Brandaktuell zum neuen Kinofilm "München" von Steven Spielberg: A.J.Klein hat in "Die Rächer" die wahre Geschichte und Hintergründe der Olympia-Mörder von München und des israelischen Geheimdienstes recherchiert!
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Am 5. September 1972 nehmen die "heiteren Spiele" von München ein abruptes Ende, als ein Kommando des PLO-Ablegers Schwarzer September das Quartier der israelischen Sportler überfällt, zwei von ihnen gleich tötet und neun Geiseln nimmt, um im Zentrum der denkbar größtmöglichen Öffentlichkeit auf den palästinensischen Kampf aufmerksam zu machen. 24 Stunden später sind die Geiseln tot, mit ihnen fünf der acht Attentäter und ein deutscher Polizist. Die drei überlebenden Palästinenser werden Ende 1972 freigepresst. Als Reaktion auf das Blutbad beauftragt die israelische Premierministerin Golda Meir die israelischen Geheimdienste, allen voran den Mossad, mit der Operation Caesarea: Beteiligte und Verantwortliche des Anschlags sollen aufgespürt und getötet werden - aus Gründen nicht nur der Vergeltung, sondern auch der Abschreckung. Aaron Klein, ein genauer Kenner der Geheimdienstszene in Israel, konnte für dieses Buch mit zahlreichen Mitarbeitern des Mossad und anderer israelischer Organisationen sowie mit hochrangigen palästinensischen Offiziellen sprechen, die sich erstmals einem Außenstehenden gegenüber äußerten. So entstand ein neues Bild der sich bis in die neunziger Jahre hinziehenden Aktionen des Mossad, die von einigen Mythen umgeben sind. Anders als bislang bekannt, fielen etwa keineswegs alle wirklich Verantwortlichen und Beteiligten den Mordanschlägen der Israelis zum Opfer. Kleins Rekapitulation der Operation Caesarea liest sich spannend wie ein Politthriller.
Interview mit Aaron J. Klein
Was ist das Entscheidende an den Anschlägen während der Olympischen Spiele 1972 in München? Stellen die Ereignisse den Beginn des internationalen Terrorismus dar, der gezielt mediale Aufmerksamkeit nutzt?
1972 hat man in München das erste Mal eine terroristische Attacke Minute für Minute, Stunde für Stunde beobachten können: das Kidnapping, die Geiseln, die Täter, die Verhandlungen… Und man muss zugeben, dass es für die palästinensischen Terroristen ein Riesenerfolg war. Eine Milliarde Zuschauer erfuhren das erste Mal von den Problemen der Palästinenser. Terroristen auf der ganzen Welt lernten, wie man ein Maximum an Aufmerksamkeit gewinnen kann.
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Buch? Sind Sie einfach nur der Chronist der Ereignisse?
Ich will mit diesem Buch zum ersten Mal die ganze, die wahre Geschichte des Massakers erzählen: was vorher, währenddessen und danach geschah. Mit meinem Buch schreibe ich die Geschichte in gewisser Hinsicht neu! Vieles über die Ereignisse in München 1972 war quasi hinter einem dichten Vorhang von Mythen verschwunden. Ich lege beispielsweise dar, dass es Israel nicht nur um Rache ging, als nach 1972 palästinensische Terroristen gezielt getötet wurden. Hier ging es auch ganz rational darum, neue Attacken zu verhindern und die Sicherheit von Israelis vor allem im Ausland zu gewährleisten.
Sie schreiben aber auch, dass Rache durchaus ein wichtiges Motiv für die Aktionen des Mossad gewesen ist. Haben die gezielten Tötungen am Ende den israelischen Interessen mehr geschadet oder genutzt?
Rache ist Teil der menschlichen Natur, und viele Israelis riefen nach dem Massaker von München nach Rache – dieses Gefühl wurde also bedient. Und bestimmt spielte das Gefühl auch bei den israelischen Ministerpräsidenten eine Rolle. Aber man dachte auch praktisch, im Sinne der Verhinderung von weiteren Anschlägen daran, wie man in Zukunft seine Bürger schützen kann. Man wusste damals sehr wenig darüber, ob weitere Aktionen wie die in München geplant waren. Es war also eine präventive Maßnahme, die Terroristen direkt ins Visier zu nehmen. Das war die wichtigste Motivation.
Welchen Nutzen oder Schaden die Tötung von Terroristen hatte, ist eine schwierige Frage. Die gezielte Tötung von Terroristen ist ja nach wie vor ein Instrument der israelischen Terrorbekämpfung, das offensichtlich für wirkungsvoll gehalten wird. Die palästinensischen Terrororganisationen wurden aber nicht immer nachhaltig durch die Tötungen geschwächt. Deshalb würden diese wahrscheinlich immer sagen, dass die Aktionen nichts brächten. Die Wahrheit, denke ich, liegt irgendwo in der Mitte.
Sie geben uns Einblick in das Innenleben verschiedener Geheimdienste. Am Ende Ihres Buches erwähnen Sie, dass es Ihnen gelang, Kontakt zu hochrangigen Mossad-Mitarbeitern herzustellen. Sind viele der Details in Ihrem Buch wirklich neu, und wie verlässlich sind Ihre Quellen?
Gerade vor einer halben Stunde habe ich einer meiner Quellen ein Exemplar des Buches überreicht, und in zwei Stunden sehe ich einen anderen ehemaligen hochrangigen Mossad-Mitarbeiter. Insgesamt habe ich 50 hochkarätige Persönlichkeiten befragen können, die mir Auskunft zu jedem Detail des Massakers von München, aber auch zur Vorgeschichte und den Folgen geben konnten. Dabei ist Hochspannendes herausgekommen. Bislang war z.B. die Geschichte des palästinensischen Terroristen nicht bekannt, der vom Mossad vergiftet wurde und 1978 in einem Ostberliner Krankenhaus starb.
Offenbar lernte auch die deutsche RAF einiges von ihren palästinensischen „Kollegen“. War der „heiße Herbst“ 1977, der Höhepunkt des RAF-Terrors, so etwas wie eine späte Rache für das Versagen der deutschen Behörden in München?
Erfolge von Terrorgruppen inspirieren immer auch andere Gruppen. Nach München '72 wollte jeder Araber Mitglied von „Schwarzer September“ werden (der Terrorgruppe, die den Anschlag auf die Olympischen Spiele 1972 verantwortete, Anm. d. Red.). „Schwarzer September“ hatte schon vor dem Massaker von München Kontakte zur RAF um Baader und Meinhof, aber auch zu marxistischen Terrorgruppen aus Italien oder Japan. Natürlich wollten diese Gruppen ähnlich „erfolgreiche“ Aktionen durchführen.
Wo liegt nach Ihrer Meinung die Grenze bei der Terrorbekämpfung? Was ist strategisch und was ethisch erlaubt?
Das ist eine gute und sehr wichtige Frage! Es muss auf jeden Fall Grenzen und Restriktionen geben, die jeder Staat respektieren muss: 1. Die Entscheidung, einen Terroristen zu töten, muss durch mehrere Instanzen gehen und von allerhöchster Stelle abgesegnet werden. 2. Durch die Tötung muss unmittelbar das Leben anderer Menschen gerettet werden. 3. Es muss jede weniger blutige Alternative gründlich geprüft werden.
Eine letzte Frage: Was halten Sie von dem Spielberg-Film „München“?
