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Die Liste der modernen Physiker, die zu Philosophen wurden, ist lang: Sie reicht von Hermann Helmholtz und Ludwig Boltzmann über Max Planck, David Hilbert, Albert Einstein, Niels Bohr und Erwin Schrödinger bis zu Wolfgang Pauli, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker. In seinem aufwendig recherchierten, auf die Originalquellen zurückgreifenden und spannend geschriebenen Buch analysiert der Naturwissenschaftler und Philosophiehistoriker Erhard Scheibe dieses Verhältnis von Physik und Philosophie und den dazugehörigen Typus des philosophierenden Physikers - die erste Gesamtdarstellung der Philosophie der Physiker. …mehr

Produktbeschreibung
Die Liste der modernen Physiker, die zu Philosophen wurden, ist lang: Sie reicht von Hermann Helmholtz und Ludwig Boltzmann über Max Planck, David Hilbert, Albert Einstein, Niels Bohr und Erwin Schrödinger bis zu Wolfgang Pauli, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker.
In seinem aufwendig recherchierten, auf die Originalquellen zurückgreifenden und spannend geschriebenen Buch analysiert der Naturwissenschaftler und Philosophiehistoriker Erhard Scheibe dieses Verhältnis von Physik und Philosophie und den dazugehörigen Typus des philosophierenden Physikers - die erste Gesamtdarstellung der Philosophie der Physiker.
Autorenporträt
Erhard Scheibe ist em. Professor für Philosophie der Naturwissenschaften an der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2007

Philosophische Quantensprünge

Wenn bei Physikern explizit von Philosophie die Rede ist, wird man im Allgemeinen vorsichtig. Zu oft ist das Beiwort "philosophisch" eine Zugabe, die wie eine vermeidbare Verlegenheit wirkt. Geht es gar um einzelne Philosophen, ist man erst recht auf der Hut. Man denkt gleich an jene nicht seltenen Naturwissenschaftler, die philosophische Fragestellungen zwar gerne als obsolet, ihre Theorien aber jedenfalls als Auflösungen philosophischer Rätsel präsentieren. Daran lässt sich zwar sehen, dass Philosophie immer noch Nobilitierung zu versprechen scheint. Aber was man in den meisten Fällen nicht sieht, das ist der Mehrwert, der aus diesen philosophischen Referenzen resultieren soll.

Und doch sollte man nicht vorschnell sein. Es gibt eine Tradition tief ansetzender Reflexionen über Grundlagen und Aufbau von physikalischen Theorien, die auf selbstverständliche Weise philosophische Qualität haben. Seitenblicke auf die Philosophie müssen da gar keine wichtige Rolle spielen, selbst wenn sie manchmal dazugehören. An diese Tradition erinnert ein Buch von Erhard Scheibe, der bis zu seiner Emeritierung 1992 einen Lehrstuhl für die Philosophie der Naturwissenschaften an der Universität Heidelberg innehatte und heute seinen achtzigsten Geburtstag begeht ("Die Philosophie der Physiker". Verlag C. H. Beck, München 2006. 368 S., geb., 29,90 [Euro]).

Die zu philosophischen, also grundsätzlichen Überlegungen drängende Physik ist eine Physik im Umbruch. Scheibes Weg führt vom Rumoren innerhalb der Klassischen Mechanik und Elektrodynamik in den letzten beiden Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts bis zu den Diskussionen über die angemessene Interpretation der Quantenmechanik, die gegen Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts mathematisch ausformuliert war. Es ist die heroische Epoche der Physik mit den Zäsuren von Relativitäts- und Quantentheorie, die bis heute unter einen Hut nicht passen wollen.

Bei den widerwillig oder beherzt philosophierenden Physikern findet man die unterschiedlichsten Temperamente, Neigungen oder auch Voreingenommenheiten. Wer physikalisch eindeutig die schlechteren Karten hatte und auf der Strecke blieb, muss dabei im Rückblick gar nicht immer so schlecht aussehen. Ernst Mach und die von ihm angestifteten "Energetiker" kurz vor 1900 sind ein gutes Beispiel. Physikalisch war der Widerstand gegen die Atomistik der Statistischen Mechanik à la Boltzmann zwar nicht zu halten. Aber die etwa bei Wilhelm Ostwald damit verknüpfte Absage an die Hoffnung, "die physische Welt durch Zurückführung der Erscheinungen auf eine Mechanik der Atome anschaulich zu deuten", hörte sich drei Jahrzehnte später vor dem Hintergrund der Quantentheorie schon fast wieder modern an.

