In »Blue Mussels« gerät das feine Beziehungsgeflecht zweier junger Paare, die sich den Wunsch einer Kanadareise im Camping- Pickup erfüllen, so in die Schieflage, dass es keinen Ausweg gibt. »Die Reinheit des Augenblicks« endet mit der kaum anständig zu lösenden Frage, wie man sich nach einem wunderschönen Liebeswochenende trennt ohne falsche Versprechungen. »Isch guet« erzählt sehr nachvollziehbar einen Fall von sexueller Konkurrenz in einem Davoser Tagungshotel. Und in »Jeter un îl sur Paris« will Volker, der Saufbold, genannt »der Pinguin«, 500 Remittenden eines alten Bildbandes über Paris loswerden - in Paris.
Mit Ironie, mit Zärtlichkeit und mit einem kräftigen Schuss Pessimismus erzählt Schömel vom deutschen Alltag, vom gelassen hingenommenen Verfehlen des Glücks und von fälligen Abschieden - die wir aber selten hinkriegen: In einer dieser Geschichten reist jemand bis nach Ouagadougou in die Sahelzone, nur um wochenlang an einem epochalen Brief zu basteln, für die ungnädige Yvonne in Köln.
Mit Ironie, mit Zärtlichkeit und mit einem kräftigen Schuss Pessimismus erzählt Schömel vom deutschen Alltag, vom gelassen hingenommenen Verfehlen des Glücks und von fälligen Abschieden - die wir aber selten hinkriegen: In einer dieser Geschichten reist jemand bis nach Ouagadougou in die Sahelzone, nur um wochenlang an einem epochalen Brief zu basteln, für die ungnädige Yvonne in Köln.
Solitude ist nicht alles, erst recht nicht in einer Zeit, die das Wahrhaftige vergeblich sucht, um nur das Romantische zu finden, und in der Illusion und Desillusion so dicht beieinander liegen. Wolfgang Schömel hat es sich in seinen Geschichten zur Aufgabe gemacht, den noch verbleibenden winzigen Abstand zu vermessen, und so ist der Titel, den sein Erzählband trägt, trotz einer im Grunde alarmierend kitschigen Phrase nicht verkehrt gewählt: "Die Reinheit des Augenblicks" ist eben fast unerreichbar, der Moment ein flüchtiger. Gerade das können die durchweg männlichen Anti-Helden der sieben vorgelegten Miniaturen weder begreifen noch ertragen. An den Kulissen für romantische Augenblicke etwa mangelt es der modernen Welt doch nicht, sie sind per Flugzeug oder Auto im Nu zu erreichen, und es sollte daher nicht schwierig sein, sich mit etwas Timing und Obacht vor, mit und in ihnen zu inszenieren. Aber selbst die kanadische Unberührtheit und das wilde Afrika sind nicht mehr das, was sie einmal gewesen sein sollen, von einem Herbstnachmittag in deutschen Weinbergen oder Paris, Paris! ganz zu schweigen. Denn die Frauen wollen einfach nicht mehr, jedenfalls nicht so richtig, sie predigen Wein und trinken dabei Wasser. Und so bleibt als Einsamkeitsbewältigungs-Strategie nur eines: selber schreiben oder auf dem Nachttisch ein Buch wie dieses liegen haben, solide in der Sprache, dicht im Erzählfluss, zuweilen sogar originell. Nur dass es bei einem Erzählband notgedrungen bei Augenblicken bleibt, ist auf Dauer etwas unbefriedigend. Aber gerade das ist irgendwie natürlich auch: konsequent. (Wolfgang Schömel: "Die Reinheit des Augenblicks". Geschichten. Klett-Cotta, Stuttgart 2007. 221 Seiten, geb., 18,- [Euro]. ) math
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