Im zweiten Kabinett unter Ministerpräsident Ehard trägt die CSU erstmals allein die Regierungsverantwortung. Mit Josef Müller (dem "Ochsensepp") gehört jetzt auch der Landesvorsitzende der CSU dem Kabinett an. Im Mittelpunkt der 54 Ministerratsprotokolle des ersten Bandes für die Jahre 1947/1948 stehen das Verhältnis zur amerikanischen Militärregierung, hier insbesondere der Konflikt über die Schulreform, die kritische Lebensmittel- und Energieversorgung sowie die Flüchtlingssituation und die Abwicklung der Entnazifizierung. Als Folge der Versorgungsengpässe war die Staatsregierung mit zahlreichen Streiks konfrontiert. Weitere Schwerpunkte dieses Bandes bilden die Reform des Wirtschaftsrates in Frankfurt Anfang 1948, die Währungsreform im Juni 1948 und die föderalistische Verfassungsdiskussion nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente (1. Juli 1948) und dem Beginn der Grundgesetzberatungen im Parlamentarischen Rat in Bonn. In den ausführlichen Verlaufsprotokollen gewinnen die Akteure ein deutliches Profil, zum Beispiel der selbstbewusst auftretende neue Wirtschaftsminister Hanns Seidel, 1957-1960 bayerischer Ministerpräsident. Die Kommentierung wertet erstmals die Akten der Bayerischen Staatskanzlei im Bayerischen Hauptstaatsarchiv umfassend aus. Eine detaillierte Einleitung informiert über die Bildung des Kabinetts, seine Mitglieder und die Schwerpunkte der Regierungstätigkeit; Personen-, Orts- und Sachregister erschließen die Edition.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auch der vierte Band mit den Protokollen des Bayerischen Ministerrats, der die Sitzungen des zweiten Kabinett Ehards vom 24. September 1947 bis 22. Dezember 1948 umfasst, hat Rezensent Günther Buchstab rundum überzeugt. Respekt zollt Buchstab insbesondere dem Bearbeiter Karl-Ulrich Gelberg, der die Protokolle mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat "mustergültig" kommentiert und mit einem "detaillierten Register" erschlossen habe. In seiner "kenntnisreichen" Einleitung schildere Gelberg neben der Quellenlage die Bildung, Veränderungen und Mitglieder des Kabinetts sowie die Schwerpunkte der Regierungstätigkeit und der Anteil der einzelnen Minister. Insgesamt biete die Edition "reichhaltiges und vorzügliches Anschauungsmaterial" für die schwierigen, an parteiinternen Auseinandersetzungen reichen Anfangsjahre der CSU in der unmittelbaren Nachkriegszeit.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2005Weiß-blaue Gewichte
BAYERN. Auch den fünften Band der Protokolle des Bayerischen Ministerrats für das Jahr 1949 hat Karl-Ulrich Gelberg vorbildlich bearbeitet. Seine Einleitung faßt kenntnisreich die Schwerpunkte der Arbeit der Landesregierung zusammen. Bis zum Inkrafttreten des Besatzungsstatuts - und auch danach - greift die amerikanische Militärregierung energisch ein, wenn sie die demokratische Erneuerung gefährdet sieht. Sie verhindert die Einrichtung von "Flüchtlingswahlkreisen" bei den Wahlen zum ersten Bundestag, stoppt den "Loritz-Prozeß" gegen den ehemaligen Staatsminister während dessen Kandidatur zum Bundestag und wendet sich - allerdings vergeblich - gegen die Einrichtung von Bekenntnisschulen. Der Nachkriegsalltag bestimmt 1949 die politischen Themen: Flüchtlingsfragen, Lastenausgleich, Kriegsopferversorgung, Kriegsheimkehrer, Wohnungsbau, Pflege der KZ-Gedenkstätten als staatliche Aufgabe nach dem Auffinden von Massengräbern beim Konzentrationslager Dachau werden ausgiebig erörtert, nicht hingegen die Arbeitslosigkeit, obwohl ein Viertel der westdeutschen Arbeitslosen in Bayern wohnt. In der Landesregierung setzt sich immer stärker Wirtschaftsminister Hanns Seidel durch, das aktivste Mitglied im Kabinett. Seidl zieht die für die Zukunft wegweisende Kompetenz für Landesplanung in sein Haus. Die Beratungen zum Grundgesetz, zur Konstituierung der Bundesrepublik, zum Arbeitsbeginn der obersten Bundesorgane, vor allem des Bundesrats, zum Aufbau der Bayerischen Vertretung beim Bund, zur Gesetzgebung des Bundes und generell zur Positionierung Bayerns im Bund und im Bundesrat sind Schwerpunkte der Sitzungen. Nicht protokolliert wurden die Beratungen zum Grundgesetz, dem Bayern nicht zustimmte. Etwas verwunderlich ist dann die tiefe Enttäuschung von Hans Ehard, daß nicht er, sondern sein Düsseldorfer Ministerpräsidentenkollege Karl Arnold zum ersten Präsidenten des Bundesrats gewählt wurde. Das bayerische Kabinett setzte starke föderale Eckpunkte. So forderte Bayern, an fachbezogenen Ressortministerkonferenzen der Länder, zum Beispiel der Kultusministerkonferenz, festzuhalten. Es sei für die Länder zwingend notwendig, auch ohne Mitwirkung der Bundesregierung und außerhalb des Bundesrates ihre Interessen untereinander abzustimmen. (Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945-1954. Herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Das Kabinett Ehard II: 20. September 1947 bis 18. Dezember 1950. Band 2: 1949. Bearbeitet von Karl-Ulrich Gelberg. R. Oldenbourg Verlag, München 2005. CXIV und 501 Seiten, 59,80 [Euro].)
