Der Band stellt Schinkels Arbeiten für die östlichen und nordöstlichen Provinzen der preußischen Monarchie vor, die heute zu Polen, Rußland und Litauen gehören. Der 18. Band des 'Karl Friedrich Schinkel Lebenswerkes' behandelt die Arbeiten des Architekten für die östlichen und nordöstlichen Provinzen der preußischen Monarchie. Karl Friedrich Schinkels Entwürfe für diese Gebiete umfassen fast seine gesamte Schaffenszeit. Den größten Komplex bilden die für die vom Krieg 1806 und 1813 belasteten und konfessionell heterogenen Gebiete so wichtigen Kirchen. Sie zeigen in einer chronologischen Abfolge von Typen die Entwicklungsgeschichte von Schinkels Kirchenbau außerhalb der Hauptstadt. Unter den denkmalpflegerischen Aufgaben ist die Restaurierung und Ausstattung der Marienburg die wichtigste. Sie ist mit dem Beginn der historischen Glasmalerei verknüpft und der Hauptpunkt für schöpferische Impulse zu eigenen Werken. Der erstmals vollständig abgedruckte und kommentierte Bericht seiner Dienstreise durch diese Provinzen von 1834 zeigt Schinkels kulturgeschichtliche Aufmerksamkeit nicht nur für die zeitgenössischen und die zu bewahrenden historischen Bauten, sondern auch für Molenanlagen und Dünenpflanzungen der Küste und die ökologischen Probleme infolge der Zerstörung der Wälder.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2004Die Kontrolle des Direktors am Bau
Eva Börsch-Supan folgt Karl Friedrich Schinkel durch die Provinzen Ost- und Westpreußen
Die Entstehungsgeschichte des achtzehnten Bandes über das Lebenswerk Karl Friedrich Schinkels, gewidmet den Provinzen Ost- und Westpreußen, reicht weit zurück. In den dreißiger Jahren war der Königsberger Jurist Carl von Lorck mit dieser Aufgabe betraut worden. Sein Pech bestand darin, daß er seine Aufzeichnungen gegen Kriegsende in ein mecklenburgisches Schloß auslagerte. Das Material ging verloren. Danach war an eine Wiederaufnahme des Projekts für lange Zeit nicht zu denken. Die Bestände des Schinkelmuseums verschwanden bis 1958 in sowjetischen Depots. Ein Großteil der Archivalien befand sich nun auf dem Territorium der DDR, Polens und der Sowjetunion und war damit praktisch unzugänglich.
Noch 1977, als Eva Börsch-Supan von Margarete Kühn, der damaligen Herausgeberin des Schinkel-Werks, den Auftrag zur Bearbeitung des Bandes erhielt, waren die Archivstudien kein leichtes Unterfangen. In Polen konnte sie auf die Hilfe von Kollegen zurückgreifen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wurde alles viel einfacher, sogar in den bis dahin verschlossenen Archiven im Königsberger Gebiet. Doch mittlerweile war die Bearbeiterin mit einem anderen Projekt beschäftigt. Erst 1997 konnte sie die Arbeiten wiederaufnehmen.
Das Ergebnis wiegt drei Kilo. Es ist nicht nur ein akribisch bearbeitetes, voluminöses Inventar, das neben dem erhaltenen, in weiten Teilen in Vergessenheit geratenen Baubestand zahllose zerstörte Gebäude und unausgeführte Projekte dokumentiert. Das Kompendium beleuchtet die historischen und die administrativen Voraussetzungen der Tätigkeit Schinkels für die Ostprovinzen, die, mit Ausnahme Ostpreußens, erst durch die Polnischen Teilungen von 1772 und 1793 an Preußen gefallen waren. So widmet sich ein Kapitel der "Oberbaudeputation", der höchsten Kontrollbehörde des preußischen Bauwesens, in der Schinkel seit 1810 für das "ästhetische Fach" zuständig war, bis er 1830 ihre Direktion übernahm. Seine Aufgabe bestand in der Prüfung sämtlicher öffentlicher Bauvorhaben, einschließlich der Kirchen, deren Errichtung vom König finanziell gefördert wurde.
