Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 3,00 €
Produktdetails
  • Verlag: WBG Academic
  • Seitenzahl: 238
  • Abmessung: 220mm x 140mm x 21mm
  • Gewicht: 408g
  • ISBN-13: 9783534127559
  • Artikelnr.: 24220469
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.1996

Der Staat als Kunsthandwerk
Unsolide Bastelarbeit: Karl Mittermaier schnitzt sich die Politik der Renaissance zurecht

Jacob Burckhardt, der den Begriff der Renaissance in die historisch-kulturelle Sprache eingebürgert hat, hat die Renaissance wesentlich kulturell definiert, als neuen Bezug des Menschen zur Welt und zu sich selbst. Das hieß jedoch keineswegs, daß sich Burckhardt nicht auch für politische Fragen interessiert hätte: "Der Staat als Kunstwerk" ist der erste Abschnitt seines Buches überschrieben, das von der Entstehung von Tyranneien wie Republiken im Italien des 14. und 15. Jahrhunderts handelt. Aber um die Renaissance als Epoche zu bestimmen und sie gegen "das Mittelalter" abzugrenzen, hat sich Burckhardt vornehmlich auf kulturelle Veränderungen konzentriert. Manches, was Burckhardt als neu und renaissancetypisch angesehen hatte, wurde dann freilich von den Mediävisten als "ganz mittelalterlich" reklamiert. Auch habe Burckhardt den bürgerschaftlich-republikanischen Elementen im Italien des 14. und 15. Jahrhunderts zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Trotzdem hat sich sein Buch bis heute behaupten können als unübertroffener Versuch, die Physiognomie der Renaissance nachzuzeichnen.

Karl Mittermaier, ein jüngerer österreichischer Historiker und Politikwissenschaftler, der vor einigen Jahren mit einer Machiavelli-Monographie auf sich aufmerksam machte, unternimmt nun den prätentiösen Versuch, Burckhardts "Kultur der Renaissance" durch eine "Politik der Renaissance" zum ergänzen, indem er die Entstehung der italienischen Stadtkommunen seit dem 13. Jahrhundert als das politische Fundament der Renaissance ausmacht, das durch deren kulturelle Entwicklung im Verlaufe des 15. Jahrhunderts zerstört und aufgelöst worden sei. Die kulturelle Blüte der Renaissance war danach ein ihren politischen Voraussetzungen gegenüber parasitäres Phänomen.

Mittermaier gliedert seine Darstellung der "Politik der Renaissance" in zwei Teile: zum einen die politik- und verfassungsgeschichtliche Entwicklung in den oberitalienischen Städten, insbesondere in Florenz; zum anderen die Darstellung einer Reihe von Theoretikern, die von ihm im weiteren Sinn der italienischen Renaissance zugerechnet werden, beginnend bei Dante und Marsilius und endend bei Machiavelli und Guicciardini. Den ersten Teil bezeichnet Mittermaier als "Praxis", den zweiten als "Theorie" - kaum eine glückliche Begriffswahl.

Sieht man einmal davon ab, daß Mittermaiers Darstellung der politischen Kämpfe und der verfassungspolitischen Entwicklung der Kommunen nahezu ausschließlich auf Sekundärliteratur beruht, bei der ihm obendrein einige wichtige jüngere Studien entgangen sind, und läßt man ferner außer acht, daß die von ihm behandelten Theoretiker sehr viel genauer auf ihre Behandlung der Kommunalverfassungen hin hätten gelesen werden müssen, so bleibt immer noch ein Grundproblem, an dem Mittermaiers Vorhaben auch bei mehr Sorgfalt in der Ausführung hätte scheitern müssen: die Definition der Renaissance als einer zusammenhängenden Epoche.

Mittermaier versucht die Einheit der Epoche dadurch herzustellen, daß er den Mittelalterbegriff als Ensemble von Vorurteilen und reine Denunziationskategorie verwendet. Alles, was ihm als irrational erscheint, wird als mittelalterlich bezeichnet; wo sich hingegen Rationalisierungsbestrebungen ausmachen lassen, wird der Begriff "vorneuzeitlich" zwecks Reklamation für die Renaissance verwendet. Alles schnurrt zuletzt zusammen auf den Gegensatz von Vernunft und Unvernunft. Mittelalterlich ist für Mittermaier, was er für überwindenswert hält, vorneuzeitlich das, was politisch sympathisch ist. Sehr auffallend zeigt sich dies in seiner Behandlung des Dominikanerpredigers Girolamo Savonarola, der in Florenz am Ende des 15. Jahrhunderts wesentlich zur Erneuerung der Republik beigetragen hat. Hier zeigt sich am deutlichsten, daß Aufklärung und Demokratisierung keineswegs immer am selben Strang ziehen, wie Mittermaier meint. Jacob Burckhardt hat dies übrigens sehr genau gewußt. HERFRIED MÜNKLER

Karl Mittermaier: "Die Politik der Renaissance in Italien". Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995. 240 S., geb., 58,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr