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Er inszenierte Orgien im Palazzo Pitti und förderte die Zuhälterei auf den Plätzen von Florenz: Gian Gastone, der Letzte der Medici, mit dessen Tod 1737 das ruhmreiche Geschlecht erlosch. Dominique Fernandez hat sich der realen Figur angenommen, um sie zu einem fulminanten historisch-biographischen Roman zu verarbeiten.

Produktbeschreibung
Er inszenierte Orgien im Palazzo Pitti und förderte die Zuhälterei auf den Plätzen von Florenz: Gian Gastone, der Letzte der Medici, mit dessen Tod 1737 das ruhmreiche Geschlecht erlosch. Dominique Fernandez hat sich der realen Figur angenommen, um sie zu einem fulminanten historisch-biographischen Roman zu verarbeiten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.1996

Es läuten die Dekadenzglocken
Olala, wie geschichtlich: Dominique Fernandez erzählt

Entrez, wir befinden uns hier in der historischen Gemischtwarenhandlung von Dominique Fernandez. Monsieur Fernandez wird laut Klappentext von den erlauchten Medien seines französischen Heimatlandes in einem Atemzug mit Autoren wie Dumas, Stendhal, Balzac, Proust, Gide und so weiter genannt. Er hat den Prix Médicis sowie den Prix Goncourt seines Heimatlandes erhalten; seine Vielseitigkeit als Romancier, Essayist und Reiseschriftsteller kennt kaum Grenzen, voilà!

Die historische Gemischtwarenhandlung von Monsieur Fernandez, auch "historischer Roman" genannt, ist diesmal um den letzten Sproß aus dem Stamm der Medici gruppiert. Dieser Sproß ist, wie es sich für letzte Sprosse gehört, ganz außerordentlich dekadent. Die außerordentliche Dekadenz besteht gewohnheitsgemäß vor allem in einem Übermaß an Trinken, Essen und jener sexuellen Emphasis, die zunächst als "antiphysisch", später aber auch als pädophil, schließlich als homoerotisch gewürdigt wird.

All diese Laster geben Monsieur Fernandez Gelegenheit, seines Amtes als "Jacob Burckhardt des Romans" gründlich zu walten. Die Gründlichkeit erweist sich vor allem in einer ausschweifenden Freude am historischen Exkurs, der mit gnadenloser Verve derart in die Biographie unseres letzten Sprosses hineingeschleudert wird, daß die biographische Handlung über viele Seiten immer wieder zum Erliegen kommt und geradezu antiphysisch austrocknet. Hat Monsieur Fernandez seinen Jacob Burckhardt jedoch einmal für Minuten vergessen, so stolpern wir mit ihm durch eine Inzucht von Dialogen, die ihresgleichen selten findet. Mon Dieu, ist das alles geschichtlich, und wie verderbt und gescheit in einem das ist, olala!

Und so fügen sich in der historischen Gemischtwarenhandlung von Monsieur Fernandez die Kapitel auch keineswegs an- oder zueinander, nein, Monsieur Fernandez hatte vielmehr den trefflichen Einfall, sich von all seinen dekadenten Stoffen, die irgendwie um den letzten Sproß der Medici kreisen, immer wieder neu verführen zu lassen. Bereist unser letzter Sproß zum Beispiel Prag, so ist das für Monsieur Fernandez eine willkommene Gelegenheit, seinem inneren Zola noch einen Balzac und einen Dumas aufzusetzen: und das ergibt ein dekadent-historisches Prag, das aus lauter Kirchen, Torten und Malá Stranas besteht, extraordinaire!

Seitenweise werden wir also durch Prag, Böhmen, Florenz, halb Europa, durch Küchen, Betten und vor allem die schönen Künste geführt, da purzeln die Aphorismen durch die Dialoge, da stammeln und zoten die spitzen Ausrufe "zuvörderst" und "höchstpersönlich" (die Übersetzung von Wieland Grommes ist kongenial), getreu dem Fernandezschen Romanprinzip, das in all seiner dekadenten Schläue ein Prinzip des Apropos ist.

Und da in einer historischen Gemischtwarenhandlung an jeder Kante eine Gelegenheit zu einem Apropos lauert, erzählt uns Monsieur Fernandez, jetzt ein halber Proust, halb schwindlig vor lauter Abschweifungen. Knatternd und krachend werden hier die historischen Exkurse mit den historischen Dialogen ganz antiphysisch vermählt, denn die Lusterfahrung von Monsieur Fernandez scheint eine ganz seltene Reihenfolge von Schlucken, Kauen und Erbrechen zu sein, ganz seinem letzten Sproß nachempfunden, der sich, der historischen Gemischtwarenhandlung von Monsieur Fernandez angepaßt, am Ende in die ruhende Horizontale begibt.

Was treibt der letzte Sproß in der ruhenden Horizontale? Olala? Apropos? Weit gefehlt! In der ruhenden Horizontale, also im Bette weilend, protestiert der letzte Sproß gegen die Vertikale, zur äußersten Dekadenz entschlossen. Monsieur Fernandez läutet dazu die Dekadenzglocken: ein Medici, der letzte Großherzog, in der Horizontale, das meint einen Protest gegen die Vertikalen seiner Heimat Florenz - nicht zu fassen!

Alles in allem: wir haben uns steifsatt gelesen an diesem Meisterwerk von Monsieur Fernandez. Wir empfehlen es begeistert für den Prix Haut-goût. HANNS-JOSEF ORTHEIL

Dominique Fernandez: "Die Rache des Medici". Roman. Aus dem Französischen von Wieland Grommes. Eugen Diederichs Verlag, München 1996. 334 S., geb., 39,80DM.

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