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Der neue Roman von Clemens Meyer: Ein Epos über die Krisen Europas und die Kunst des Erzählens
Von Leipzig bis Belgrad, von der DDR bis zur Volksrepublik Jugoslawien, vom Leinwandspektakel bis zum Abenteuerroman. Schonungslos und rasant erzählt »Die Projektoren« von unserer an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart - und von unvergleichlichen Figuren: Im Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die abenteuerlichen Dreharbeiten der Winnetou-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt - mittendrin eine Gruppe junger…mehr

Produktbeschreibung
Der neue Roman von Clemens Meyer: Ein Epos über die Krisen Europas und die Kunst des Erzählens

Von Leipzig bis Belgrad, von der DDR bis zur Volksrepublik Jugoslawien, vom Leinwandspektakel bis zum Abenteuerroman. Schonungslos und rasant erzählt »Die Projektoren« von unserer an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart - und von unvergleichlichen Figuren: Im Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die abenteuerlichen Dreharbeiten der Winnetou-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt - mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die die Sinnlosigkeit ihrer Ideologie erleben muss. Und in Leipzig werden bei einer Konferenz in einer psychiatrischen Klinik die Texte eines ehemaligen Patienten diskutiert: Wie gelang es ihm, spurlos zu verschwinden? Konnte er die Zukunft voraussagen? Und was verbindet ihn mit dem Weltreisenden Dr. May, der einst ebenfalls Patient der Klinik war?
Autorenporträt
Clemens Meyer, geboren 1977 in Halle / Saale, lebt in Leipzig. 2006 erschien sein Debütroman 'Als wir träumten', es folgten 'Die Nacht, die Lichter. Stories' (2008), 'Gewalten. Ein Tagebuch' (2010), der Roman 'Im Stein' (2013), die Frankfurter Poetikvorlesungen 'Der Untergang der Äkschn GmbH' (2016) und die Erzählungen 'Die stillen Trabanten' (2017). Für sein Werk erhielt Clemens Meyer zahlreiche Preise, darunter den Preis der Leipziger Buchmesse. 'Im Stein' stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, wurde mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein Roman 'Die Projektoren' wurde mit dem Bayerischen Buchpreis 2024 ausgezeichnet und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2024. Für sein Gesamtwerk erhält Clemens Meyer den Lessing-Preis 2025 des Freistaates Sachsen. Literaturpreise: Lessing-Preis des Freistaates Sachsen 2025 Bayerischer Buchpreis 2024 Klopstock-Preis für neue Literatur 2020 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim 2018/2019 Premio Salerno Libro d'Europa 2017 Finalist Premio Gregor von Rezzori 2017 Longlist Man Booker International Prize 2017 Mainzer Stadtschreiber 2016 Bremer Literaturpreis 2013 Shortlist Deutscher Buchpreis 2013 Stahl-Literaturpreis, 2010 TAGEWERK-Stipendium der Guntram und Irene Rinke-Stiftung, 2009 Preis der Leipziger Buchmesse 2008 Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg, 2007 Märkisches Stipendium für Literatur, 2007 Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen, 2007 Mara-Cassens-Preis, 2006 Rheingau-Literatur-Preis, 2006 Einladung zum Ingeborg Bachmann-Wettbewerb, 2006 Nominierung zum Preis der Leipziger Buchmesse, 2006 2. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2003 Literatur-Stipendium des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, 2002 1. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2001
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sätze, die "tiefdunkel funkeln" macht Rezensent Cornelius Pollmer in Clemens Meyers monumentalem Roman aus. Nach der Aufregung um Meyers Wutanfall auf der Buchmesse wird es Zeit, sich wieder dem Text selbst zuzuwenden, fordert der Kritiker, denn dieser verlangt zwar nach Zeit und Konzentration, stellt sodann aber schlicht eine "schwer beeindruckende erzählerische Leistung" dar. Mal "wahnhaft abfließend", mal beunruhigend, mal "brüllend komisch" ist diese Geschichte, deren Inhalt so schwer zusammenzufassen ist, schwärmt Pollmer. So viel lässt sich sagen, es geht um die zweite Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, den Zerfall Jugoslawiens und Karl May. Einen der wenigen Fixpunkte bietet die Figur "Cowboy", die sich am Widerstand der Tito-Partisanen gegen Hitler beteiligt und später beim "Kostümfilm durchschlägt" und noch ganz viel mehr, dass der Rezensent gar nicht alles aufführen kann. Es gibt hier atemberaubende Beschleunigungen, Verschränkungen zwischen Vergangenheit und Zukunft, Traum und Realität, "apokalyptische Feuerwerke" und Sätze, die Pollmer "Nägelkauen" lassen - jedenfalls ganz großes Kino, findet der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH
Wenn die Welt sich so weiterdreht, [...], wird "Die Projektoren" zu den Romanen gehören, die lesende Menschen alle zehn Jahre erneut aus dem Regal nehmen, wie den "Zauberberg". Judith von Sternburg Frankfurter Rundschau 20240828

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2024

Auf ihn mit Gebrüll
Clemens Meyer hat sich lauthals darüber aufgeregt, dass er nicht den Deutschen Buchpreis
bekommen hat. Aber wie gut ist sein Roman-Epos „Die Projektoren“ nun wirklich?
