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Der Natur werden weltweit von Parlamenten, Regierungen und Gerichten zunehmend eigene Rechte verliehen. Was ist dran an den Rechten der Natur? Kann diese Rechtspraxis zur Bewältigung des Klimawandels beitragen? Wie lassen sich solche Rechte begründen? Und wie anwenden? Diesen Fragen geht Tilo Wesche in seinem philosophischen Grundlagenwerk mit Blick auf das Eigentumsrecht nach. Beim Klima-, Arten- und Umweltschutz werden Eigentumsrechte häufig vernachlässigt. Dabei wohnt ihnen selbst eine Vorstellung ökologischer Nachhaltigkeit inne, die zur Überwindung eines extraktiven Naturverhältnisses beitragen kann. …mehr

Produktbeschreibung
Der Natur werden weltweit von Parlamenten, Regierungen und Gerichten zunehmend eigene Rechte verliehen. Was ist dran an den Rechten der Natur? Kann diese Rechtspraxis zur Bewältigung des Klimawandels beitragen? Wie lassen sich solche Rechte begründen? Und wie anwenden? Diesen Fragen geht Tilo Wesche in seinem philosophischen Grundlagenwerk mit Blick auf das Eigentumsrecht nach. Beim Klima-, Arten- und Umweltschutz werden Eigentumsrechte häufig vernachlässigt. Dabei wohnt ihnen selbst eine Vorstellung ökologischer Nachhaltigkeit inne, die zur Überwindung eines extraktiven Naturverhältnisses beitragen kann.
Autorenporträt
Tilo Wesche ist Professor für Praktische Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Im Suhrkamp Verlag erschienen zuletzt: Was ist Kritik? (stw 1885, hg. zus. mit Rahel Jaeggi), Die Rechte der Natur. Vom nachhaltigen Eigentum (stw 2414) und Vernünftige Freiheit. Beiträge zum Spätwerk von Jürgen Habermas (stw 2420, hg. zus. mit Stefan Müller-Doohm und Smail Rapic).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das von Tilo Wesche aufgestellte Konzept vom "nachhaltigen Eigentum" liest Rezensent Joseph Hanimann mit viel Interesse. Der Autor setze bei seiner Argumentation bei den aktuellen Problemen wie Klimawandel und Artensterben an und definiere Eigentum als "autorisierte exklusive Verfügungsgewalt", welche es dem Menschen ermögliche, der Natur zu schaden. Dabei differenziert Wesche, so Hanimann, zwei Arten von Eigentum: Sacheigentum und Gütereigentum. Während ersteres jedes Objekt als potentielles Eigentum betrachtet, wird beim zweiten differenziert, erklärt Hanimann, eine Gartenlaube ist nicht das gleiche wie ein Tropenwald. Daraus leitet der Autor ab, dass die Natur in den "Stand der Rechtssubjektivität" erhoben werden und so ihre eigenen Rechte wahrnehmen sollte, lesen wir. Von diesem "lapidaren Fazit" zeigt sich der Kritiker allerdings wenig überzeugt, da es immer noch jemanden braucht, der der Natur zu ihrem Recht verhelfen kann. So stellt sich Wesches Buch letztlich als "abgehobenes Kompendium" dar, welches das "Beharrungsvermögen eingespielter Gewohnheiten" und moralische gesellschaftliche Konstanten ausblendet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2024

Weichenstellung ins Postwachstum
Am Begriff des Eigentums ansetzend: Tilo Wesche entwirft ein Denkmodell für die Rechte der Natur

Wenn Flussläufe, Berge, alte Bäume in Bolivien, Ecuador, Uganda oder Neuseeland nicht mehr bloß als Schutzobjekte, sondern als Rechtssubjekte gelten, löst das bei manchen Bewunderung, bei anderen Skepsis aus. Exotisch wirkt es allemal. Wie sollen Dinge Inhaber von Rechten sein können? Auch der Verfasser des vorliegenden Buchs teilte, wie er gesteht, ursprünglich diese Skepsis. Seine Überlegungen führten ihn dann aber auf einen anderen Weg.

