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Der Psychologe Stuart Vyse erklärt, warum wir abergläubisch sind und auch in unserem modernen Zeitalter so hartnäckig daran festhalten. Anhand von Beispielen aus dem Alltag deckt er die zugrundeliegenden psychologischen Prozesse auf. Seine Überlegungen reichen zurück bis zu den kulturellen Ursprüngen abergläubischer Handlungen und zeigen den Zusammenhang mit dem Entstehungsprozeß unserer kognitiven Fähigkeiten auf.

Produktbeschreibung
Der Psychologe Stuart Vyse erklärt, warum wir abergläubisch sind und auch in unserem modernen Zeitalter so hartnäckig daran festhalten. Anhand von Beispielen aus dem Alltag deckt er die zugrundeliegenden psychologischen Prozesse auf. Seine Überlegungen reichen zurück bis zu den kulturellen Ursprüngen abergläubischer Handlungen und zeigen den Zusammenhang mit dem Entstehungsprozeß unserer kognitiven Fähigkeiten auf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Schnurrli, was ficht dich an?
Stuart A. Vyse kennt bunten Blödsinn, albernen Aberglauben und Torheit total / Von Ernst Horst

Freeman Dyson, keine Schönheit, aber ein berühmter Physiker, hat einmal gesagt, dass Zwillinge wie er nicht an Astrologie glaubten. Der Rezensent ist auch Zwilling. Unglücklicherweise ist es aber eher ein Handicap, nicht an Astrologie zu glauben. Wenn man zusätzlich die Toskana verachtet und keine Glotze besitzt, wird man schnell zum bemitleideten Exoten, mit dem auf der Party keines der liebreizenden Geschöpfe länger redet.

Stuart A. Vyse, der Autor von "Die Psychologie des Aberglaubens", ist vermutlich auch so ein Zwilling. Nur hat er aus der Not eine Tugend gemacht. Er ist Psychologie-Professor am Connecticut College und hat über den Aberglauben geforscht. Für sein Buch hat er den William James Book Award der American Psychological Society bekommen. Und so kann man auch bereits ahnen, um was für ein Werk es sich handelt: Das Thema Aberglauben wird sehr seriös in einem psychologischen Kontext abgehandelt. Der Leser bekommt eine breite Einführung in die relevanten Teile der Psychologie, alles sehr wissenschaftlich, aber vielleicht auch ein klein wenig zu professoral. Nichts, was man den liebreizenden Geschöpfen von der Party empfehlen möchte, wenn man ihnen erklären will, warum Astrologie Humbug ist.

Was ist Aberglauben? "Glaubenssätze oder Praktiken, die eigentlich unbegründet sind und dem Kenntnisstand nicht entsprechen, den die Gesellschaft, zu der man gehört, erreicht hat." Diese Definition von Judd Marmor reicht für einen einführenden Text über das Thema aus. Vyse beschränkt sich auf den Kernbereich des Aberglaubens. Er verzichtet darauf, anhand von Grenzfällen zu diskutieren, wo der Aberglaube aufhört. Das erspart ihm viele müßige Kontroversen. Die Gretchenfrage, inwieweit manche Religion auch abergläubische Elemente enthält, stellt er nicht. Das kann man nach der Lektüre des Buchs für sich selbst entscheiden.

Der Glaube, dass schwarze Katzen Unglück bringen, ist ein typisches Beispiel. Erstens gibt es keinen für einen intelligenten Mitteleuropäer des zwanzigsten Jahrhunderts auch nur im Geringsten plausiblen Mechanismus, der erklären würde, wie uns die Katze schadet. Und zweitens handelt es sich um eine Sache, die so konkret ist, dass man sie prinzipiell empirisch nachprüfen könnte (Man nehme zweitausend Versuchspersonen mit verbundenen Augen und lasse entweder eine weiße oder eine schwarze Katze vor ihnen vorbeilaufen). Wobei es aber gerade bezeichnend ist, dass kein Wissenschaftler meschugge genug wäre, das Experiment tatsächlich durchzuführen.