Das ist ein großartiger Film, und Spielberg ist ein großartiger Regisseur. Ich empfehle den Leuten, sich den Film anzusehen. Allerdings basiert er nicht auf den historischen Fakten. Er orientiert sich zwar an ihnen – wer aber wissen will, was wirklich geschah, sollte besser mein Buch lesen. Der Film ist aber ein ganz wichtiger Beitrag, um in einer Ära des Terrorismus nachzudenken und zu diskutieren über Terrorbekämpfung und über deren Grenzen.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
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Am 5. September 1972 nehmen die "heiteren Spiele" von München ein abruptes Ende, als ein Kommando des PLO-Ablegers Schwarzer September das Quartier der israelischen Sportler überfällt, zwei von ihnen gleich tötet und neun Geiseln nimmt, um im Zentrum der denkbar größtmöglichen Öffentlichkeit auf den palästinensischen Kampf aufmerksam zu machen. 24 Stunden später sind die Geiseln tot, mit ihnen fünf der acht Attentäter und ein deutscher Polizist. Die drei überlebenden Palästinenser werden Ende 1972 freigepresst. Als Reaktion auf das Blutbad beauftragt die israelische Premierministerin Golda Meir die israelischen Geheimdienste, allen voran den Mossad, mit der Operation Caesarea: Beteiligte und Verantwortliche des Anschlags sollen aufgespürt und getötet werden - aus Gründen nicht nur der Vergeltung, sondern auch der Abschreckung. Aaron Klein, ein genauer Kenner der Geheimdienstszene in Israel, konnte für dieses Buch mit zahlreichen Mitarbeitern des Mossad und anderer israelischer Organisationen sowie mit hochrangigen palästinensischen Offiziellen sprechen, die sich erstmals einem Außenstehenden gegenüber äußerten. So entstand ein neues Bild der sich bis in die neunziger Jahre hinziehenden Aktionen des Mossad, die von einigen Mythen umgeben sind. Anders als bislang bekannt, fielen etwa keineswegs alle wirklich Verantwortlichen und Beteiligten den Mordanschlägen der Israelis zum Opfer. Kleins Rekapitulation der Operation Caesarea liest sich spannend wie ein Politthriller.
Interview mit Aaron J. Klein
Was ist das Entscheidende an den Anschlägen während der Olympischen Spiele 1972 in München? Stellen die Ereignisse den Beginn des internationalen Terrorismus dar, der gezielt mediale Aufmerksamkeit nutzt?
1972 hat man in München das erste Mal eine terroristische Attacke Minute für Minute, Stunde für Stunde beobachten können: das Kidnapping, die Geiseln, die Täter, die Verhandlungen… Und man muss zugeben, dass es für die palästinensischen Terroristen ein Riesenerfolg war. Eine Milliarde Zuschauer erfuhren das erste Mal von den Problemen der Palästinenser. Terroristen auf der ganzen Welt lernten, wie man ein Maximum an Aufmerksamkeit gewinnen kann.
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Buch? Sind Sie einfach nur der Chronist der Ereignisse?
Ich will mit diesem Buch zum ersten Mal die ganze, die wahre Geschichte des Massakers erzählen: was vorher, währenddessen und danach geschah. Mit meinem Buch schreibe ich die Geschichte in gewisser Hinsicht neu! Vieles über die Ereignisse in München 1972 war quasi hinter einem dichten Vorhang von Mythen verschwunden. Ich lege beispielsweise dar, dass es Israel nicht nur um Rache ging, als nach 1972 palästinensische Terroristen gezielt getötet wurden. Hier ging es auch ganz rational darum, neue Attacken zu verhindern und die Sicherheit von Israelis vor allem im Ausland zu gewährleisten.
Sie schreiben aber auch, dass Rache durchaus ein wichtiges Motiv für die Aktionen des Mossad gewesen ist. Haben die gezielten Tötungen am Ende den israelischen Interessen mehr geschadet oder genutzt?
Rache ist Teil der menschlichen Natur, und viele Israelis riefen nach dem Massaker von München nach Rache – dieses Gefühl wurde also bedient. Und bestimmt spielte das Gefühl auch bei den israelischen Ministerpräsidenten eine Rolle. Aber man dachte auch praktisch, im Sinne der Verhinderung von weiteren Anschlägen daran, wie man in Zukunft seine Bürger schützen kann. Man wusste damals sehr wenig darüber, ob weitere Aktionen wie die in München geplant waren. Es war also eine präventive Maßnahme, die Terroristen direkt ins Visier zu nehmen. Das war die wichtigste Motivation.
Welchen Nutzen oder Schaden die Tötung von Terroristen hatte, ist eine schwierige Frage. Die gezielte Tötung von Terroristen ist ja nach wie vor ein Instrument der israelischen Terrorbekämpfung, das offensichtlich für wirkungsvoll gehalten wird. Die palästinensischen Terrororganisationen wurden aber nicht immer nachhaltig durch die Tötungen geschwächt. Deshalb würden diese wahrscheinlich immer sagen, dass die Aktionen nichts brächten. Die Wahrheit, denke ich, liegt irgendwo in der Mitte.
