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Politik, im richtigen Sinne des Begriffs, ist gesellschaftliche Existenzbedingung. Ohne Politiker keine Politik. Es ist ein Alarmsignal für Gesellschaften, wenn Politik zum Unwort geworden ist und Politiker zum Schimpfwort. Die Erfahrung oder zumindest Wahrnehmung, dass das gesellschaftliche Mandat der "Politik" von den "Politikern" nicht mehr konstruktiv praktiziert wird, hat zu einem dramatischen Vertrauensverlust in beide geführt. Wenn sich soziale und wirtschaftliche Existenzgefahren zuspitzen und Wähler den gewählten Volksvertretern und Parteien deren Lösung nicht mehr zutrauen, droht ein…mehr

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Produktbeschreibung
Politik, im richtigen Sinne des Begriffs, ist gesellschaftliche Existenzbedingung. Ohne Politiker keine Politik. Es ist ein Alarmsignal für Gesellschaften, wenn Politik zum Unwort geworden ist und Politiker zum Schimpfwort. Die Erfahrung oder zumindest Wahrnehmung, dass das gesellschaftliche Mandat der "Politik" von den "Politikern" nicht mehr konstruktiv praktiziert wird, hat zu einem dramatischen Vertrauensverlust in beide geführt. Wenn sich soziale und wirtschaftliche Existenzgefahren zuspitzen und Wähler den gewählten Volksvertretern und Parteien deren Lösung nicht mehr zutrauen, droht ein Verfall demokratischer Verfassungsstaaten. Hermann Scheer, aktiver Politiker, Wissenschaftler und "praktischer Visionär" (Bundespräsident Rau), untersucht in diesem Buch die Grundbedingungen politischen Handelns, die derzeitige Verfassung unserer politischen Institutionen und ihrer Akteure - und die Vorstellungen, die wir uns von ihnen machen.
Autorenporträt
Hermann Scheer, geboren 1944, Wirtschafts-und Sozialwissenschaftler, ist seit 1980 Mitglied des Deutschen Bundestags und seit 1988 Präsident von EUROSOLAR, der Europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien. 1998 Weltsolarpreis, 1999 Alternativer Nobelpreis, 2000 Weltpreis für Bioenergie, 2002 "Hero for the Green Century" des TIME-Magazine. Sein 1999 erschienenes Buch "Solare Weltwirtschaft" wurde in neun Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003