Auf der anderen Seite fasste gerade Physiker, die Entscheidendes zur Formulierung der Quantentheorie beitrugen, oft einiges Unbehagen angesichts des von ihnen auf den Weg gebrachten neuen Verständnisses einer physikalischen Fundamentaltheorie. Einsteins verbissener Widerstand ist nur das bekannteste Beispiel des Widerwillens, deren irreduziblen Wahrscheinlichkeitscharakter zu akzeptieren. Bis weit in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts reichen die Debatten über "verborgene Parameter", mit denen das wahrscheinlichkeitstheoretische Herzstück der Theorie sich als Effekt einer "gut" klassischen Betrachtungsweise ergeben sollte.

Es ist ein weites Feld, das Scheibe durchmisst, manchmal mit sehr schnellem Schritt, dann wieder bei einzelnen Facetten verweilend, hin und wieder über Stock und über Steine. Man kann aber kaum umhin, die dargestellten Auseinandersetzungen über Realismus, Kausalität und Wahrscheinlichkeit auf die auch heute noch nicht wirklich beendeten Diskussionen über die "Kopenhagener Deutung" der Quantentheorie von Bohr, Heisenberg und Pauli zulaufen zu sehen. Die wohl ambitionierteste Anknüpfung an sie stammt von dem im Frühjahr verstorbenen Carl Friedrich von Weizsäcker, bei dem Scheibe sich habilitierte und einige Jahre Assistent in Göttingen war.

Von Weizsäckers großes Projekt war, die Quantenmechanik nicht nur als bislang erfolgreiche Fundamentaltheorie der Physik anzusehen, sondern ihre Basisaxiome als mathematische Formulierung der Bedingungen möglicher naturgesetzlicher Voraussagen verstehen zu lernen. Der Versuch ging nicht ganz auf, aber zu lernen war aus den dabei verwendeten mathematischen "Röntgenaufnahmen" der quantentheoretischen Fundamente eine Menge. Auch daran erinnert das Buch von Scheibe, der selbst Arbeiten zur logischen Analyse der Quantenmechanik und über Formen der Vereinheitlichung physikalischer Theorien vorlegte.

Das sind keine Themen, die sich heute besonders großer Aufmerksamkeit erfreuen. Eine an den Grundlagen der Physik orientierte Wissenschaftstheorie ist mittlerweile in den Schatten der Beschäftigung mit den Biowissenschaften getreten, die die Aufmerksamkeit für andere Charakteristika und Verfahrensweisen von Wissenschaft schärften. Aber wenn es heute auf dem Feld der Neurowissenschaften um Themen wie Determinismus, Kausalität und Theorienreduktion geht, dann kann ein Seitenblick auf die Auseinandersetzungen mit der Physik gar nicht schaden. Und auch das ist ein Punkt für das Buch von Erhard Scheibe.