Originell ist an dieser scharf konzipierten philosophischen Studie, dass sie nicht vom ökologischen Fernziel einer wieder in ihr Recht gesetzten Natur, sondern von der aktuellen Problemlage ausgeht und dabei ausgerechnet am Haupteinfallstor für die Krisenfaktoren Klimawandel, Artensterben, Ressourcenerschöpfung, Globalvermüllung ansetzt: dem in modernen Gesellschaften sakrosankten Begriff des Eigentums. Er soll weiterhelfen und den weichgezeichneten Kategorien von Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltgerechtigkeit den nötigen Biss für die gesellschaftliche Umsetzung bringen.

Warum in die Fernen des Whanganui River oder des südamerikanischen Regenwalds schweifen, wenn auch in unseren eigenen Rechtskulturen, denen des "globalen Nordens", die Voraussetzungen für das Konzept einer Natur als Rechteinhaberin angelegt sind? Das scheint die Ausgangsidee dieses Buchs gewesen zu sein. Allerdings muss dazu der Eigentumsbegriff von Grund auf neu überdacht werden. Nichts Geringeres hat der Autor mit diesem Buch vor.

Es sei ja nicht so, schreibt Tilo Wesche, dass extraktiver Raubbau, dass Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung aufgrund systematischer Rechtsbrüche betrieben würden. Es sei vielmehr umgekehrt: "Mit Eigentumsrechten haben sich Gesellschaften in die ökologischen Krisen hineinlegalisiert." Das Recht auf Eigentum definiert der Autor klassisch als autorisierte exklusive Verfügungsgewalt über Dinge. Es wurde dadurch zu einem Freiheitsversprechen und zu einem Grundpfeiler des Aufklärungsprojekts der Moderne, das auch Emanzipation und Freiheit gegenüber einer verfügbar gewordenen Natur einschließt. Allerdings schlage im Zeitalter der zunehmenden Umweltkrisen die Emanzipationsverheißung in ihr Gegenteil um und laufe auf einen ökologischen Kontrollverlust hinaus.

Statt eine radikale Abkehr von diesem Weg empfiehlt Wesche eine Vertiefung des Aufklärungsprojekts durch einen revidierten Eigentumsbegriff. Das Eigentum an der Natur soll auf die Natur als Mitinhaberin übertragen werden. Weit davon entfernt also, mit dem Ideal - der Autor spricht lieber von der "Fantasie" - einer eigentumslosen Gesellschaft aus dem Eigentumsrecht den bösen Buben unserer Probleme zu machen, sucht er dieses mit seinen eigenen Waffen aus seinen Verirrungen zu scheuchen.

Zwei Gedanken tragen die Hauptlast des Argumentationsgebäudes. Zunächst eine gegen die herkömmliche Eigentumstheorie vorgebrachte Differenzierung zwischen Sacheigentum und Gütereigentum. Hinter dem ausschließlich vom Subjekt, das heißt vom Eigentümer und seinen Ansprüchen her codierten Sacheigentum sieht Wesche das problematische Verfahren, alle möglichen Dinge - Haushaltsgeräte, Arbeitserzeugnisse, Grundlebensmittel und Luxuswaren, aber auch Kohle, Land, Bäume, kurz: alles Besitzbare - unterschiedslos der Kategorie verfügbarer Dinge zuzuschlagen. Indem die Dinge nur als Objekte eines Anspruchs wahrgenommen wurden, sei unsere Eigentumsvorstellung verarmt.

Dem setzt Wesche das Konzept des Gütereigentums entgegen, das neben dem Eigentümer als eine ihm ebenbürtige Entität auch die vom jeweiligen Gegenstand her bestimmte Dingbeschaffenheit miteinbezieht. Wälder sind nicht ganz dasselbe wie Gartenlauben. Durch die Doppelbestimmung als Besitzobjekt und Gut könne das Eigentum erst als "Weltbeziehung" gedacht werden. Und über sie glaubt der Autor die argumentative Brücke schlagen zu können zu einer Natur, die Rechteinhaberin ihrer nicht einfach frei verfügbaren Güter bleibt. Daran knüpft Wesches zweiter Ausgangsgedanke an: die im Buchuntertitel angedeutete Idee eines "nachhaltigen Eigentums", das nicht mehr durch äußere Schranken a posteriori in seine Grenzen verwiesen zu werden braucht, weil es diese als "liminales Eigentum" von vornherein in sich trägt.

