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Freimaurer: Da denkt man zunächst an die Zeit der Aufklärung, an die "Zauberflöte" und geheimnisvolle Rituale. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Freimaurerlogen zu Räumen für das liberale und nationale Bürgertum. Stefan-Ludwig Hoffmann rekonstruiert die Innenwelt der Logen im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die deutsche Bürgergesellschaft. In der Geselligkeit der Logen sollten die Bürger Tugend und Bildung einüben, zu besseren Menschen werden - als Vorbild für die gesamte Menschheit. Wie vertrug sich dieser moralische Universalismus mit der Ausgrenzung von Juden,…mehr

Produktbeschreibung
Freimaurer: Da denkt man zunächst an die Zeit der Aufklärung, an die "Zauberflöte" und geheimnisvolle Rituale. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Freimaurerlogen zu Räumen für das liberale und nationale Bürgertum. Stefan-Ludwig Hoffmann rekonstruiert die Innenwelt der Logen im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die deutsche Bürgergesellschaft. In der Geselligkeit der Logen sollten die Bürger Tugend und Bildung einüben, zu besseren Menschen werden - als Vorbild für die gesamte Menschheit. Wie vertrug sich dieser moralische Universalismus mit der Ausgrenzung von Juden, Sozialdemokraten, Katholiken und Frauen? Warum wurde die universale Mission zunehmend der eigenen Nation zugeschrieben? Als der Erste Weltkrieg Begriffe wie "Humanität" und "Zivilisation" diskreditiert hatte, wirkten die Logen wie Relikte einer untergegangenen Welt. Umso interessan ter ist ein Blick auf die Logen des 19. Jahrhunderts, auf den Wunsch, die Menschheit zu verbessern, und auf die gegenteiligen Ergebnisse, die dieser Wunsch zeitigen konnte.
Autorenporträt
Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann ist Wissenschaftlicher Assistent an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Bochum.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelrezension bespricht Matthias Alexander zwei Bände über Freimaurerlogen.
1.) Stefan-Ludwig Hoffmann: "Die Politik der Geselligkeit" (Vandenhoeck & Ruprecht)
Alexander bezeichnet diesen Band als eine "meisterhafte Studie" und lobt insbesondere die gelungene Verknüpfung von "sozial- und begriffsgeschichtlichen Fragestellungen". Vertieft sieht der Rezensent Hoffmanns Resultate bei diesen Betrachtungen darüber hinaus in sehr detaillierten Untersuchungen über die Leipziger und Breslauer Logen, die - wie Alexander findet - zur Anschaulichkeit der Befunde beitragen. Zu einer weiteren Stärke des Buch zählt der Rezensent die Tatsache, dass Hoffmann die Freimaurer "an deren eigenen Maßstäben und jenen ihrer Zeit" misst und sich dabei von der `kritischen` Geschichtswissenschaft distanziert. Nebenbei weist Alexander darauf hin, dass Hoffmann - wie andere Historiker auch - auf zahlreiche Quellen zurückgreifen konnte. So konnten die von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Logen-Archive, die nach Moskau gelangt sind, inzwischen genutzt werden, wie der Rezensent erläutert.
2.) Eugen Lennhoff, Oskar Posner und Dieter A. Binder (Hrsg.): "Internationales Freimaurerlexikon" (Herbig)
Der Rezensent erläutert, dass dieses Buch von den Freimaurern Lennhoff und Posner bereits 1932 veröffentlicht und nun von Dieter A. Binder neu herausgegeben und aktualisiert wurde. Bei der Aktualisierung ist der Herausgeber jedoch nach Ansicht Alexanders "mitunter zu behutsam" vorgegangen. Einige Abschnitte habe Binder unverändert übernommen und lediglich "neutral" ergänzt. Andererseits diagnostiziert der Rezensent bei dem Artikel `Frauen` einige kritische Anmerkungen Binders. Dass Binder dabei "uneinheitlich" vorgegangen ist, stört den Rezensenten ein wenig. Darüber hinaus kritisiert er, dass die "Geschichtsschreibung über die Freimaurerei nicht auf den neuesten Stand gebracht" wurde. Doch trotz dieser Einwände fällt Alexanders Urteil insgesamt positiv aus. Besonders durch die biografischen Ergänzungen sei der Band "wertvoll für die Forschung".

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2000

Wir wollen sein kein einig Volk von Brüdern
Mit der Geheimniskrämerei ist schon lange Schluß: Die deutschen Freimaurerlogen versuchten in der Epoche des Nationalismus vergeblich, Weltbürgertum und Vaterlandsliebe zu verbinden

Das Geheimnis war Ursprung und Zentrum der freimaurerischen Idee. Anfangs diente es dem Schutz vor den Nachstellungen des absolutistischen Staates. Es wurde, als quasireligiöser Ersatz für die "Mysterien der Kirche" und die "Arcanpolitik der Staaten", immer mehr auch ein Missionsmittel im Wettbewerb der Weltanschauungen. Darin lag gleichzeitig eine Gefahr für die Logen. Die Freimaurer, die im verborgenen an der Vervollkommnung ihres Selbst arbeiten, am Ende aber in aufklärerischer Absicht die ganze Menschheit für die Idee der "Humanität" gewinnen wollten, konnten anders als andere Geheimgesellschaften kein Geheimnis aus ihrem Geheimnis machen.