HANS JOCHEN PRETSCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
BAYERN. Auch den fünften Band der Protokolle des Bayerischen Ministerrats für das Jahr 1949 hat Karl-Ulrich Gelberg vorbildlich bearbeitet. Seine Einleitung faßt kenntnisreich die Schwerpunkte der Arbeit der Landesregierung zusammen. Bis zum Inkrafttreten des Besatzungsstatuts - und auch danach - greift die amerikanische Militärregierung energisch ein, wenn sie die demokratische Erneuerung gefährdet sieht. Sie verhindert die Einrichtung von "Flüchtlingswahlkreisen" bei den Wahlen zum ersten Bundestag, stoppt den "Loritz-Prozeß" gegen den ehemaligen Staatsminister während dessen Kandidatur zum Bundestag und wendet sich - allerdings vergeblich - gegen die Einrichtung von Bekenntnisschulen. Der Nachkriegsalltag bestimmt 1949 die politischen Themen: Flüchtlingsfragen, Lastenausgleich, Kriegsopferversorgung, Kriegsheimkehrer, Wohnungsbau, Pflege der KZ-Gedenkstätten als staatliche Aufgabe nach dem Auffinden von Massengräbern beim Konzentrationslager Dachau werden ausgiebig erörtert, nicht hingegen die Arbeitslosigkeit, obwohl ein Viertel der westdeutschen Arbeitslosen in Bayern wohnt. In der Landesregierung setzt sich immer stärker Wirtschaftsminister Hanns Seidel durch, das aktivste Mitglied im Kabinett. Seidl zieht die für die Zukunft wegweisende Kompetenz für Landesplanung in sein Haus. Die Beratungen zum Grundgesetz, zur Konstituierung der Bundesrepublik, zum Arbeitsbeginn der obersten Bundesorgane, vor allem des Bundesrats, zum Aufbau der Bayerischen Vertretung beim Bund, zur Gesetzgebung des Bundes und generell zur Positionierung Bayerns im Bund und im Bundesrat sind Schwerpunkte der Sitzungen. Nicht protokolliert wurden die Beratungen zum Grundgesetz, dem Bayern nicht zustimmte. Etwas verwunderlich ist dann die tiefe Enttäuschung von Hans Ehard, daß nicht er, sondern sein Düsseldorfer Ministerpräsidentenkollege Karl Arnold zum ersten Präsidenten des Bundesrats gewählt wurde. Das bayerische Kabinett setzte starke föderale Eckpunkte. So forderte Bayern, an fachbezogenen Ressortministerkonferenzen der Länder, zum Beispiel der Kultusministerkonferenz, festzuhalten. Es sei für die Länder zwingend notwendig, auch ohne Mitwirkung der Bundesregierung und außerhalb des Bundesrates ihre Interessen untereinander abzustimmen. (Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945-1954. Herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Das Kabinett Ehard II: 20. September 1947 bis 18. Dezember 1950. Band 2: 1949. Bearbeitet von Karl-Ulrich Gelberg. R. Oldenbourg Verlag, München 2005. CXIV und 501 Seiten, 59,80 [Euro].)
HANS JOCHEN PRETSCH
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