Die mittelalterliche Kunststeinplastik ist bisher nur mit einem Minimum an historisch überlieferten Tatsachen fassbar, was die eingehende Untersuchung der gotischen Pietà in der Benediktinerabtei Marienberg in Südtirol motivierte. Die bisherige Einordnung der Gruppe als Steinguss konnte nicht bestätigt werden; das Vesperbild erwies sich als Stuckplastik, schichtweise in Antragtechnik geformt und nachgeschnitten. Das Kunststeinmaterial wurde mittels diverser mikroskopischer und analytischer Methoden untersucht. Der Bildträger besteht demzufolge vorwiegend aus Calciumsulfatdihydrat, wobei der gedrungene Kristallhabitus auf hochgebrannten Gips hindeutet. Daneben konnten die Phasen Anhydrit, Coelestin, Calcit, Dolomit und Quarz nachgewiesen werden. Diese Mineralzusammensetzung deckt sich mit derjenigen von Gipsproben aus dem Obervinschgau, was eine einheimische Provenienz des Bildwerkes nahe legt. Die Radiocarbondatierung bestätigte mit einem ermittelten Alter von 590 ±40 Jahren die bisher rein stilkritisch erfolgte Einordnung der Figur, legt aber neben der trecentesk geprägten rekonstruierten ersten Fassung auch eine etwas frühere Entstehung nahe.