HELMUT MAYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.11.2006

Verschüttete Hauptsachen
Fakultätswechsel: Erhard Scheibe über die Philosophie der Physiker
Naturwissenschaftler, insbesondere Evolutionsbiologen und Neurowissenschaftler, werden derzeit einerseits von christlichen Fundamentalisten, andererseits von Geisteswissenschaftlern, und hier insbesondere Philosophen und Theologen, attackiert. Die Erfahrung, die heute die Biowissenschaftler machen, machten in den vergangenen hundert Jahren bereits die Physiker. Erhard Scheibe, emeritierter Heidelberger Professor für Philosophie der Naturwissenschaften, zeichnet die alten und teilweise immer noch aktuellen Auseinandersetzungen nach und warnt damit zugleich seine philosophierenden Fachkollegen. An den Beispielen der Relativitätstheorie und noch mehr der Quantentheorie habe sich gezeigt, „daß die Philosophie auf die Dauer in der Gefahr ist, an der Wissenschaft vorbeizureden, wenn sie nicht ihre Resultate zur Kenntnis nimmt.”
Scheibe hat als Motto für sein Buch „Die Philosophie der Physiker” das Zitat eines Geisteswissenschaftlers ausgewählt, der nach dem Ersten Weltkrieg sagte: „Man klagt darüber, daß unsere Generation keine Philosophen habe. Mit Unrecht: Die Philosophen sitzen jetzt nur in der anderen Fakultät, sie heißen Planck und Einstein.” Der Satz stammt von dem protestantischen Kirchenhistoriker Adolf von Harnack, dem Begründer der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Vorläuferin der Max-Planck-Gesellschaft.
Das Warum – verrückt genug?
Bis heute reklamieren Geisteswissenschafter für sich, nur sie könnten die eigentlichen Fragen, nämlich die nach dem Warum beantworten. Scheibe zitiert dagegen Albert Einstein, der bereits 1929 formulierte: „Wir wollen nicht nur wissen, wie die Natur ist (und wie ihre Vorgänge ablaufen), sondern wir wollen auch nach Möglichkeit das vielleicht utopisch und anmaßend erscheinende Ziel erreichen zu wissen, warum die Natur so und nicht anders ist.”
Wer sich für die Auseinandersetzungen um die Deutung der modernen Physik interessiert, erfährt in dem Werk von Scheibe, mit einer Fülle von Zitaten sorgfältig belegt, wie die Physiker miteinander darum gerungen haben, die Welt zu verstehen. Eine Welt, die sie mit anderen Formeln als denen ihrer eigenen Lehrer besser abzubilden versucht hatten. Scheibe lässt die großen Theoretiker des 20. Jahrhunderts, Max Planck, Ludwig Boltzmann und Ernst Mach, Albert Einstein und Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, Niels Bohr, Wolfgang Pauli und andere zu Wort kommen.
Die zu „Philosophen” gewordenen Physiker waren nicht nur geniale Naturwissenschaftler, sondern überdies auch nicht selten zu witzigen Formulierungen fähig. Scheibe hat davon sehr viel notiert. Niels Bohr etwa: „Die Frage ist nicht, ob eine Theorie verrückt ist, sondern ob sie verrückt genug ist.” Oder Albert Einstein: Dieser hatte eine – erst in unserer Zeit äußerst fruchtbare – Idee als Emigrant in den USA mit seinen Schülern Podolsky und Rosen entwickelt, um die statistische Sicht der Quantenmechanik zu widerlegen (was nicht gelang); darüber, klagte Einstein, sei zwar aus Sprachgründen von Podolsky geschrieben worden, aber es sei nicht richtig herausgekommen, „was ich eigentlich wollte, sondern die Hauptsache ist sozusagen durch Gelehrsamkeit verschüttet”.
Die Pein der Beobachtung
Gelegentlich lässt sich Scheibe auf mathematische Darstellungen ein. Der hier weniger Kundige kann jedoch, wenn er das überschlägt, ebenfalls mit Gewinn lesen, was heute noch aktuell ist. Auch die moderne Gehirnforschung steht nämlich vor dem analogen Problem, das vor einem halben Jahrhundert die Quantenphysiker peinigte: dass nämlich die Beobachtung das Ergebnis dieser Beobachtung bestimmt. Und dass sich unsere Welt großenteils nur mit Wahrscheinlichkeitsaussagen beschreiben lässt.
Scheibe lässt gelegentlich auch die Physiker unserer Zeit zu Wort kommen, die in den großen Theoriegebäuden des 20. Jahrhundert, Relativitätstheorie und Quantenmechanik, arbeiten; Steven Weinberg etwa in den USA oder Jürgen Ehlers sowie den von ihm besonders geschätzten Günther Ludwig in Deutschland. Mehr davon würde es freilich dem Leser erleichtern, in den Auseinandersetzungen der Altvorderen den roten Faden nicht zu verlieren.
Erhard Scheibe drückt seine eigene Interpretation nur selten direkt aus. Meist lässt er die Physiker für sich selbst sprechen. Seine stärkste Missbilligung (hier die des „neuen Kantianismus”) äußert er, wenn er an einer Stelle meint, es sei dies „der Punkt, wo selbst einem Physiker der Kragen platzt”. Scheibe ist eben selbst nicht nur Philosoph, sondern auch Naturwissenschaftler. Mit Hilfe eines tüchtigen Lektors hätten sich manche Wiederholungen im Text vermeiden und dessen Strukturen klarer herausarbeiten lassen. Einige Gedanken, wie etwa die am Ende eingeführte Überlegung, wie weit die Mathematik tatsächlich „auf die Gegenstände so trefflich paßt”, wie Albert Einstein es sah, hätte Scheibe ausführlicher darstellen müssen. So sind sie dem Leser nur schwer verständlich zu machen. Alles in allem aber ist dies, nicht zuletzt wegen der Fülle an Originalzitaten, ein lesenswertes Buch.
MARTIN URBAN
ERHARD SCHEIBE: Die Philosophie der Physiker. Verlag C. H. Beck, München 2006. 368 Seiten, 29,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Lesenswert" findet Rezensent Martin Urban dieses Buch über die "Philosophie der Physiker" von Erhard Scheibe. Er hat darin eine Menge über die Auseinandersetzungen um die Deutung der modernen Physik gelernt. Vor allem aber führt das Buch das Ringen der großen Physiker um ein besseres Verständnis der Welt vor Augen. Neben Max Planck, Ludwig Boltzmann und Ernst Mach, Albert Einstein und Werner Heisenberg kommen dabei auch Wolfgang Pauli, Niels Bohr ("Die Frage ist nicht, ob eine Theorie verrückt ist, sondern ob sie verrückt genug ist.") und andere zu Wort. Deutlich wird seines Erachtens auch, dass eben nicht nur in den Geisteswissenschaften, sondern auch in den Naturwissenschaften nach dem Warum gefragt wird und nicht nur nach dem Wie. Urban moniert allerdings eine Reihe von Wiederholungen. Zudem hätte er sich Manches etwas ausführlicher dargestellt gewünscht.

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