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Rap ist die wohl populärste und einflussreichste Lyrikform der Gegenwart. Gerade unter jungen Männern ist das Schreiben und Deklamieren von Rap-Texten inzwischen eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen überhaupt. Dabei orientieren sie sich in der Konzeption wie auch im Vortragsstil an textsortenspezifischen Regeln und Prinzipien. Fabian Wolbring erschließt diese nun am Beispiel des deutschsprachigen Rap erstmalig und untersucht sie auf ihre ästhetischen Potenziale hin. Es zeigt sich, dass die Gestaltungsprinzipien in Reim- und Rhythmusbindung, Stimmnutzung, Themenwahl und Sprechverhalten…mehr

Produktbeschreibung
Rap ist die wohl populärste und einflussreichste Lyrikform der Gegenwart. Gerade unter jungen Männern ist das Schreiben und Deklamieren von Rap-Texten inzwischen eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen überhaupt. Dabei orientieren sie sich in der Konzeption wie auch im Vortragsstil an textsortenspezifischen Regeln und Prinzipien. Fabian Wolbring erschließt diese nun am Beispiel des deutschsprachigen Rap erstmalig und untersucht sie auf ihre ästhetischen Potenziale hin. Es zeigt sich, dass die Gestaltungsprinzipien in Reim- und Rhythmusbindung, Stimmnutzung, Themenwahl und Sprechverhalten wie auch das gängige Autorschaftsmodell besonders dazu geeignet sind, den Sprecher als souverän, autonom und überlegen zu inszenieren. Die literaturwissenschaftliche Analyse gewinnt dabei kulturdiagnostisches Potenzial.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Dr. Fabian Wolbrings Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Lyriktheorie, Gegenwartsliteratur und literarische Urteilsbildung. Neben seiner akademischen Tätigkeit betreut er diverse Jugendprojekte im Bereich HipHop und Rap und ist als Rapper, Blogger, Rezensent und Erzähler in den (Sub-)Kulturszenen des Ruhrgebiets unterwegs.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Felix Johannes Enzian hat diese Untersuchung von Rap als Dichtung mit Interesse gelesen. Allerdings, warnt er, ist es eine wissenschaftliche Untersuchung und die Sprache akademisch. Autor Fabian Wolbring möchte Rap-Texte gern als Poesie verstanden wissen, mit einer Tradition, zu der im Deutschen etwa Morgenstern oder Erhardt gehören. Der Rezensent begegnet diesem Wunsch mit Sympathie, weiß er doch von einem "bayerischen Fernsehsender", dass der Wortschatz eines Rappers leicht den von Goethe toppen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Hört nur, was die Silbenkings da reimen
Sehr viel überzeugtes Sprechen: Fabian Wolbring bricht eine akademische Lanze für die poetische Qualität von Rap-Texten

Der "Mensch" sei verdammt, auf ewig ungereimt zu bleiben, schrieb der Dichter Peter Rühmkorf resigniert, weil ihm kein passendes deutsches Reimwort einfiel. "Attention, Attention, dies geht raus an alle Menschen", ruft dagegen unbekümmert die Gruppe Fettes Brot. Ein solcher Reim, der im Überraschungsangriff über Sprachgrenzen und Wortfelder springt, gilt in der kanonisierten Poetik als unrein, in Rapp-Texten jedoch entspricht er dem lässigen Stilideal.

Ihre Verfeinerung sucht diese Kunstform in möglichst vielsilbigen und exotischen Paarungen. Einen prachtvollen Sechssilber hat Kollegah formuliert: "Hole mir per Import Monet-Bilder / Topmodels haben von mir im Portmonee Bilder." Der Wechsel zwischen vermeintlicher und tatsächlicher Homophonie bei inhaltlicher Überblendung von Hochkultur (Monet) und Populärkultur (Topmodels) zeichnet sein Wortspiel aus. Der Originalitätsanspruch verlangt außerdem, ganz neue Wortpaarungen zu finden. Nach Berechnung eines bayerischen Radiosenders nutzen die Rapper Morlockk Dilemma und Kollegah einen größeren Wortschatz als Goethe. Insbesondere bei der Bildung von Neologismen wie "der Silbenking" oder "meine Meinung, deine Deinung, seine Seinung" sind Rap-Künstler besonders produktiv.

Dennoch werde Rap als Dichtung minderer Qualität wahrgenommen, klagt der Germanist Fabian Wolbring. In seiner Arbeit über "Die Poetik des deutschsprachigen Rap" plädiert er für eine "bewusstere Wahrnehmung dieser literarischen Praxis als kognitiv anspruchsvolle Leistung". Ihm zufolge steht insbesondere der sogenannte "Fun-Rap" in der - womöglich unbewussten - Tradition humoristischer Dichter wie Christian Morgenstern, Heinz Erhardt oder Robert Gernhardt.

Wolbrings Buch liest sich allerdings eher trocken als unterhaltsam. Vielleicht wollte der Autor, der selbst rappt und Rap-Workshops leitet, den Eindruck zu großer Nähe zu seinem Forschungsgegenstand vermeiden. Er schreibt in streng wissenschaftlichem Duktus. Kapitel heißen beispielsweise "Implizites Sprechverhalten und intendierte Kommunikationssituation", "Typische Individuierungs-Marker in den Schallprofilen" und "Wortfeldgesteuerte Konzeptionsverfahren". Doch ungeachtet der formalen Sprödigkeit kann seine gründliche und schlüssige Untersuchung als Standardwerk über den Sprachgebrauch im Rap gelten.

Um die Betrachtung der Rapp-Texte als Literatur zu legitimieren, löst Wolbring sie aus den Zusammenhängen von Popmusik und Hiphop-Kultur, in denen sie üblicherweise kreiert und rezipiert werden. Dies führt zwar zu einer Vernachlässigung des musikalischen Zusammenhangs, ist aber im Rahmen einer Spezialuntersuchung akzeptabel.

Während andere Wissenschaftler Hiphop vor allem als subversive Jugendkultur untersuchen oder als postmodern-dekonstruktivistische Musikkomposition deuten, beschreibt Fabian Wolbring Rap als Wortdichtung im Sinne traditioneller Autorschaft. Wirkungsziel der Texte sei "das überzeugte Sprechen". Das lyrische Ich verweist dabei stets auf die Persona des Rappers. Typischerweise reklamiert dieser für sich im distanzierten bis aggressiven Tonfall ein erheblich übertriebenes Maß an Glaubwürdigkeit und Stärke. Ein meist nur scheinadressiertes Du als Gegenüber wird dagegen herabgewürdigt. Gemäß dem Sprichwort "Was sich reimt, das schickt sich auch" dienen die reimkünstlerischen Fähigkeiten der Sprecher als Beleg für ihre Behauptungen. Boasting und Dissing heißen die Selbstpreisungen und Beschimpfungen in genreeigenen Fachtermini. Dass dieses Spiel bis in menschenfeindliche Extreme getrieben wird, verschweigt der Autor nicht. Aber er hält extrem gewalttätige und sexistische Rap-Fantasien eher für Randerscheinungen.

Rap lässt sich auf afroamerikanische und afrikanische Vorbilder zurückführen. Wolbring verweist aber auch auf Ähnlichkeiten in Werbeslogans und beim rhythmisierten Sprechen in religiösen Riten. Zudem sei verbale Kraftmeierei, insbesondere unter jungen Männern, womöglich eine anthropologische Universalie.

FELIX JOHANNES ENZIAN

Fabian Wolbring: "Die Poetik des deutschsprachigen Rap".

V&R unipress, Göttingen 2015. 627 S., geb., 84,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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