der Pfleglinge hatte, sondern sie damit auch über Leben und Tod entschieden. Darüber hinaus stößt die präsentierte Thematik dringende aktuelle Debatten wie etwa zur Pränataldiagnostik und zur Sterbehilfe an. So wirft die eingehende Beschäftigung mit dem Thema ¿Zwangssterilisationen und Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus¿ wichtige Fragen auf und stellt Konzepte, beispielsweise zum Gesundheitsbegriff sowie dem Wert (ungeborenen) Lebens, wichtigen Reflexionen anheim: Gibt es überhaupt ¿lebensunwertes¿ Leben? Was genau macht ein Leben lebenswert? Was ist eigentlich Gesundheit und wer kann als gesund bezeichnet werden? Der Fortschritt in der Pränataldiagnostik sowie die damit verbundenen Schwangerschaftsabbrüche werfen demnach wichtige ethische Fragen auf. Auch die Debatte um die Sterbehilfe steht dem in nichts nach: So wurden die Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus euphemistisch als ¿Euthanasie¿ oder ¿Gnadentod¿ bezeichnet und deren Ausübung von vielen der Pflegerinnen in Retrospektive als Dienst aus reiner Nächstenliebe verklärt.
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