Mit dieser Theorie eines der Natur zugestandenen "nachhaltigen Eigentums" an sich selbst will der Autor die Debatte aus ihrem Kreislauf zwischen Anthropozentrismus und Ökozentrismus führen. Weder aus ihrem Nutzen für die Menschen noch aus ihrem - nicht begründbaren - Eigenwert lasse sich plausibel ein Eigentumsrecht der Natur herleiten, sondern allein aus der fortschreitenden Rationalisierung des Rechts. Indem nämlich die von der Natur erbrachten Ökosystemdienstleistungen eine Wertschöpfung darstellten und die Natur somit in den Stand der Rechtssubjektivität gehoben werde. Dass es sich dabei nicht um eine natürliche Person handelt, ist für den Autor kein Problem, denn auch bisher können ja schon Institutionen, Vereine, Unternehmen und sonstige Körperschaften als Rechtssubjekte auftreten, warum also nicht die Natur.

An dieser Stelle schluckt man bei der Lektüre kurz leer. So viel Argumentaufwand für ein solch lapidares Fazit? Und wer verhilft der Wertschöpferin "Natur" zur Durchsetzung ihres Rechts? Das Gesetz, antwortet Welsche. Indem Naturgüter nicht mehr als eigentumslose und kostenfreie Sachen betrachtet und durch eine entsprechende Gesetzgebung als solche geschützt würden, seien sie dem kapitalistisch gewinnorientierten Markt entzogen. Spekulation auf Agrarland oder Bodenschätze werde ökonomisch uninteressant, wenn die daraus entstehenden Schäden bei der Ökobilanz in Rechnung gesetzt werden. Die Weichen in eine postextraktive Welt des Postwachstum seien damit gestellt. Das Weitere, muss man schließen, ergebe sich dann praktisch von selbst.

Die geballte Prinzipienwahrheit mit ihren interessanten und nützlichen Differenzierungen macht aus diesem Buch einen rechtsphilosophischen Überbau, ein vernunftdurchstrahltes, munter summendes und surrendes, aber abgehobenes Kompendium zu dem, was in den Niederungen unserer Gegenwartsrealität ökonomisch und politisch gerade ächzend vor sich geht. Die zerklüfteten Weiten der ökonomisch-politischen Interessenkonflikte, des Beharrungsvermögens eingespielter Gewohnheiten und der mehr oder weniger verborgen wirkenden Moral kommen da nicht vor.

Dürfen nicht vorkommen, denn utopieverdächtige Horizontorientierung bleibt in dieser pragmatischen, mit der Alternativlogik herkömmlicher sozial- oder umweltorientierter Gesellschaftskämpfe brechenden Studie strikt ausgespart. Ihr einziges Anliegen ist das einer "Ökologisierung des Eigentums". Und dafür müsse das Eigentum weder abgeschafft noch neu erfunden werden. Es genüge, es zu dem zu machen, was es seinem Selbstverständnis nach sei. Das klingt stimmig, erinnert aber an jene Konstrukte, mit denen vergangene Generationen in den Frühjahren der Industrialisierung als Kinder spielten: mit fast geräuschlos surrenden und zischenden Dampfmaschinenmodellen, die wie richtige Fabriken funktionierten. Aber halt eben nur als Modell. JOSEPH HANIMANN

Tilo Wesche: "Die Rechte der Natur". Vom nachhaltigen Eigentum.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 347 S., br., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Originell ist an dieser scharf konzipierten philosophischen Studie, dass sie nicht vom ökologischen Fernziel einer wieder in ihr Recht gesetzten Natur, sondern von der aktuellen Problemlage ausgeht und dabei ausgerechnet am Haupteinfallstor für die Krisenfaktoren Klimawandel, Artensterben, Ressourcenerschöpfung, Globalvermüllung ansetzt: dem ... sakrosankten Begriff des Eigentums.« Joseph Hanimann Frankfurter Allgemeine Zeitung 20240306