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Gustav Stresemann erklärte 1917, die Polenfrage werde der Auslöser eines zweiten Weltkriegs sein. Auf den Spuren der Grundlagen für diese Prognose schildert Hans-Erich Volkmann die preußisch-deutsche Politik gegenüber den Polen im Reich und hinsichtlich eines wieder unabhängigen polnischen Staates. Dabei werden die Widerständigkeit und die Initiativen der Polen in ihrem Kampf um Selbstbehauptung in die Betrachtung einbezogen.Erstmals wird den widersprüchlichen polenpolitischen Plänen der Mittelmächte, den abweichenden Vorstellungen der deutschen Militärs und der Reichsleitung gebührend…mehr

Produktbeschreibung
Gustav Stresemann erklärte 1917, die Polenfrage werde der Auslöser eines zweiten Weltkriegs sein. Auf den Spuren der Grundlagen für diese Prognose schildert Hans-Erich Volkmann die preußisch-deutsche Politik gegenüber den Polen im Reich und hinsichtlich eines wieder unabhängigen polnischen Staates. Dabei werden die Widerständigkeit und die Initiativen der Polen in ihrem Kampf um Selbstbehauptung in die Betrachtung einbezogen.Erstmals wird den widersprüchlichen polenpolitischen Plänen der Mittelmächte, den abweichenden Vorstellungen der deutschen Militärs und der Reichsleitung gebührend Aufmerksamkeit geschenkt. Sie trugen dazu bei, dass sich im Verlaufe des Krieges die polnischen Fraktionen im Parlament gegenüber dem Reich entfremdeten - bis hin zur Aufkündigung der Loyalität. Das Fazit des Autors: Die Versuche zur Germanisierung der preußischen Polen mussten ebenso scheitern wie der Plan, einen abhängigen polnischen Staat auf dem im Ersten Weltkrieg besetzten russischen Territorium zu schaffen. Neue Konflikte und Krisen waren absehbar.
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Autorenporträt
Hans-Erich Volkmann ist apl. Professor für neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg. Zuvor lehrte er von 1972 bis 1981 an der Universität in Mainz. Bis zu seiner Pensionierung war er als Direktor und Professor für die Forschung des Militärgeschichtlichen Forschungsamts zuständig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Bismarcks Feindbild machte viele wild
Das Kaiserreich und der Umgang mit der polnischen Bevölkerung in Preußen

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind bis heute nicht frei von den historischen Belastungen, die mit der preußisch-deutschen Polenpolitik seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zusammenhängen, aber noch darüber hinaus bis zu den polnischen Teilungen am Ende des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Hans-Erich Volkmann, früherer Direktor und Professor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Freiburg und Potsdam, widmet sich der Anbahnung des bitteren, für nahezu ein Jahrhundert schier unüberwindbaren nationalen Konflikts zwischen Deutschen und Polen, den maßgeblich das preußische Deutschland zu verantworten hatte.

In diesem Zugriff liegt die Stärke des Buchs. Der Autor deutet nur kurz an, dass die polnische Bevölkerung im Königreich Preußen seit 1794 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts von den Reformgesetzen jener Zeit profitierte: Allgemeines Landrecht, Bauernbefreiung, Niederlassungsfreiheit, Gewerbefreiheit. In der Revolution von 1848 schlug das zeitgenössische Bewusstsein um und nahm nicht mehr die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der deutschen und polnischen Untertanen unter der preußischen Krone wahr, sondern den Gegensatz zwischen den Nationalitäten. Seit Otto von Bismarck 1862 preußischer Ministerpräsident geworden war, ging es in den Ostprovinzen nicht mehr um das Zusammenleben ethnisch verschiedener Bevölkerungsgruppen, sondern um die kompromisslose Eindeutschung der Polen, die in der Provinz Posen immerhin ein Drittel der Bevölkerung ausmachten und im gesamten Königreich zehn Prozent. Bismarck sah die Polen als "geschworene Feinde" Preußens an, die niemals loyale Untertanen sein würden, und sagte ihnen den Kampf an.

Dieser "Prolog zum Zeitalter der Weltkriege" stellt eine Fundamentalkritik an der preußischen Polenpolitik unter Bismarck dar. Die von Bismarck bestimmte Art des Umgangs mit der polnischen Bevölkerung in Preußen vor und nach der Reichsgründung habe, sagt Volkmann mit Recht, das deutsch-polnische Nachbarschaftsverhältnis bis in die unmittelbare Gegenwart belastet. Er zeigt Schritt für Schritt, dass die Eskalation der deutschen Haltung zu Polen vor und während des Ersten Weltkriegs nicht allein eine Konsequenz des ethnisch verschärften Nationalismus der wilhelminischen Epoche war. In der Regierungszeit des preußischen Ministerpräsidenten und dann des Reichskanzlers entstanden die Maßstäbe des künftigen Vorgehens.

Nicht nur Zuwanderer aus Russisch-Polen, dem sogenannten "Kongresspolen", wurden ausgewiesen, sondern auch polnische Migranten, die sich in Preußen angesiedelt hatten und sich rechtlich gesichert fühlten. Hinzu kam die "Germanisierung" der Polen durch die Sprachenpolitik, die das Polnische nur noch im Religionsunterricht und im privaten Raum zuließ. Die Unterdrückung nahm während des Kulturkampfs gegen die katholische Kirche noch zu, weil die Polen im Deutschen Reich als Parteigänger der ultramontanen Macht des Papstes hingestellt und zu "Reichsfeinden" gestempelt wurden. Der Staat versuchte die "Germanisierung" in den Ostprovinzen auch dadurch zu fördern, dass polnischer Grundbesitz aufgekauft, parzelliert und an deutsche Siedler weiterverkauft wurde.