VON CORNELIUS POLLMER
Bei der Vergabe des Deutschen Buchpreises vergangene Woche hatte der Autor Clemens Meyer einen deutlich größeren Auftritt als der von ihm verfasste und für selbigen Preis nominierte Roman „Die Projektoren“. Es war – tolle Redensart – ganz schön was los in Frankfurt, und während der Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Römer womöglich noch Schmauchspuren sicherstellt, ist medial gewohnheitsgemäß längst alle Aufregung bereits verweht.
Heißt aber auch: Nie war der Moment günstiger als jetzt, sich dem Eigentlichen noch einmal in aller Ausführlichkeit zu widmen. Und das Eigentliche, daran sei erinnert, ist am Ende nicht der aufstampfende Autor – es ist sein in fast allen denkbaren Dimensionen literarischen Schreibens komplex angelegter und fordernd grenzenlos erzählter Roman „Die Projektoren“; ein nur selten komfortabel zu lesender, oft wahnhaft abfließender, zuweilen unheimlicher, dann wieder leichtfüßiger, geradezu brüllend lustiger Text – eine alles in allem schlicht schwer beeindruckende erzählerische Leistung, in deren Ergebnis ein Roman steht, der sich seinen Lesern nicht unmittelbar preisgibt, sondern eher stolz über das verfügt, was als „Rätselcharakter“ der Kunst schon von Adorno attestiert wurde. Und vielleicht wusste ja wenigstens der einigermaßen Bescheid.
Als Leser von „Die Projektoren“ jedenfalls weiß man es erst einmal nicht – und scheitert ein ums andere Mal sogar an dem Versuch, wenn schon nicht Meyers Roman, so doch wenigstens die eigene Überwältigung irgendwie verständlich zu machen. Auf fasziniertes Stottern angesichts dieses in doch seltener Weise originären Textes, der seit der Lektüre allmählich, aber ausdauernd weitere Arbeiten in einem verrichtet, folgt meist eine Frage, die klingt wie eine Zurückweisung: Und worum geht’s?
Na gut, es ließe sich natürlich sagen, dass es um die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geht, um den Zerfall Jugoslawiens, die Kriege, die diesen einleiteten und ihm nachfolgten, um ganz allgemein eine Kontinuität von Gewalt, die bis in den deutschen Osten der Nachwende führt und von dort auf Umwegen, nämlich über Nordrhein-Westfalen, wieder auf den Balkan, um das Kino und speziell die Verfilmungen der Kolportage-Kracher von Karl May und das daran mitwirkende Personal, und all das ist zwar lange noch nicht alles, aber alles auch nicht falsch. Nur, es ist vielleicht nicht der Kern.
Clemens Meyers Text, wie gesagt, arbeitet nach wie vor in einem, und man lässt ihn da auch bis auf Weiteres gerne machen. Weil man in diesen Text irgendwie hineingeraten ist wie Bastian Balthasar Bux aus Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ auf den Dachboden seiner Schule. Dort also galt es den Staub von diesem so brandneuen wie gleichwohl geheimnisvollen Buch zu pusten und in der irgendwie unendlichen Geschichte von Clemens Meyer zu lesen, wie im Fieber – und trotzdem mit Geduld, denn durch Clemens Meyers Text ist neben anderem auch das Verständnis dessen frisch herausgefordert, was in geradezu empörender Eindimensionalität oft lapidar als „Zeit“ bezeichnet wird. Was aber ist Zeit genau und wie wirkt sie in sich fort?