Und deshalb entzündete sich die Phantasie der Gegner und Verschwörungstheoretiker ganz besonders leicht daran. Im Zeitalter der Öffentlichkeit, das sich mit der Bürgergesellschaft im Vormärz auszubilden begann, wuchs auch der Druck auf die Logen: seitens der katholischen Kirche, die Teufelsmächte am Werk sah, seitens der Demokraten, die den Ritus der Freimaurer für obsolet erklärten, seitens derjenigen, die sich ausgeschlossen fühlten und Einlaß in den elitären Kreis von Gleichen begehrten, darunter viele Juden. Und nicht zuletzt seitens eines sensationslüsternen Publikums, das zu gern Skandalgeschichten las, in denen über angebliche Orgien in den Logen berichtet wurde.

Es sind diese Herausforderungen und die Reaktion der Freimaurer darauf, die die Geschichte der Logen in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kennzeichnen. Stefan-Ludwig Hoffmann hat sie in einer meisterhaften Studie, die sozial- und begriffsgeschichtliche Fragestellungen geschickt miteinander verbindet, untersucht. Anschauliche Detailstudien zu den Logen in Leipzig und Breslau vertiefen die allgemeinen Befunde. Hoffmann vermeidet die Fehler der "kritischen" Geschichtswissenschaft, die (immer noch) titelgebend für die Reihe ist, in der der Band erscheint, und mißt die Freimaurer - und ihre Gegner - an deren eigenen Maßstäben und jenen ihrer Zeit. Wie andere Studien zur Maurerei, die in den vergangenen Jahren entstanden, kann er auf einen beneidenswert dichten Quellenbestand zurückgreifen. Denn seit dem Fall der Mauer sind die Archive der Logen, die die Nationalsozialisten beschlagnahmt und zusammengeführt hatten und die später nach Moskau gelangten, der Forschung zugänglich.

Gegen die weit verbreitete Ansicht, daß die Logen in der zweiten Jahrhunderthälfte an Zulauf verloren, sprechen die nackten Zahlen: 1860 gab es rund 25000 Logenbrüder, 1889 waren es knapp 45000 und 1908 immerhin 54000. Allerdings ging mit dem Wachstum eine soziale Homogenisierung einher: Seit den sechziger Jahren zog sich der Adel immer stärker zurück, und die Logen verloren den standesübergreifenden Charakter, der für ihr Selbstverständnis sehr wichtig gewesen war. Das gehobene Bürgertum, Männer von Besitz und Bildung, dominierte jetzt, das Kleinbürgertum stellte eine Minderheit der Brüder. Immerhin scheint der Anspruch, in zweckfreier Geselligkeit und fern der Zwänge und Hierarchien des Alltags die eigene "Sittlichkeit und Bildung" zu haben, keine leere Phrase gewesen zu sein.

Ihr überkonfessioneller Anspruch konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß das zivilreligiöse Bekenntnis der Freimaurer im Kern kulturprotestantisch war. Daraus entstand eine Rivalität mit der katholischen Kirche, die sich bis zum wechselseitigen Haß steigerte. Besonders die Jesuiten wurden zum Feindbild der Freimaurer, also eben jener Orden, der ebenfalls wegen seines übernationalen Charakters das Objekt von Verschwörungstheorien war. Doch auch die evangelischen Geistlichen blieben den Logen zusehends fern, nachdem konservative Kirchenhäupter ihr Mißfallen an den Ritualen zu erkennen gegeben hatten. Juden wurden erst in den vierziger Jahren aufgenommen, in den sechziger und siebziger Jahren gab es dann gerade in den liberal-humanitär ausgerichteten Logen eine regelrechte Eintrittswelle, während sich die konservativ-christlichen kaum öffneten.

Wie ein roter Faden zieht sich die Spannung zwischen der behaupteten universalen Idee der Freimaurer und ihrer tatsächlichen sozialen und konfessionellen Exklusivität durch die Studie. Diese Spannung, darum geht es Hoffmann vor allem, verschärfte sich im Kaiserreich noch, als die Freimaurer zur Kenntnis nehmen mußten, daß die auch von ihnen gewünschte Demokratisierung nicht zur Verallgemeinerung der eigenen politisch-moralischen Vorstellungen, sondern zur Fragmentierung der Gesellschaft führte. Die Logen gerieten darüber in eine tiefe Krise. Ihre Rituale und Reden dienten jetzt auch dazu, die aus der unverhofften Pluralität der Bürgergesellschaft entstandenen Ängste zu artikulieren.

