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«Wer sich immer schon mal gefragt hat, wie Autor_innen arbeiten, wo die Inspiration herkommt, was und warum sie/er lesen soll, wie der Buchmarkt funktioniert, ob sie/er je wieder ein Buch kaufen oder gar schreiben soll, und wenn ja, weshalb, der sollte Tom Gauld lesen. Ich habe immer wieder laut gelacht. Die beschriebenen Szenen beziehen sich mehrheitlich auf die englischsprachige Kultur, und doch: Da ist etwas Universelles an diesen kleinen Szenen, etwas, das einen zugleich glücklich und zutiefst melancholisch stimmt.» - Dr. Gesa Schneider, Leiterin Literaturhaus Zürich

Produktbeschreibung
«Wer sich immer schon mal gefragt hat, wie Autor_innen arbeiten, wo die Inspiration herkommt, was und warum sie/er lesen soll, wie der Buchmarkt funktioniert, ob sie/er je wieder ein Buch kaufen oder gar schreiben soll, und wenn ja, weshalb, der sollte Tom Gauld lesen. Ich habe immer wieder laut gelacht. Die beschriebenen Szenen beziehen sich mehrheitlich auf die englischsprachige Kultur, und doch: Da ist etwas Universelles an diesen kleinen Szenen, etwas, das einen zugleich glücklich und zutiefst melancholisch stimmt.» - Dr. Gesa Schneider, Leiterin Literaturhaus Zürich
Autorenporträt
* 1976, wuchs in Schottland auf und lebt heute in London. Seine Comicstrips erscheinen regelmässig im Guardian, der New York Times und dem New Scientist. Zuletzt erschien sein Kinderbuch «Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin» im Moritz Verlag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2023

Vom Leid, Schriftsteller zu sein
Schreibkrisen und andere Katastrophen: Tom Gauld macht genial lustige Comicstrips über die Welt der Literatur
20 Menschen auf einer umzäunten Weide. Alle scheinen ihre Zeit zu vertun: Einige sitzen auf Stühlen rum, andere diskutieren in kleinen Grüppchen, die meisten gehen auf und ab oder schauen, am Zaun stehend, ins Weite. Im Vordergrund ein Hügel, von dem aus ein Bauernehepaar auf die Weide blickt: „Brian, nun ist es schon März und noch keiner von ihnen hat auch nur ein einziges Kapitel an seinen Agenten geschickt. Ich wünsche mir die Kühe zurück.“
Der Schotte Tom Gauld zeichnet seit 2005 wöchentlich einen Cartoon für den Londoner Guardian, immer rund um das Thema der Literatur. Autoren und ihre Schreibkrisen, Lektorengespräche, Literaturklassiker und ihre Verfilmungen, Genreparodien, Bibliothekare im ewigen Kampf um die richtige Ordnung – Gauld schafft es seit 17 Jahren, die Welt der Literatur derart lustig zu verfremden, dass nun glücklicherweise schon der zweite Sammelband mit den besten seiner Bücher-Cartoons erscheinen kann.
Viele der Zeichnungen beziehen ihre Komik daraus, dass etwas in einen fremden, konträren Kontext gesetzt wird – siehe all die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die plötzlich zur nutzlosen Herde werden. Formal arbeitet Gauld mit ähnlichen Kontrasten: Er liebt akkurat gelistete Statistiken, die den Zeichnungen zwar wissenschaftliche Patina verleihen, die aber immer mit hochgradigem Nonsens gefüllt werden. Oder er karikiert den Literaturbetrieb in Form von mathematischen Denksportaufgaben, bei denen die abschließende Frage aber weder mit Mathematik noch mit Logik zu tun hat, sondern ins wild wuchernde Unterholz unserer dunklen Emotionen abbiegt: „Anna schreibt alle 6 Monate einen neuen Roman. ¾ ihrer Romane sind Bestseller und 2/3 gewinnen Literaturpreise. – Wie sehr hasst du Anna?“
Die Bilder sind sehr aufgeräumt, man könnte sagen, im Stil der Ligne extrem claire. Die Figuren wirken in ihrer geometrischen Reduktion fast so stereotyp wie Schriftzeichen, obenauf Eierköpfe mit Strichnase und Punktaugen. Der Mund fehlt so gut wie immer, wodurch Gaulds Wesen noch stoischer wirken. Für Heideggers heroische Geworfenheit ins Da sind sie viel zu banal, sie sind halt da. Selbst wenn sie mal Zorn überkommt, wirken sie mit ihren papprollenartig erhobenen Ärmchen eher wie Statisten, die Zorn nachstellen. Wir sind acht Milliarden, das macht man sich in seiner popanzhaften individuellen Lebenswichtigkeit ja doch nur selten klar. Hier wird man permanent aufs Lustigste daran erinnert.