Pappnasen ganz oben
Die wenigsten Politiker haben Hohn und Spott verdient, denn auch sie sind Gefangene einer komplexen Welt
Gleich im zweiten Absatz der Begrüßung auf seiner Homepage im Internet wird Hermann Scheer ein wenig grob: „Ich konzentriere mich auf sachliche Informationen”, steht da, „Spielereien und Sprechblasen müssen Sie woanders suchen.” Der studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sitzt seit 1980 für die SPD im Bundestag und seit 1993 im SPD-Bundesvorstand; aber obwohl er seit knapp 25 Jahren der Avantgarde der deutschen Politik angehört, gibt er sich immer gern ein wenig aufgeklärter als seine Kollegen. Das allerdings nicht ganz zu Unrecht: Immerhin ist Scheer Träger des Alternativen Nobelpreises, des Weltsolarpreises und des Weltpreises für Bio-Energie; er trägt den so informellen wie bombastischen Titel „deutscher Solarpapst” und hat eine ganze Latte von Artikeln und Büchern über erneuerbare Energien verfasst.
Charaktermasken unterwegs
Sein neues Buch hat nichts zu tun mit Klimawechsel und Sonnenenergie. Aber wieder einmal zeigt Scheer, dass er ein wenig anders ist als andere Politiker – wenn auch mit einer Stoßrichtung, die man eigentlich nicht von ihm erwartet hätte: Er hat eine Monographie verfasst, in der er „Die Politiker” an sich in Schutz nimmt . Wobei schon das nicht ganz präzise ist, denn Scheer beginnt seinen Ehrenrettungsversuch damit, dass er die Existenz einer „politischen Klasse” negiert. Er wehrt sich gegen Verallgemeinerungen und weist eine ganze Reihe gängiger Klischees zurück. Die Politikverdrossenheit sei so groß, schreibt Scheer, dass politisch Handelnde summarisch als „Charaktermasken des Systems” abgetan würden, dass sie uniform für Fehlentwicklungen und Probleme in der Gesellschaft verantwortlich gemacht würden und ihnen „Machtvergessenheit” und „Machtversessenheit” (Richard von Weizsäcker) unterstellt werde.
Nun ließe sich einwenden, dass ein Parteipolitiker wahrlich der letzte ist, dem man eine Verteidigungsrede für Politiker in westlichen Demokratien und speziell in der deutschen abnehmen darf. Schließlich redet hier einer, der mutmaßlich schon selbst der „déformation professionelle” erlegen ist. Aber, um das vorwegzunehmen: Scheer hat ein spannendes Buch vorgelegt, historisch fundiert, intelligent strukturiert. Nur macht er es sich bisweilen zu einfach.
Immerhin verzichtet er darauf – was zur besseren Verkäuflichkeit des nicht immer leicht lesbaren Werkes naheliegend gewesen wäre –, ein paar Skandälchen einzubauen. Im Kapitel über die „Typologie diverser Antriebe”, in der er die Politiker-Typen „Machtspieler, Passionierte, Gesellschaftsarbeiter, Narzissten und Interessenvertreter” schildert, hätte sich angeboten, den ein oder anderen politischen Gegner als Beispiel anzuführen. Aber Scheer hat nichts davon getan; sein Buch ist eine an der politischen Praxis entlang geschriebene und dennoch sehr grundsätzliche Arbeit, in der er bemüht ist, die Politiker in ihrem Handlungsumfeld zu schildern – mit allen strukturellen, historisch gewachsenen und auch selbst gemachten Hürden, die konstruktives Handeln so schwer machen.
Scheer fragt, welche struktur- und systemgestaltende Rolle Politiker spielen können und kommt zu dem Ergebnis, dass es damit nicht weit her ist. Politiker und politische Institutionen sind, bei allem nicht zu bestreitenden Engagement Einzelner, oft gelähmt; sie sind selbst Opfer einer Motivationskrise in der demokratischen Gesellschaft. 88 Prozent der Befragten gaben in einer Zeitungsumfrage vor einem Jahr den Parteien die Schuld an mangelnder Reformfähigkeit; 76 Prozent bestritten, dass Parteien die Interessen des Volkes verträten. Dabei lenkt Parteienkritik, so Scheer, „nicht nur von den tatsächlichen Problemen der Parteien ab, sondern auch von kontroversen Inhalten”. Wer Politikern und Parteien unterstelle, sie seien nur am Eigeninteresse orientiert, lasse gesellschaftliche Fehlentwicklungen und Machtkonstellationen im Dunkeln.
Parteienkritik hat, das belegt Scheer an einer ganzen Reihe von Beispielen, in Deutschland eine lange Tradition; der deutsche Obrigkeitsstaat mit seiner Adoration des abgehobenen „Staatsführers”, bei dem überlegener Führungsverstand vermutet wird, überlagerte bis in die 50er Jahre hinein die Offenheit für das demokratische Experiment. Letztlich, so Scheer, lebt die Unterstellung, dass Deutschland ohne Parteien in besseren Händen wäre und volksnaher regiert würde, bis heute fort – er verweist auf die berühmte „Ruckrede” des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, in der ein „flächendeckendes Versagen aller Politiker und Parteien” mittelbar unterstellt worden sei.
