Am Beispiel von Friedrich Schiller, Wilhelm und Alexander von Humboldt zeigt der Band auf, dass der Deutsche Idealismus ein Realismusverständnis geprägt hat, dessen überragende Bedeutung darin besteht, das Projekt der Moderne aus der provinziellen Enge philosophischer Studierstuben hinausgeführt und um ein transdisziplinäres, interkulturelles Wissenschaftsverständnis erweitert zu haben. Schiller und die Humboldt-Brüder stehen stellvertretend für den Begriff eines Weltbürgertums und für die Idee einer globalen Wissenschaft, die getragen ist von einer Phantasie, der keine Grenzen gesetzt sind und die doch nicht ins Imaginäre entschwindet, sondern Realitäten erforschen will. Durch den Blick auf die drei Universalgelehrten soll das Profil einer intellektuellen Konfiguration um 1800 rekonstruiert werden, die bislang hinter der Erforschung anderer wirkungsträchtiger Beziehungen und Zusammenhänge das Nachsehen hatte.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.11.2008Ideengemeinschaft
Wirklichkeit der Idealisten: Schiller und die Brüder Humboldt
Zunächst war er solo. Zweihundert Jahre nach seinem Tod wurde 2005 festlich und publizistisch an Friedrich Schiller erinnert. Ein internationales Symposium und eine Ringvorlesung an der Freien Universität Berlin beschäftigten sich mit der „Realität des Idealisten”. Befragt wurden die Ideale eines Idealisten, die von dem Verdacht befreit wurden, weltfremd gewesen zu sein. Statt dessen wurde deutlich, dass Schillers Dichtung und Philosophie einen Realitätssinn erzeugt haben, dessen ästhetische Perspektive keineswegs eine klare Erkenntnis der natürlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit verschleierte, sondern schärfte und vertiefte.
Friedrich Schiller ist nicht allein gewesen. Die Erfindung und Gestaltung des Deutschen Idealismus war eine epochale Gemeinschaftsleistung, die von Kant bis Hegel reichte. Auf die Arbeit der Ideengemeinschaft zwischen Schiller und Alexander und Wilhelm von Humboldt konzentriert sich nun ein Sammelband, der den singularen Titel pluralisiert. „Die Realität der Idealisten” dokumentiert eine lebendige, auch hochempfindliche Gesprächskultur, in der philosophische Reflexion, wissenschaftliche Forschung und ästhetische Einbildungskraft auf einzigartige Weise verbunden gewesen sind.
Nach einem ersten Teil, in dem es um den Realitätsgehalt des idealistischen Programms geht, steht das Verhältnis zwischen Schillers Dichtung und Wilhelm von Humboldts Sprachansichten im Mittelpunkt. Im dritten Teil werden die krisenhaften gesellschaftlichen Realitäten erhellt, auf die besonders Schiller und der ältere Humboldt hellsichtig reagierten. Alexander von Humboldt kommt in dieser Hinsicht leider zu kurz; und man vermisst auch Goethe, der seit 1794 als Vierter im Bunde eine zentrale Rolle spielte, ohne die nur schwer zu verstehen ist, was die anderen Drei anregte und nachdenken ließ. MANFRED GEIER
HANS FEGER, HANS RICHARD BRITTNACHER (Hrsg.): Die Realität der Idealisten. Friedrich Schiller – Wilhelm von Humboldt – Alexander von Humboldt. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2008. 284 Seiten, 39,30 Euro.
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Wirklichkeit der Idealisten: Schiller und die Brüder Humboldt
Zunächst war er solo. Zweihundert Jahre nach seinem Tod wurde 2005 festlich und publizistisch an Friedrich Schiller erinnert. Ein internationales Symposium und eine Ringvorlesung an der Freien Universität Berlin beschäftigten sich mit der „Realität des Idealisten”. Befragt wurden die Ideale eines Idealisten, die von dem Verdacht befreit wurden, weltfremd gewesen zu sein. Statt dessen wurde deutlich, dass Schillers Dichtung und Philosophie einen Realitätssinn erzeugt haben, dessen ästhetische Perspektive keineswegs eine klare Erkenntnis der natürlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit verschleierte, sondern schärfte und vertiefte.
Friedrich Schiller ist nicht allein gewesen. Die Erfindung und Gestaltung des Deutschen Idealismus war eine epochale Gemeinschaftsleistung, die von Kant bis Hegel reichte. Auf die Arbeit der Ideengemeinschaft zwischen Schiller und Alexander und Wilhelm von Humboldt konzentriert sich nun ein Sammelband, der den singularen Titel pluralisiert. „Die Realität der Idealisten” dokumentiert eine lebendige, auch hochempfindliche Gesprächskultur, in der philosophische Reflexion, wissenschaftliche Forschung und ästhetische Einbildungskraft auf einzigartige Weise verbunden gewesen sind.
Nach einem ersten Teil, in dem es um den Realitätsgehalt des idealistischen Programms geht, steht das Verhältnis zwischen Schillers Dichtung und Wilhelm von Humboldts Sprachansichten im Mittelpunkt. Im dritten Teil werden die krisenhaften gesellschaftlichen Realitäten erhellt, auf die besonders Schiller und der ältere Humboldt hellsichtig reagierten. Alexander von Humboldt kommt in dieser Hinsicht leider zu kurz; und man vermisst auch Goethe, der seit 1794 als Vierter im Bunde eine zentrale Rolle spielte, ohne die nur schwer zu verstehen ist, was die anderen Drei anregte und nachdenken ließ. MANFRED GEIER
HANS FEGER, HANS RICHARD BRITTNACHER (Hrsg.): Die Realität der Idealisten. Friedrich Schiller – Wilhelm von Humboldt – Alexander von Humboldt. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2008. 284 Seiten, 39,30 Euro.
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