Die Politik zur Deutschen Einheit - Probleme, Positionen, Kontroversen Es gibt Zeiten, in denen sich die Ereignisse überstürzen und von anderen über holt werden, noch ehe sie auf den Begriff gebracht sind. Es sind dies Perioden, in denen sich konsolidierte Strukturen scheinbar verflüssigen und die Komple xität des "auch anders Möglichen" zumindest temporär freigeben - bevor sie in einer mehr oder minder veränderten Form wieder festgefroren werden. Nachdem die "deutsche Frage" mit den Weichenstellungen von 1947-49 über vier Jahrzehnte faktisch eingefroren war, setzte im Herbst 1989 ein großregio nal bedingtes plötzliches Tauwetter ein. Die nationale Frage entfaltete in nur wenigen Monaten ihre gesamte Komplexität - ihre historischen Verwirrungen und politischen Logiken, die mit ihr verbundenen ökonomischen Interessen und sozialen Konflikte, die ihr inhärenten psychologischen Traumata, Kom plexe, Ängste und kulturellen Leitmotive. Dieses Buch bietet weder eine Chronologie der Ereignisse noch parteiliche Stellungnahmen, kein Plädoyer für oder wider die deutsche Einheit. Nicht Ge sinnungen werden artikuliert, nicht emphatische Bekundungen zum "natio nalstaatlichen Imperativ" verlautbart. Mit diesen ist das Publikum seit dem Herbst 1989 schon reichlich überschüttet worden. Sie reichten im Inland von den Publikationen der "journalistischen Adjudanten" der offiziellen Politik in den Massenmedien über die deutschlandpolitischen "Bekenntnisse" von Schriftstellern wie Martin Walser, bis zu kritischen Stimmen, wie denen von Günter Grass und Jürgen Habermas, die unter dem Eindruck der deutsch nationalen Katastrophen dieses Jahrhunderts auf nichtnationale, unversalisti sche Prinzipien der Moral und Vernunft setzten und dem auf nationale Eini gung orientierten herrschenden Zeitgeist widersprachen.
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