Clemens Meyer hat einmal gesagt, er habe „manchmal das Gefühl, dass die Gegenwart ein Phantom ist“ – und er trägt als Erkenntnis noch immer einen Satz mit sich herum, den die durch Meyer intensiv studierte Christa Wolf einst bei William Faulkner entlieh für den Anfang ihrer „Kindheitsmuster“: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.“ Auch daran ist zu denken, wenn in der auf mehr als 1000 Seiten sich ausdehnenden Geschichte zitternde, weil unter einer Art Strom stehende Ellipsen sich in immer wieder neuen Konstellationen überlappen. Zeiten, Orte und Seelen verschieben sich ineinander, es entsteht aus ihrer Summe ein nur nach außen starr-monumentales Gebilde, das als Ganzes zwar immer weiter vor- und heranrückt an nicht weniger als den geschätzten Leser – nach innen aber beweglich und für sämtliche Überraschungen gut bleibt.
Wer nach Inaugenscheinnahme von Christopher Nolans Film „Tenet“ mit vor Anstrengung glühenden Bäckchen und nichts als Kabelsalat im Kopf aus dem Kino stolperte, der wird auch an Meyers „Die Projektoren“ mit Bewunderung verzweifeln. Es kollidieren „Züge aus der Vergangenheit mit Zügen aus der Zukunft“, es gibt Truppentransporte der Nato in das, was vielleicht eine Vergangenheit ist. Apokalyptische Feuerwerke knallen in Träumen herum, wobei dann aber leider niemand gerade einen Brummkreisel dabeihat, um zu überprüfen, ob das Geschilderte in der erzählten Welt nun echt sei oder „all what we see or seem, is but a dream inside a dream“ – es taucht außerdem ein „Fragmentarist“ auf, der mal in Leipzig einsitzt in dem, was man früher Klapse nannte, und der von dort aber die Welt und die Zeit offenbar so geschickt fragmentiert, dass er weder Gottes noch Scottys Hilfe benötigt, um sich von jetzt auf gestern überallhin zu beamen. Man müsse, deklamiert ein Experte aus dem vor Ort versammelten Rat, „bei allen Zweifeln und Vorbehalten ... wohl der Tatsache ins Auge schauen, dass da ein Mann ... die Gesetzmäßigkeiten von Zeit und Raum außer Kraft setzt“ – worauf ein Kollege entgegnet, er sehe das „etwas weniger dramatisch ... vielleicht schaut er ja nur ein bisschen in die Zukunft“.
Tja, „was sind schon die richtigen Erinnerungen, und wo beginnen die Träume und wo die Märchen?“ Statt auf Antworten zu hoffen, lässt man sich besser umstürmen, was allerdings und angenehmerweise im vorliegenden Fall nur gelingt, wenn man sich gegen innere Widerstände und womöglich sogar unter größerer Anstrengung wirklich einlässt auf diesen Text. Die Kunst des Monteurs Meyer besteht ja auch darin, dass er unheimlich viel anbietet unterwegs bei diesem langen Aufstieg. Man weiß dann zwar nicht immer, worauf man noch neugierig ist, aber man bleibt es.
Was also ist da unterwegs? Meyer schreibt Szenen, die aus dem Nichts beschleunigen, bis beim Lesen der Atem stockt. Da bricht nach dem biografischen Anriss einer Stimme („ich bin im niedrigsten tiefsten Ardistan geboren, ein Lieblingskind der Not ...“) der Krieg ins Kinderzimmer ein, als Traum oder Metapher, Verschränkung oder Halluzination. Auf dem Boden jedenfalls liegen schon Stabpuppen durcheinander, Cowboys, Indianer, NVA-Soldaten, dann grollt frischer Donner heran aus der Stadt, sowjetische MiGs.
