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Mama Grossis Sonntagnachmittage spielten eine Rolle in der Residenz. Wie schön war's, besonders an trüben Novembertagen, in diesem zwanglosen Künstlerheim. Denn hier war immer Sonne. Junge, heitere Mädchen ersetzten die dienenden Geister, kochten den Kaffee und liefen auch schnell zum Konditor, wenn s not tat und der Kuchen nicht reichte. Und obwohl Mama Grossi nicht halb so viele Tassen besaß, als Gäste zu ihr kamen, es kam kein Mensch zu kurz. So viel leichtes Leben ging von der schönen Frau aus, die wie der Inbegriff der Behaglichkeit auf ihrem altmodischen Kanapee thronte und ihren…mehr

Produktbeschreibung
Mama Grossis Sonntagnachmittage spielten eine Rolle in der Residenz. Wie schön war's, besonders an trüben Novembertagen, in diesem zwanglosen Künstlerheim. Denn hier war immer Sonne. Junge, heitere Mädchen ersetzten die dienenden Geister, kochten den Kaffee und liefen auch schnell zum Konditor, wenn s not tat und der Kuchen nicht reichte. Und obwohl Mama Grossi nicht halb so viele Tassen besaß, als Gäste zu ihr kamen, es kam kein Mensch zu kurz. So viel leichtes Leben ging von der schönen Frau aus, die wie der Inbegriff der Behaglichkeit auf ihrem altmodischen Kanapee thronte und ihren Gugelhupf in den Kaffee tunkte. Rings um sie her bequeme, abgeblasste Sessel. Auf dem Boden verschossene Teppiche. Auch die Beleuchtung ließ zu wünschen übrig. Und doch, wie schön! Alle Wände voll Jugendbilder der Künstlerin, Stahlstiche berühmter, längst dahingegangener Kollegen und Kolleginnen, Geschenke hoher Herrschaften in Gestalt prachtvoller Meißener Vasen und Figuren sowie schwere Silbersachen auf Etageren. Da und dort auf einer Kommode, auf einem Sockel feierliche Standuhren, die alle nicht gingen. Auf dem Schreibtisch unter einer Glasglocke das Jubiläumsgeschenk, das Mama Grossi von ihren Kollegen erhalten ein goldener Lorbeerkranz, mit dem sie ihren Brautkranz, vergilbte Myrten, sinnig verflochten.

Mit der Figur der Mama Grossi hat Hermine Villinger in ihrem Roman Die Rebächle nicht nur der Schauspielerin Amalie Haizinger ein literarisches Denkmal erstellt, sondern zugleich auch die gesellschaftlichen Grenzen dargestellt, die für viele Frauen ihrer Zeit unüberwindlich schienen. Damit hat der Roman Teil an einem Gesamtwerk, das heute als das Dokument einer Emanzipation zu lesen ist, die nur teilweise gelingen konnte.
Autorenporträt
Hansgeorg Schmidt-Bergmann studierte in Marburg und Frankfurt Germanistik, Politik und Philosophie. 1983 Promotion in Marburg. 1991 Privatdozent an der Universität Karlsruhe. 1998 Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Karlsruhe. Seit 1993 ist der Autor Vorsitzender der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe und Leiter des Museums für Literatur am Oberrhein; u. a. Herausgeber der Literaturzeitschrift allmende.