Sie geben uns Einblick in das Innenleben verschiedener Geheimdienste. Am Ende Ihres Buches erwähnen Sie, dass es Ihnen gelang, Kontakt zu hochrangigen Mossad-Mitarbeitern herzustellen. Sind viele der Details in Ihrem Buch wirklich neu, und wie verlässlich sind Ihre Quellen?
Gerade vor einer halben Stunde habe ich einer meiner Quellen ein Exemplar des Buches überreicht, und in zwei Stunden sehe ich einen anderen ehemaligen hochrangigen Mossad-Mitarbeiter. Insgesamt habe ich 50 hochkarätige Persönlichkeiten befragen können, die mir Auskunft zu jedem Detail des Massakers von München, aber auch zur Vorgeschichte und den Folgen geben konnten. Dabei ist Hochspannendes herausgekommen. Bislang war z.B. die Geschichte des palästinensischen Terroristen nicht bekannt, der vom Mossad vergiftet wurde und 1978 in einem Ostberliner Krankenhaus starb.
Offenbar lernte auch die deutsche RAF einiges von ihren palästinensischen „Kollegen“. War der „heiße Herbst“ 1977, der Höhepunkt des RAF-Terrors, so etwas wie eine späte Rache für das Versagen der deutschen Behörden in München?
Erfolge von Terrorgruppen inspirieren immer auch andere Gruppen. Nach München '72 wollte jeder Araber Mitglied von „Schwarzer September“ werden (der Terrorgruppe, die den Anschlag auf die Olympischen Spiele 1972 verantwortete, Anm. d. Red.). „Schwarzer September“ hatte schon vor dem Massaker von München Kontakte zur RAF um Baader und Meinhof, aber auch zu marxistischen Terrorgruppen aus Italien oder Japan. Natürlich wollten diese Gruppen ähnlich „erfolgreiche“ Aktionen durchführen.
Wo liegt nach Ihrer Meinung die Grenze bei der Terrorbekämpfung? Was ist strategisch und was ethisch erlaubt?
Das ist eine gute und sehr wichtige Frage! Es muss auf jeden Fall Grenzen und Restriktionen geben, die jeder Staat respektieren muss: 1. Die Entscheidung, einen Terroristen zu töten, muss durch mehrere Instanzen gehen und von allerhöchster Stelle abgesegnet werden. 2. Durch die Tötung muss unmittelbar das Leben anderer Menschen gerettet werden. 3. Es muss jede weniger blutige Alternative gründlich geprüft werden.
Eine letzte Frage: Was halten Sie von dem Spielberg-Film „München“?
Das ist ein großartiger Film, und Spielberg ist ein großartiger Regisseur. Ich empfehle den Leuten, sich den Film anzusehen. Allerdings basiert er nicht auf den historischen Fakten. Er orientiert sich zwar an ihnen – wer aber wissen will, was wirklich geschah, sollte besser mein Buch lesen. Der Film ist aber ein ganz wichtiger Beitrag, um in einer Ära des Terrorismus nachzudenken und zu diskutieren über Terrorbekämpfung und über deren Grenzen.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Passabel erscheint Majid Sattar dieses Buch über die Verfolgung der Attentäter von München durch den Mossad, das der Journalist Aaron Klein vorgelegt hat. Die Stärke des Buchs sieht er in der Beleuchtung von Hintergründen und Widersprüchen dieser Jahrzehnte dauernden Operation. Er hebt Kleins kritische Einschätzung der Jagd des Mossads auf die Verantwortlichen hervor. Schließlich habe sich der Geheimdienst mit Zielpersonen auf der unteren Ebene begnügt, die zumeist keine unmittelbare Beziehung zum Münchner Attentat hatten. Bedauerlich findet Sattar, dass Klein bei seiner meist faktenorientierten Darstellung nicht ganz auf fiktionale Elemente verzichtet. Manches schildert er für seinen Geschmack "allzu plastisch". Das und die bisweilen nicht eben geschmeidige Übersetzung aus dem Amerikanischen haben für Sattar die Freude an der Lektüre eingeschränkt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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