Warum es überhaupt so etwas wie Aberglauben gibt, kann man vielleicht aus Tierversuchen lernen. B. F. Skinner veröffentlichte 1948 den Aufsatz ",Superstition' in the Pigeon". Er hatte hungrige Tauben in einen Kasten gesperrt, in dem sie regelmäßig und völlig automatisch Nahrung bekamen. Trotzdem entwickelten die Tiere individuelle Rituale, um sich ihr Futter zu verdienen. Was sie zufällig gerade taten, als sie die ersten Portionen bekamen, setzten sie fort. Und bei Licht betrachtet ist das auch gar keine dumme Taktik. Wenn ich Klavier spiele und Glück bei den Frauen habe, werde ich mir natürlich kein Saxofon kaufen. Kausaler Zusammenhang hin oder her, das Wichtige ist das Glück!

Eine häufige Ursache für abergläubische Handlungen ist die Tatsache, dass die meisten Menschen keine Kenntnis von wahrscheinlichkeitstheoretischen Zusammenhängen haben und auch kein Gefühl dafür. Nehmen wir das Lottospiel. Viele tippen Zahlen, die lange nicht gezogen wurden, andere gerade solche, die besonders häufig aufgetreten sind. Abgesehen davon dass sich diese Strategien irgendwie widersprechen, sind sie beide abergläubisch. Jede der neunundvierzig Zahlen ist bei jeder Ziehung gleich wahrscheinlich. Das hält die Lottogesellschaften natürlich nicht davon ab, ausführliche Statistiken zu veröffentlichen. Der Aberglaube wird hier noch staatlich gefördert.

Auch die Methode, sich von den Geburtstagen der Familie zu Lottozahlen inspirieren zu lassen, macht keinen Sinn. Schließlich könnte Familie Kornberg ja ohne Weiteres die Zahlen von Familie Kronburg tippen und dann auch davon profitieren. Und zweitens sind die Zahlen von eins bis zwölf besonders häufig in solchen Kombinationen, was dann die Quoten leicht drückt, wenn sie gezogen werden. Hier haben wir also einen Fall, wo der Aberglaube im Durchschnitt zu finanziellen Nachteilen führt.

Vyse beschreibt diverse wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema. Für einen geschickten Experimentator ist es kein Problem, seine Versuchspersonen zu völlig irrationalem Verhalten zu bewegen. Deshalb wundert es einen auch nicht, dass Wahrsager, Kartenleser und Chiromanten von ihren Opfern gut leben können. Aber der Schaden dürfte sich in Grenzen halten. "There's a sucker born every minute", sagte P. T. Barnum, aber das hat evolutionstheoretisch gesehen vermutlich seinen guten Grund, bei den Tauben wie bei den Menschen. Bei der Entstehung der Arten durch natürliche Auslese kann ein wenig übertrieben gutgläubiges Vertrauen in die Artgenossen vielleicht mehr Überlebensvorteile bringen als ein hypertropher Skeptizismus.

Die Ehefrau des drittletzten amerikanischen Präsidenten hat regelmäßig ihre Hofastrologin konsultiert, ehe sie sich in die Politik einmischte. Na und? Schließlich haben die Schamanen schon immer ihren Häuptlingen die unangenehmen Wahrheiten als übersinnliche Botschaften verkauft. Ob der Schaden in diesem Fall größer war als der Nutzen, sollen die Historiker entscheiden. Vyse ist ein Rationalist, der seinen Beitrag im Kampf der Vernunft gegen das Irrationale leisten möchte. Es macht ihn sympathisch, dass er im Gegensatz zum typischen fraud buster dabei moderat bleibt.

Stuart A. Vyse: "Die Psychologie des Aberglaubens". Schwarzer Kater und Maskottchen. Aus dem Amerikanischen von Thomas Gotterbarm. Birkhäuser Verlag, Basel, Boston, Berlin 1999. 278 S., geb., 49,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zunächst zitiert der Rezensent Ernst Horst einen streng abergläubischen Satz: "Zwillinge glauben nicht an Astrologie". Das gelte leider auch für ihn und wohl auch für den Autor des vorliegenden Bandes, der das Phänomen "seriös in einem psycholgischen Kontext" abhandele. Horst betont, dass sich Vyse auf den "Kernbereich" des Aberglaubens konzentriere und der Diskussion von Grenzphänomenen ausweiche. Sympathisch mache ihn, dass er in seiner Auseinandersetzung mit dem Irrationalen nicht ins Eifern gerate.

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