Der Libanese Fuad Rifka mit einem neuen Gedichtband
Unter den großen arabischen Lyrikern der Aufbruchgeneration - hierzulande kennt man vor allem Adonis oder den ein wenig jüngeren Mahmud Darwish - nimmt der 1930 geborene Libanese Fuad Rifka eine Sonderstellung ein. Während sich Adonis nach Frankreich, andere, wie die Iraker Badr Shakir As-Sayyab oder Abdul Wahhab al-Bayyati in den englischsprachigen Raum hin orientierten - beide sind, wie nun auch Rifka, im Verlag Hans Schiler auf Deutsch zu entdecken - war Rifka der einzige, den es nach Deutschland zog. In der Zeitschrift der Beiruter Avantgardelyriker, dem 1957 gegründeten Magazin "Shi'r" ("Dichtung"), publizierte er neben seinem eigenen Frühwerk erstmals auf Arabisch Gedichte von Hölderlin, Rilke, Trakl und anderen. In den sechziger Jahren wurde er in Tübingen über die Ästhetik Heideggers promoviert, den er selbst noch kennenlernte. Der wilden Heidegger-Rezeption, die unter arabischen Intellektuellen grassiert, hat er als einziger solide Kenntnisse entgegenzusetzen. Der große Vermittler bekam 2001 den Friedrich-Gundolf-Preis. Er hat aber auch ein eigenes eminentes lyrisches Werk vorzuweisen. Jetzt ist sein vierter Gedichtband auf Deutsch erschienen.
Schon der Titel, "Die Reihe der Tage ein einziger Tag" schlägt den typischen Rifka-Ton an. Doch Resignation und Melancholie, die überall durchklingen, sind nur der Humus, auf dem der versöhnliche, ja begeisterte Blick auf das Sein wachsen kann. Rifka schreibt Verse, die die epiphanische Qualität von Haikus haben. In der gelungenen Übersetzung von Fouad El-Auwad: "Ein Spatz / seine Federn ein Kosmos." Zugleich ist Rifkas Lyrik unleugbar eine Alterslyrik, aber man ahnt, dass das Alter hier nur eine Maske für einen anderen, eben zeitlosen, dem Getriebe der Welt entrückten Bewusstseinszustand ist, den Rifka immer schon in seinen Gedichten angestrebt hat.
Seit fast einem Vierteljahrhundert schon tarnt Rifka dergestalt seinen anderen Blick auf die Welt. Unter den großen arabischen Dichtern der Gegenwart war er einer der ersten, die dem lyrischen Pomp und den maßlosen politischen und weltanschaulichen Visionen abgeschworen hatten. Während Adonis noch dichtete, er sei "Das Alpha und das Omega", schrieb Rifka schon 1983 im "Tagebuch eines Holzsammlers": "Wenn auf seine Hütte / die Blätter fallen, / wird der Kamin wach, und freut sich das Holz." Rifka ist es gelungen, trotz des Verzichts auf Grandiosität das Pathos, ja das Herzblut zu wahren und bei allem Gleichmaß nie Beliebigkeit und Gleichgültigkeit aufkeimen zu lassen.
Gewiss hält das Statische von Rifkas Spätwerk, wie es sich im vorliegenden Band noch einmal bündelt, für Kenner des Werks keine Überraschungen bereit, aber es hat wie stets die Intensität eines gut gesprochenen, wirkkräftigen Mantras. Dabei gerät Rifka immer wieder mit großer, uneitler Aufrichtigkeit an die Grenzen des Sprechens, des im Gedicht Sagbaren: "Im All, / wenn das Herz eins wird, / warum stolpert die Zunge, / fällt der Stift nieder / und stirbt das Papier."
Dass der ursprünglich aus Syrien stammende Rifka der letzte große christlich-arabische Dichter unter den vor dem Zweiten Weltkrieg Geborenen ist, spürt man nie direkt, aber wenn man es einmal weiß, glaubt man diese andere Herkunft an etlichen Stellen herauszuhören. Nur ein Mal (aber wie dezent!) bekennt sich Rifka, der auch an einer neuen Bibelübersetzung in ein natürlich klingendes Hocharabisch mitgewirkt hat: "An der Wand / eine Todesanzeige. / Er liest sie, er liest in ihr seinen Namen, / der die Wunde Golgathas liebt." Weiter und weiter wollte man aus dieser zweisprachigen Ausgabe zitieren. Doch machen wir es einfach, klar und kurz: Lest Rifka!
STEFAN WEIDNER
Fuad Rifka: "Die Reihe der Tage ein einziger Tag". Gedichte. Arabisch und deutsch. Aus dem Arabischen übersetzt von Fouad El-Auwad. Verlag Hans Schiler, Berlin 2007. 199 S., br., 22,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Stefan Weidner schreibt eine Leseaufforderung. Zwar stößt der Rifka-Kenner Weidner im Spätwerk des "letzten großen christlich-arabischen Dichters" Fuad Rifka nicht auf Überraschungen, aber das ist auch nicht nötig. Der "typische Ton" aus Melancholie und Begeisterung in Rifkas vierten auf Deutsch erschienenen Lyrikband hält den Rezensenten bei Laune. Weidner bewundert das Epiphanische mancher Texte und ihren Verzicht auf lyrischen Pomp, der allerdings nicht durch Beliebigkeit ersetzt wird. Für Weidner entwickeln die Gedichte so die Wirkung eines guten Mantras.
© Perlentaucher Medien GmbH
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