Die Entwürfe, die er von lokalen Baumeistern zugeschickt bekam, waren meist kläglich bis desaströs. Denn ähnlich wie in unserer Zeit wollte auch damals niemand in den als rückständig verrufenen Osten versetzt werden, so daß es dort an gut ausgebildeten Bauleuten mangelte. Dementsprechend mußte Schinkel die meisten Projekte überarbeiten oder Gegenentwürfe anfertigen. Dieses Amt bereitete ihm nicht immer Vergnügen, er versah es aber mit preußischer Akkuratesse und persönlichem Engagement. Schließlich bot ihm die Machtstellung in der Oberbaudeputation die Möglichkeit, der gesamten staatlichen Bauproduktion seine architektonischen Vorstellungen aufzuprägen. Gerade in bezug auf die Ostgebiete begriff er diese Aufgabe als ästhetische Mission.
Der Band dokumentiert weit über hundert Bauprojekte, an denen Schinkel beteiligt war, sei es durch eigene Entwürfe oder durch Gutachten, mit denen er auf die Planung Einfluß nahm. Zu ihnen gehören etwa die Kunsthalle und die erst nach seinem Tod von Stüler errichtete Universität in Königsberg, das in der Nachfolge der Berliner Bauakademie als unverputzter Ziegelbau ausgeführte Regierungsgebäude in Gumbinnen, das städtische Gymnasium in Danzig oder auch das Denkmal der polnischen Herrscher Miecislaus und Boleslaus im Posener Dom. Den größten Teil der Bauten machen die Kirchen aus, darunter viele Variationen des von Schinkel entwickelten Standardtyps der "Normalkirche", aber auch so eigenwillige Schöpfungen wie die Altstädtische Kirche in Königsberg mit ihren Trichtergewölben. Hinzu kommen Schloßbauten im Auftrag des Adels, allen voran das Jagdschloß des Fürsten Radziwill in Antonin, ein in Fachwerk errichteter Zentralbau mit einem so fulminanten wie bizarren Saal in der Mitte, der zu Schinkels kühnsten Werken gezählt wird.
Ein Tätigkeitsgebiet, dem sich Schinkel mit besonderer Leidenschaft widmete, war die Denkmalpflege. Sein in dem Band erstmals vollständig abgedruckter Reisebericht von 1834 vermittelt den Eindruck, daß ihm in Ost- und Westpreußen der Erhalt von Zeugnissen der großen Vergangenheit der Provinz noch mehr am Herzen lag als ihre unterentwickelte aktuelle Bauproduktion. Berühmt ist sein Einsatz für die Rettung der Marienburg, der als Meilenstein in der Geschichte der Denkmalpflege gilt. Auch an anderen Orten kämpfte er unermüdlich - gelegentlich mit Erfolg - gegen die Abbrüche historischer Bauten, vor allem solcher aus der Zeit der von ihm verehrten Gotik. Als "stumpfsinnige Philister" prangerte er die Verantwortlichen an.
Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, daß ein ähnliches Schicksal eineinhalb Jahrhunderte später auch zahllose Bauten Schinkels traf. Manchmal blieben Spolien übrig. So zum Beispiel im Falle der im Krieg ausgebrannten, aber erst 1959 abgebrochenen Altstädtischen Kirche in Königsberg: Ihre Säulen wurden in das Portal eines Stadions eingebaut. Wieder einmal waren stumpfsinnige Philister am Werk. Doch diesmal gab es niemanden, der ihrer Barbarei Einhalt gebieten konnte.