Dabei liegen die Probleme, wenn man dem erfahrenen Politiker folgt, überwiegend anderswo: in der Entmachtung der politisch Handelnden auf regionaler und nationaler Ebene durch die Europäisierung sowie die Globalisierung einerseits. Und in der Selbstbeschneidung durch technokratisches Regierungshandeln, bei dem „Entscheidungen sich dem frühzeitigen Diskurs um alternative Optionen weitgehend entziehen” andererseits. Scheer liefert an dieser Stelle Beispiele für Gesetze, die dem Bundestag so spät vorgelegt wurden, dass die Abgeordneten vor der Debatte kaum noch den Text lesen konnten. Er zeigt, wie die Angst vor einem Eingreifen aus Brüssel die Debatte um nationale Interessen beeinflusst. Und er berichtet, wie der Bundesrat als verlängerter Arm des Bundestags genutzt und damit das föderale Prinzip ausgehebelt wird. Er beklagt die hohe Regelungsdichte internationaler Verträge, die an die Stelle staatlicher demokratischer Gesetzgebung treten, und er wehrt sich gegen den wachsenden Zentralismus in der EU auf politischer Ebene sowie gegen den in ihr vorherrschenden „Liberalisierungsabsolutismus” in ökonomischer Hinsicht.
Mehr Einfluss, mehr Vorteile
Nur kurz setzt sich der Bundestagsabgeordnete mit der Reformpolitik der eigenen Partei auseinander. Er beklagt, dass beim Regierungswechsel nach der Kohl-Ära keine ausgearbeiteten Konzepte für eine grundlegende Kursänderung vorgelegen hätten, und er moniert, dass die „Konsensdemokratie” als Stärkung der Handlungsfähigkeit begriffen und als Tugend verstanden werde: „Die Negativseiten des Konsensmodells wurden nicht reflektiert – dass es denen entgegen kommt, die mehr gesellschaftlichen Einfluss haben.” Hier allerdings macht es sich Scheer eindeutig zu leicht: Was ist denn die ganz konkrete Alternative zur Konsensdemokratie, zur faktischen großen Koalition in einer in die Jahre gekommenen Demokratie, in der sich das komplexe Geflecht aus Verantwortungen, Zuständigkeiten und Abhängigkeiten zu einem Hemmschuh für jede radikale Reform entwickelt hat? Und wie könnte sie funktionieren?
Über weite Strecken ist das Buch – mit Blick auf Thema und Titel – überdies eine Mogelpackung, denn der SPD-Linke arbeitet sich an der Globalisierung und ihren Folgen für Märkte und Gesellschaften ab. Den Politikern wirft er vor, „die Gestaltungsautonomie in wirtschaftlichen Fragen abzutreten an unerreichbare transnationale Institutionen und damit die gesellschaftliche Selbstbestimmung in existentiellen Fragen preiszugeben.”
Beispiele für die Selbstentmachtung der Politik liefert Scheer mithin da, wo er sich mit den veränderten Werten und Idealen von Politik befasst. „Öffentliche Schaumschlägerei” drohe einen ernsthaften Diskurs zu ersetzen. Hier bricht erneut der enttäuschte sozialdemokratische Parteipolitiker hinter dem Analytiker hervor, der sich nicht abfinden mag mit einer SPD, die sich in ihrem Reformbestreben an die Konservativen anpasst und linke Visionen von einer gerechteren Welt über Bord zu werfen droht.
Seine Forderungen an die politische Elite in diesem Land, aber ebenso an alle Bürger gießt Scheer schließlich in einen Begriff, der so pathetisch wie unverzichtbar ist in einer lebendigen Demokratie: Er fordert die Wiederbelebung der „Ideale” politischen Handelns. Nun sind Ideale bekanntlich nicht dekretierbar, aber Scheer wehrt sich dennoch gegen die „oberflächliche Gegenüberstellung von politischem Realismus und Idealismus”. „Ethische Prinzipien beziehungsweise politische Werte können nicht an Ethikkommissionen delegiert werden” (auch dies ein Schlag gegen den Hang des sozialdemokratischen Kanzlers zur Auslagerung von grundlegenden Debatten an Expertengruppen).
Globalisierungsgegner Scheer warnt vor der endgültigen Aufgabe der politischen Gestaltungsfreiheit an ein ökonomisches Prinzip. „Das wirtschaftliche Liberalisierungsprinzip macht die demokratischen Institutionen zu Kolonialverwaltungen des Marktes”. Es sei der grundlegende Fehler und das wesentliche Versagen der Gegenwart, die Welt dem Fundamentalismus eines Wirtschaftsdogmas zu unterwerfen und gewählte Parlamente zu untergeordneten Behörden von „Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissaren” zu machen. Hermann Scheer will, dass sich „die Politiker” wieder ihre Freiheiten zurückerobern – im Namen des Volkes.
CATHRIN KAHLWEIT
HERMANN SCHEER: Die Politiker. Antje Kunstmann Verlag, München 2003. 240 Seiten, 19,90 Euro.
„Machtbesessenheit und Machtversessenheit” hat Richard von Weizsäcker der politischen Elite vorgeworfen. Der Stammtisch gibt ihm darin gern recht.
Foto: dpa
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literaturtest.de