Der Nationalgedanke schien einen Ausweg aus dieser Krise zu weisen, zumal er sich gut in die Weltanschauung der Freimaurer einfügen ließ. Die Nation war eine emotional aufgeladene Instanz, die jenseits von Staat und Kirche die Individuen miteinander verknüpfte und ihre Tugend und Opferbereitschaft einfordern konnte. Die Nation, als eine Nation unter vielen, sollte nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Weltbürgertum sein. Fichte formulierte diesen Gedanken in seinen "Vorlesungen über Freimaurerei" kurz und knapp: "Vaterlandsliebe ist seine Tat, Weltbürgersinn ist sein Gedanke."

Heikler wurde es, als die eigene Nation als Avantgarde der Menschheit verstanden wurde, die anderen Nationen überlegen sei. Deutsche und französische Freimaurer vollzogen diesen Schritt spätestens im Krieg von 1870/71, dessen Ausbruch für beide Seiten einen Schock bedeutete. Das Vertrauen in eine schrittweise Annäherung der Nationen ging zu Bruch. Von beiden Seiten wurde in Manifesten an die internationale Freimaurergemeinschaft die jeweilige nationale Sache als Kampf um die abendländische Zivilisation dargestellt. Nach dem Krieg standen sich die Freimaurer beider Länder lange unversöhnlich gegenüber. Erst 1895 durfte ein deutscher Freimaurer wieder eine Pariser Loge besuchen. 1907 kam es zu wechselseitigen Besuchen von Großlogen.

Der Weltbürger-Anspruch wurde jedoch nicht aufgegeben, vielmehr warf man jeweils der Gegenseite überspannten Nationalismus vor. Doch Angriffe überspannter Nationalisten aus dem eigenen Lager machten den deutschen Logen weit mehr zu schaffen, weil sie in den eigenen Reihen Unterstützung fanden. Um die Jahrhundertwende wurde von rechts die "Humanitätsduselei" der Freimaurer in Frage gestellt. Es bedurfte lediglich eines kleinen Betonungswechsels und das "Ideal der vollkommenen Menschheit" erlebte eine Bedeutungsverschiebung vom Humanen ins Völkische. Der Dualismus zwischer germanischer und romanischer Freimaurerei wurde rassisch aufgeladen.

Aber das waren nur Randerscheinungen, unter den Logenbrüdern blieb vor 1914 ein gemäßigt-liberaler Nationalismus vorherrschend. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde jedoch die Verknüpfung nationaler und menschheitlicher Gedanken endgültig desavouiert. Die Freimaurer selbst hielten nicht mehr an einem gemeineuropäischen Zivilisationsbewußtsein fest. Das wiederum half ihnen nicht gegen ihre Feinde im eigenen Land. Der Mythos der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung wurde aufgegriffen und nicht zuletzt von Alfred Rosenberg verbreitet. Das "Dritte Reich" löste dann die Logen auf.

Ein Jahr vor der Machtergreifung erschien das Internationale Freimaurerlexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner. Der Aufschwung, den die Freimaurerforschung zuletzt genommen hat, wird durch eine überarbeitete Neuauflage dokumentiert, die soeben bei Herbig erschienen ist. Der Grazer Historiker Dieter Posner, anders als Lennhoff und Posner kein Freimaurer, hat das 1932 erschienene Standardwerk behutsam aktualisiert, mitunter zu behutsam. So behält Binder den alten Artikel zu "Nationalsozialismus" bei und fügt ihm einen eigenen Abriß für die Jahre nach 1932 an. Auch den Abschnitt zu den "Gegnern der Freimaurerei", der von Lennhoff und Posner mit starken Wertungen verfaßt wurde, hat Binder übernommen und um eigene Betrachtungen ergänzt, die neutral gehalten sind. Umgekehrt hat Binder dem Artikel "Frauen" einige kritische Sätze zur Haltung der Freimaurer hinzugefügt. Durch solche Kombinationen entsteht ein uneinheitlicher Eindruck. Bedauerlich ist, daß der Artikel zur Geschichtsschreibung über die Freimaurerei nicht auf den neuesten Stand gebracht wurde. Trotz dieser Einwände: Vor allem aufgrund der Vervollständigung der biographischen Artikel ist die Neuauflage des Lexikons wertvoll für die Forschung.

MATTHIAS ALEXANDER

Stefan-Ludwig Hoffmann: "Die Politik der Geselligkeit". Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840-1918. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000. 425 S., br., 78,- DM.

"Internationales Freimaurerlexikon". Von Eugen Lennhoff, Oskar Posner u. Dieter A. Binder. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage. F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 2000. 951 S., geb., 198,- DM.

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