ARNOLD BARTETZKY
Eva Börsch-Supan: "Karl Friedrich Schinkel". Die Provinzen Ost- und Westpreußen und das Großherzogtum Posen. Unter Mitwirkung von Zofia Ostrowska-Keblowska. Herausgegeben von Helmut Börsch-Supan und Gottfried Riemann. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2003. Karl Friedrich Schinkel: Lebenswerk, Band XVIII. 746 S., 600 Abb., 2 Karten, geb., 148,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eva Börsch-Supan folgt Karl Friedrich Schinkel durch die Provinzen Ost- und Westpreußen
Die Entstehungsgeschichte des achtzehnten Bandes über das Lebenswerk Karl Friedrich Schinkels, gewidmet den Provinzen Ost- und Westpreußen, reicht weit zurück. In den dreißiger Jahren war der Königsberger Jurist Carl von Lorck mit dieser Aufgabe betraut worden. Sein Pech bestand darin, daß er seine Aufzeichnungen gegen Kriegsende in ein mecklenburgisches Schloß auslagerte. Das Material ging verloren. Danach war an eine Wiederaufnahme des Projekts für lange Zeit nicht zu denken. Die Bestände des Schinkelmuseums verschwanden bis 1958 in sowjetischen Depots. Ein Großteil der Archivalien befand sich nun auf dem Territorium der DDR, Polens und der Sowjetunion und war damit praktisch unzugänglich.
Noch 1977, als Eva Börsch-Supan von Margarete Kühn, der damaligen Herausgeberin des Schinkel-Werks, den Auftrag zur Bearbeitung des Bandes erhielt, waren die Archivstudien kein leichtes Unterfangen. In Polen konnte sie auf die Hilfe von Kollegen zurückgreifen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wurde alles viel einfacher, sogar in den bis dahin verschlossenen Archiven im Königsberger Gebiet. Doch mittlerweile war die Bearbeiterin mit einem anderen Projekt beschäftigt. Erst 1997 konnte sie die Arbeiten wiederaufnehmen.
Das Ergebnis wiegt drei Kilo. Es ist nicht nur ein akribisch bearbeitetes, voluminöses Inventar, das neben dem erhaltenen, in weiten Teilen in Vergessenheit geratenen Baubestand zahllose zerstörte Gebäude und unausgeführte Projekte dokumentiert. Das Kompendium beleuchtet die historischen und die administrativen Voraussetzungen der Tätigkeit Schinkels für die Ostprovinzen, die, mit Ausnahme Ostpreußens, erst durch die Polnischen Teilungen von 1772 und 1793 an Preußen gefallen waren. So widmet sich ein Kapitel der "Oberbaudeputation", der höchsten Kontrollbehörde des preußischen Bauwesens, in der Schinkel seit 1810 für das "ästhetische Fach" zuständig war, bis er 1830 ihre Direktion übernahm. Seine Aufgabe bestand in der Prüfung sämtlicher öffentlicher Bauvorhaben, einschließlich der Kirchen, deren Errichtung vom König finanziell gefördert wurde.
Die Entwürfe, die er von lokalen Baumeistern zugeschickt bekam, waren meist kläglich bis desaströs. Denn ähnlich wie in unserer Zeit wollte auch damals niemand in den als rückständig verrufenen Osten versetzt werden, so daß es dort an gut ausgebildeten Bauleuten mangelte. Dementsprechend mußte Schinkel die meisten Projekte überarbeiten oder Gegenentwürfe anfertigen. Dieses Amt bereitete ihm nicht immer Vergnügen, er versah es aber mit preußischer Akkuratesse und persönlichem Engagement. Schließlich bot ihm die Machtstellung in der Oberbaudeputation die Möglichkeit, der gesamten staatlichen Bauproduktion seine architektonischen Vorstellungen aufzuprägen. Gerade in bezug auf die Ostgebiete begriff er diese Aufgabe als ästhetische Mission.