Das Motiv für die staatsbürgerliche und kulturelle Repression ging aus Bismarcks Überzeugung hervor, dass die preußisch-deutsche Ostgrenze gegen Russland und gegen das österreichische Galizien zu einer unzweideutig nationalen Staatsgrenze gemacht werden müsse. Die ethnisch fließenden Linien zwischen der polnischen Bevölkerung in Preußen, Russland und Galizien bargen aus dieser Sicht die Gefahr, dass die Polen grenzüberschreitend auf die Errichtung ihres eigenen Nationalstaats hinarbeiten würden. Die Aufstände von 1830 und 1863 galten als Menetekel. Bismarck schätzte den Nationalismus als die stärkste Bewegungsmacht in Europa seit 1848 ein und suchte dessen Auswirkungen zu bändigen. Im Fall der Polen verband sich dieses zutreffende Kalkül mit seiner im evangelischen Preußen tiefverankerten Verachtung aus konfessionskulturellen und ethnischen Motiven und der Furcht vor dem polnischen Nationalismus. In einem eigenen Kapitel zeigt Volkmann, dass sich die nationale Selbstbehauptung der preußischen Polen bis zum Weltkrieg gar nicht gegen den Staat richtete, sondern auf Gleichberechtigung und auf die Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Selbständigkeit zielte.

Schon vor dem Krieg kamen die übersteigerten Erwartungen zum Durchbruch, die in der wilhelminischen Epoche vom Alldeutschen Verband und dem Ostmarkenverein propagiert wurden und von der Idee einer kolonialen Ostexpansion beherrscht waren. Die deutsche und die polnische Entwicklung werden bis 1914 parallel skizziert, wodurch die nationale Selbstbehauptung der Polen und der radikale Nationalismus der Deutschen sichtbar werden. Die Propaganda der Agitationsverbände und das Vorgehen der Regierungspolitik näherten sich an. In einem Abschnitt über die Provinz Posen als Preußens "geistiges Sibirien" wird dargelegt, dass aus Gründen deutscher kultureller Hegemonie die Einrichtung einer Universität in Posen verhindert wurde. Denn diese hätte einen Teil des akademischen Kanons auf die polnischen Bedürfnisse ausrichten müssen und eine Schicht bürgerlicher Intellektueller unter den Polen hervorgebracht. So aber wurde die "geistige Armut der Provinz" zum Kennzeichen Posens. Ostraumideologie, Furcht vor der schnell anwachsenden slawischen Bevölkerung östlich der Reichsgrenze, deutscher Nationalismus und ethnokultureller Hochmut verschränkten sich hier in unauffälliger, aber wirkungsvoller Weise.

In den Kapiteln über die Entwicklung des Ersten Weltkriegs gewinnt die militärgeschichtliche Kompetenz des Autors das Übergewicht. Volkmann kann hier auf eigene Forschungen aus früheren Jahren zurückgreifen, und die Darstellung wird so detailliert, dass der bis dahin gut sichtbare rote Faden bisweilen aus der Darstellung verschwindet. Das Problem der jüdischen Bevölkerung in dem von den Deutschen okkupierten Osten wird allzu knapp einbezogen. Die deutschen Truppen beherrschten das Polnische nicht und bedienten sich dankbar der Juden als Vermittler, weil das Jiddische gut zu verstehen war. Deshalb blieben die Beziehungen zwischen deutschem Militär und jüdischer Bevölkerung einigermaßen auskömmlich. Wie sich das alles mit der "Polenpolitik" verband, erscheint am Ende unklar.

Ein wichtiges Buch zur rechten Zeit, aber leider kein überzeugendes Werk: Dass die anfängliche Stringenz in der Argumentation nicht bis zum Ende durchgehalten wird, wäre zu verschmerzen. Befremdend aber wirkt die Verwendung zeitgenössischer Begriffe, die im heutigen Sprachgebrauch nach der Erfahrung des Nationalsozialismus zu vermeiden sind: "Deutschtum", "Polentum", "Fremdvölkische". Zudem wimmelt der Text vor Fehlern, die nicht nur die Rechtschreibung betreffen. Daten sind falsch, Nachweise fehlen, hin und wieder halbe Sätze. Und dann die Namen. Man muss die Preußen ja nicht mögen, aber man sollte die Namen, die man nennt, wenigstens richtig schreiben. Einen "Puttkammer" hat es in Preußen nie gegeben. In Frankfurt gab es keinen Johannes von Miquels, und unter den Historikern keinen Nipperday. Das macht die Lektüre zum Ärgernis.

ANSELM DOERING-MANTEUFFEL

Hans-Erich Volkmann: Die Polenpolitik des Kaiserreichs. Prolog zum Zeitalter der Weltkriege. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016. 517 S., 58,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anselm Doering-Manteuffel hält die Arbeit des Militärhistorikers Hans-Erich Volkmann eigentlich für ein Buch zur rechten Zeit. Umso bedauerlicher scheint ihm, dass Volkmanns Text abgesehen vom Ansatz, die Anbahnung des nationalen Konflikts zwischen Deutschen und Polen unter Bismarck aufzuzeigen, nicht überzeugt. Sobald der Autor sein militärhistorisches Steckenpferd reitet, verliert der Rezensent den Faden, weil Volkmann allzu detailliert vorgeht und die Argumentation an Stringenz verliert, wie der Rezensent behauptet. Die Verwendung von Begriffen wie "Polentum" und "Fremdvölkische" im Text sowie Sachfehler und fehlende Nachweise irritieren ihn.

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