Unmittelbar vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil besaßen in der katholischen Kirche Fasten und Abstinenz einen hohen Stellenwert. Die Fast- und Abstinenztage waren zahlreich (um 1860 waren es zirka 170). Sich gegen die Fasten- und Abstinenzgesetzgebung verfehlen, bedeutete fast immer, schwer sündigen; ähnlich gravierend waren Verfehlungen gegen die ebenfalls sehr strengen Vorschriften zur Eucharistischen Nüchternheit. Mit dem Zweiten Vatikanum zeichnet sich ein radikaler Wandel ab: Die Fast- und Abstinenztage werden auf zwei reduziert. Die Fastenzeit erhält die Bezeichnung "Österliche Bußzeit". Die Freitage werden "Bußtage" genannt. Die Katholiken dürfen nun an diesen Tagen den Fleischverzicht durch ein selbstgewähltes Freitagsopfer ersetzen. Einzelne Verfehlungen gegen die Fasten- und Abstinenzgesetzgebung stellen keine schwere Sünde dar. Die kirchliche Fasten- und Abstinenzpraxis hat dadurch drastisch an Bedeutung verloren. Dieser Umstand provoziert die Fragestellung, welche Bedeutung diesem Wandel beizumessen ist. In dieser Studie werden zunächst die Veranlassungen für den Wandel, der Wandel selbst, sowie dessen Folgen untersucht und dargestellt. Unter Heranziehung sowohl des geschichtlichen als auch des biblischen und des kirchengeschichtlichen Hintergrundes wird analysiert, wie der Wandel, der zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeleitet wurde, insgesamt zu bewerten ist. In einem weiteren Schritt werden Perspektiven für eine künftige kirchliche Fasten- und Abstinenzpraxis aufgezeigt.