Der Band dokumentiert weit über hundert Bauprojekte, an denen Schinkel beteiligt war, sei es durch eigene Entwürfe oder durch Gutachten, mit denen er auf die Planung Einfluß nahm. Zu ihnen gehören etwa die Kunsthalle und die erst nach seinem Tod von Stüler errichtete Universität in Königsberg, das in der Nachfolge der Berliner Bauakademie als unverputzter Ziegelbau ausgeführte Regierungsgebäude in Gumbinnen, das städtische Gymnasium in Danzig oder auch das Denkmal der polnischen Herrscher Miecislaus und Boleslaus im Posener Dom. Den größten Teil der Bauten machen die Kirchen aus, darunter viele Variationen des von Schinkel entwickelten Standardtyps der "Normalkirche", aber auch so eigenwillige Schöpfungen wie die Altstädtische Kirche in Königsberg mit ihren Trichtergewölben. Hinzu kommen Schloßbauten im Auftrag des Adels, allen voran das Jagdschloß des Fürsten Radziwill in Antonin, ein in Fachwerk errichteter Zentralbau mit einem so fulminanten wie bizarren Saal in der Mitte, der zu Schinkels kühnsten Werken gezählt wird.
Ein Tätigkeitsgebiet, dem sich Schinkel mit besonderer Leidenschaft widmete, war die Denkmalpflege. Sein in dem Band erstmals vollständig abgedruckter Reisebericht von 1834 vermittelt den Eindruck, daß ihm in Ost- und Westpreußen der Erhalt von Zeugnissen der großen Vergangenheit der Provinz noch mehr am Herzen lag als ihre unterentwickelte aktuelle Bauproduktion. Berühmt ist sein Einsatz für die Rettung der Marienburg, der als Meilenstein in der Geschichte der Denkmalpflege gilt. Auch an anderen Orten kämpfte er unermüdlich - gelegentlich mit Erfolg - gegen die Abbrüche historischer Bauten, vor allem solcher aus der Zeit der von ihm verehrten Gotik. Als "stumpfsinnige Philister" prangerte er die Verantwortlichen an.
Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, daß ein ähnliches Schicksal eineinhalb Jahrhunderte später auch zahllose Bauten Schinkels traf. Manchmal blieben Spolien übrig. So zum Beispiel im Falle der im Krieg ausgebrannten, aber erst 1959 abgebrochenen Altstädtischen Kirche in Königsberg: Ihre Säulen wurden in das Portal eines Stadions eingebaut. Wieder einmal waren stumpfsinnige Philister am Werk. Doch diesmal gab es niemanden, der ihrer Barbarei Einhalt gebieten konnte.
ARNOLD BARTETZKY
Eva Börsch-Supan: "Karl Friedrich Schinkel". Die Provinzen Ost- und Westpreußen und das Großherzogtum Posen. Unter Mitwirkung von Zofia Ostrowska-Keblowska. Herausgegeben von Helmut Börsch-Supan und Gottfried Riemann. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2003. Karl Friedrich Schinkel: Lebenswerk, Band XVIII. 746 S., 600 Abb., 2 Karten, geb., 148,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Beeindruckt zeigt sich Rezensent Arnold Bartetzky vom achtzehnten Band über das Lebenswerk Karl Friedrich Schinkels, den Eva Börsch-Supan nach langwieriger Arbeit fertiggestellt hat. Neben dem erhaltenen, in weiten Teilen in Vergessenheit geratenen Baubestand dokumentiere Börsch-Supan auch zahllose zerstörte Gebäude und unausgeführte Projekte in den früheren Provinzen Ost- und Westpreußen. Zudem beleuchte sie die historischen und die administrativen Voraussetzungen der Tätigkeit Schinkels für die Ostprovinzen. Als Direktor der "Oberbaudeputation", der höchsten Kontrollbehörde des preußischen Bauwesens, habe Schinkel sämtliche öffentliche Bauvorhaben, einschließlich der Kirchen, prüfen müssen, wobei die Entwürfe, die er von lokalen Baumeistern zugeschickt bekam, meist kläglich bis desaströs gewesen seien. So dokumentiere der Band weit über hundert Bauprojekte, an denen Schinkel durch eigene Entwürfe oder durch Gutachten beteiligt gewesen. Anhand Schinkels Reisebericht von 1834, der im Band erstmals vollständig abgedruckt ist, mache Börsch-Supan ferner darauf aufmerksam, dass sich Schinkel auch leidenschaftlich der Denkmalpflege widmete.
© Perlentaucher Medien GmbH
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