Die Reputation ist im Keller
Das Ansehen der Politiker in der Gesellschaft könnte schlechter kaum sein. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach (2001) rangierten sie weit hinter Ärzten, Pfarrern, Hochschulprofessoren, Unternehmern, Rechtsanwälten und sogar Journalisten am unteren Ende der Skala. Ähnlich gering ist das Vertrauen in den Politiker-Beruf in Großbritannien, in Italien und in Frankreich. Warum das so ist, hat ein Mann untersucht, der seit 1980 Mitglied des Bundestages ist und als überzeugter Streiter für erneuerbare Energien 1999 den Alternativen Nobelpreis erhielt.

Die Ängste der Wähler
Meist haben sie mehr versprochen, als sie selbst beim besten Willen einhalten können, lautet eine Erkenntnis Hermann Scheers. Zudem sorgen Existenz- und Lebensangst gerade in hoch entwickelten Staaten wie Deutschland, England, Frankreich und den Niederlanden für zusätzliches Misstrauen in die Regierenden. Politiker erscheinen als bevorzugte Projektionsfläche für die Nöte der Bürger. Die Arbeitslosigkeit wächst, staatliche Finanzkrisen sind eine Dauererscheinung, soziale Sicherungssysteme werden abgebaut, Reformen kommen nicht entscheidend voran. Dass die Politik diese Existenzprobleme allein nicht lösen, sondern nur die Rahmenbedingungen für Verbesserungen schaffen kann, ahnen oder wissen auch die meisten Bürger. Dennoch bestrafen sie bei der nächsten Wahl erst einmal die gerade Herrschenden.

Autonomie statt Unterwerfung
Politiker in einer Demokratie spiegeln stets, so schlussfolgert der Autor, den politischen Kulturzustand der Gesellschaft wider. Unkonventionelles, nicht konformistisches, nicht lineares politisches Denken müsse daher neu belebt werden. Und je mehr Bürger sich dafür die Freiheit nehmen, desto mehr belebe sich auch eine politische Zivilgesellschaft. Der Einzelne könne Politik aber auch anders praktizieren: mit eigenen Ideen und Initiativen, mit geistiger Autonomie statt Unterwerfung.
(Mathias Voigt)

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Die Politikerbeschimpfung, stellt Dieter Rulff eingangs seiner Besprechung fest, habe nun schon seit langem ihren "Stammplatz im Topoi der maulenden Mehrheit". Da sei es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit gewesen, dass einem Betroffenen einmal "der Kragen platzen" und er "zur Selbsthilfe" greifen würde. Dies habe der Bundestagsabgeordnete und Solarenergieexperte Hermann Scheer mit diesem Buch nun, lobt Rulff, "auf eine äußerst intelligente Weise" getan. Nur gehe es, schreibt Rulff, Scheer dabei eben einmal nicht um bloße Selbstbestätigung, "sondern um Veränderung". Dazu werden von Scheer dann nicht zuletzt strukturelle Probleme dargelegt - um zu zeigen, wo es wirklich auf Änderungen ankäme. Der Rezensent gibt vor allem folgende Überlegung Scheers wieder: Da sich kaum eine Berufsgruppe "periodisch solch existenziellen Ängsten ausgesetzt" sehe wie die meisten Politiker, die bei jeder Wahl um ihre Existenz bangen müssten, diene "ein Großteil der Parteiarbeit der Minderung dieser Angst" - zugleich bilde dies dann aber eben auch den Hauptgrund für die Bildung von Seilschaften und eine Übervorsicht im täglichen Handeln.

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