Meyer entwirft außerdem Bilder, die in der Kürze nur weniger Wörter tiefdunkel funkeln. Einmal ist die Rede „vom Schloss der schwarzen Königin im Inneren des großen Felsen“, ein Kapitel beginnt mit folgendem Satz, an dessen Ende man Nägel kauen möchte: „Unterm Eis eines großen Flusses, der durch eine sehr alte Stadt in der südöstlichen Mitte der Welt floss, trieb eine junge Frau.“ Dann aber wandelt sich die Sprache auch wieder mit, wenn es albern wird oder die sächsische Mundart zum Spielen einlädt. Da treibt dann also keine Frau unter Wasser, sondern da streiten sich ein Indianer und ein Cowboy, also zwei Kostümfilmhelden, ob der „China-Imbiss“ am Set nahe dem Tulove Grede in Kroatien in Wahrheit von Vietnamesen betrieben werde.
Überhaupt, na klar: Die Typen, in Sachsen ließe sich auch „Kunden“ sagen, sind eine Spezialität des Autors Meyers. Es tauchen alle möglichen Sonderlinge und Randgestalten auf, und noch nicht der komischste Fall ist der des rechtsdrehenden Heulers Franko Müller aus Dortmund, der bald als „Franko Nemo“ im Krieg in Kroatien mitmischen möchte und der auf die Nachfrage, warum er sich für den Spitznamen Nemo entschieden habe, schlüssig mitteilt: „Und außerdem: Franko Müller zieht in den Krieg, das klingt doch scheiße!“
Das vielleicht einzige wirklich greifbare Zentrum von „Die Projektoren“ ist dabei eine Figur namens Cowboy, der sich mit Titos Partisanen gegen die Nazis auflehnt, sich später beim Kostümfilm durchschlägt und mit einer Frau durchbrennt und dessen wunderlicher, windungsreicher Weg selbst da noch immer nicht zu Ende ist. Es ist mal wieder eine dieser Figuren, von denen man annimmt, dass im Grunde nur Meyer sie sich ausdenken kann, der nicht nur als Schriftsteller dem Saloon schon immer näher war als dem Salon und durch seine ältliche Brille immer aus einem leicht anderen Winkel als andere in die Welt zu lugen scheint.
Im Sommer, auf einer publizistisch inzwischen bis auf die Knochen ausgeweideten Busfahrt seines Verlags von Leipzig nach Berlin, ließ sich das mal wieder beobachten. Man stand erst um den Bus herum, es waren – wie man das von Meyer erwartet, ohne je enttäuscht worden zu sein – neben dem üblichen Personal aus Buchhandel und Journalismus auch ein paar angenehm undurchsichtige Gestalten dabei, seltene Sonnenbrillen, gegelte Haare. Auf der Fahrt selbst überlegte Meyer dann im Gespräch, wann es eigentlich losging mit der lebensabschnittslangen Arbeit an „Die Projektoren“.
Vielleicht noch nicht vor zehn Jahren, als bei einem Einbruch in seine Wohnung in Anger-Crottendorf unter anderem ein Luftgewehr verschwand, „ein guter Suhler Durchlader“, wie Meyer hernach öffentlich zu Protokoll gab, direkt vor folgender Kampfansage an alle künftigen Angreifer: „Ich errichte ein Fort im wilden Apachenland Leipzig-Ost. Ich bin noch da, ihr Schweine!“ In diesem Sommer ist dann Meyers Opel Vectra, Baujahr 1995, endgültig ausgedampft, weit nachdem er unter anderem noch Recherchefahrten für „Die Projektoren“ bis nach Pristina klaglos abgestottert hatte.
Als Kind wurde Clemens Meyer direkt bestrahlt mit den Karl-May-Filmen in der Defa-Ausführung, Filmen von einer Naivität, wie sie heute kaum noch vorstellbar ist. Da, wo diese naiven Filme gedreht wurden, im ehemaligen Jugoslawien, brachen bald echte Kriege aus. In „Die Projektoren“ überlagern sich diese und andere Bilder, sie schieben sich ineinander. „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen“, schrieb Faulkner, schrieb Wolf. Und Wolf fügte als zweiten Satz hinzu: „Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.“
Und worum geht es hier?
Um den Zerfall von
Jugoslawien, um Karl May?
„Ich errichte ein Fort im
wilden Apachen-Gebiet
Leipzig-Ost!“
Clemens Meyer hat einmal gesagt, er habe „manchmal das Gefühl, dass die Gegenwart ein Phantom ist“.
Foto: Thomas Lohne / Getty
Clemens Meyer:
Die Projektoren.
Roman. S. Fischer,
Frankfurt am Main 2024. 1047 Seiten, 32 Euro.
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