Gleichzeitig sind diese Menschen rührend, kennen sie doch nur eine Leidenschaft: Bücher. Lesen. Schreiben. Der Mann, der in die Felspalte stürzt und seinem Hund sagt, er solle Hilfe rufen; der Hund rennt nach Hause, kommt zurück und wirft dem Mann ein Buch zu. „Braver Hund“, lobt der Mann. – Der bibliophile Detektiv, der alle Verdächtigen in der Bibliothek versammelt, um ihnen dort dann aber nur wunderbare Erstausgaben zu zeigen. Der Antiquar, den man durch die Scheibe seines Ladens sieht, versunken in ein dickes Buch, und der das Schild an die Tür gehängt hat: „Zurück in fünf Seiten.“ Sie alle pfeifen drauf, ihre lebenstechnischen Hausaufgaben zu machen, wichtiger ist, wann der neue Knausgård erscheint.
Gary Larson anthropomorphisierte in seinen Comicstrips die gesamte Schöpfung, von Schaben über Spinnen bis hin zu Dinosauriern. Gauld ist ein Bruder im Geiste, bei ihm schreibt der Schriftsteller-Algorithmus statt des verlangten Romans lauter Mails an den Verleger, er komme „gut voran“ und werde „sehr bald fertig sein“. Ein Buch kann sich riesig darauf freuen, dass es diesen Sommer mit in den Urlaub darf, als Strandlektüre. Das Nachbarbuch kriegt bei dieser Aussicht die Krise, der enge Koffer, ölige Finger, der ganze Sand, der enge Koffer… „Hoffen wir, dass wir vom Tisch fallen und in ein ruhiges Regal gestellt werden, bis der Winter kommt.“
Selbst der Schneemann ist bei Gauld in ein Buch vertieft. Als ein Vogel vorbeikommt, um ihn zu fragen, was er da macht, schaut der Schneemann nicht mal aus den Seiten auf: „Ich lese Prousts ,Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‘“. Es wird wärmer, der Vogel schaut dem schmelzenden Schneemann beim Lesen zu. Irgendwann kommt der geschrumpfte Rumpf nicht mehr an sein Buch ran. Der Vogel liest der verbliebenen Kopfkugel vor, die versonnen lauscht. Der Vogel liest den letzten Satz „Avenuen sind flüchtig, ach! Wie die Jahre.“ – „Geschafft“, sagt der Schneerest. Sein eigenes Verschwinden ist ihm vollkommen egal. Auf dem letzten Bild schaut der treue Vogel stumm auf die Karotte und das winzige Kohlestückchen, das doch gerade noch ein lesendes Auge war.
Im Rahmen eines sehr charmanten Werkstattberichts erzählte Tom Gauld mal, wie er eigentlich einen Cartoon über Nationalismus abliefern sollte, weil im Guardian einige Bücher zu diesem Thema rezensiert wurden. Aber dann geriet ihm das Ganze unter der Hand zu etwas viel Größerem. Es lässt sich ja kaum etwas Banaleres denken als dieser Dialog: Hey Frank! – Was ist? – Schon gut, da war etwas auf Deinem Kopf, aber jetzt ist es weg. Bei Gauld aber sind es zwei Hügel, die so miteinander sprechen. Auf dem ersten Bild fällt dem linken Hügel auf, dass auf „Franks“ Kuppe eine Burg errichtet wurde, auf der die britische Fahne weht. Auf dem zweiten – „Was ist?“ – ist daraus eine Riesenstadt geworden. Auf dem dritten – „ (…) jetzt ist es weg“ –, sind nur Ruinenreste übrig. Plötzlich ist der dreiteilige Comicstrip zum großen Triptychon geworden, eine Klammer um Aufstieg und Fall des Empires, schon gut, alles nicht der Rede wert. Aber dafür plötzlich sehr, sehr lustig.
ALEX RÜHLE
Anna schreibt alle 6 Monate
einen Roman, ¾ davon Bestseller.
Wie sehr hasst man Anna?
Plötzlich ist der Comicstrip
zum Triptychon geworden zum
Aufstieg und Fall des Empires
Holzschnittartige Zeichnungen und ein extratrockener Humor: Sequenz aus „Die Rache der Bücher“.
Foto: Edition Moderne
Tom Gauld: Die Rache der Bücher. Comic.
Aus dem Englischen von Christoph Schuler.
Edition Moderne, Zürich 2023. 160 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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