Migration und Wanderungsbewegungen sind keine Phänomene der Neuzeit: Seit der Mensch den aufrechten Gang beherrschte, trieb es ihn aus seiner Heimat Afrika in die ganze Welt, auch nach Europa. Bis vor Kurzem lag diese Urgeschichte noch im Dunkeln, doch mit den neuen Methoden der Genetik hat sich das grundlegend geändert. Johannes Krause, einer der führenden Experten auf dem Gebiet, erzählt gemeinsam mit Thomas Trappe, was uns die Gene über unsere Herkunft verraten: Gibt es "Urvölker"? Wann verloren die frühen Europäer ihre dunkle Haut? Welche Rolle spielte die Balkanroute in den vergangenen 40 000 Jahren? Eine große Erzählung, die zeigt: Ohne die Einwanderer, die über Jahrtausende aus allen Richtungen nach Europa kamen und immer wieder Innovationen mitbrachten, wäre unser Kontinent gar nicht denkbar.
»Johannes Krause und Thomas Trappe geben einen spannenden Überblick über das, was uns die Revolution der Archäogenetik über die europäische Bevölkerungsgeschichte lehrt. Ihr Buch fängt die Begeisterung ein, die diese junge Wissenschaft auslöst.« Wall Street Journal
»Johannes Krause und Thomas Trappe geben einen spannenden Überblick über das, was uns die Revolution der Archäogenetik über die europäische Bevölkerungsgeschichte lehrt. Ihr Buch fängt die Begeisterung ein, die diese junge Wissenschaft auslöst.« Wall Street Journal
"Selten dürfte man auf nur 250 Seiten so viel und so grundstürzend Neues lernen wie bei diesem Buch." Burkhard Müller Süddeutsche Zeitung 20190404
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2019Europas alte Gene
Einwanderung und die Folgen: Die junge Archäogenetik liefert Fakten für die aktuelle Migrationsdebatte, aber auch einigen Zündstoff.
Von Joachim Müller-Jung
Man sollte dieses Buch dringend Politikern empfehlen, Populisten sowieso und überhaupt allen an Politik interessierten Querdenkern und Neonationalisten. Zumindest ist es sinnvoll, diesen Rat der eigentlichen Besprechung vorauszuschicken. Denn die muss sich weniger mit der politischen Intention als mit den differenzierten wissenschaftlichen Inhalten des Buches beschäftigen.
Johannes Krause, Molekularbiologe und Direktor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena, der bei dem Leipziger Paläogenetik-Pionier Svante Pääbo angefangen hat, legt hier eine bemerkenswerte Neuinterpretation der Menschheitsgeschichte vor - mit Schwerpunkt europäische Prähistorie. Zusammen mit dem Journalisten Thomas Trappe, der an der gesellschaftlichen und politischen Einordnung mitgearbeitet hat, schildert Krause ein Jahrzehnt des Umbruchs in der Historiographie. Ein Umbruch, der in seiner Wucht noch längst nicht zu ermessen war, als man vor fast zwanzig Jahren die ersten menschlichen Genome entzifferte.
Wer sich für Krimis interessiert, kennt das: Jeder Mord, jede Vergewaltigung und jeder Raubüberfall ist heute ein Fall fürs Labor. Die Sherlock Holmes der Gegenwart sind forensisch im molekularen Kosmos unterwegs, und genau dasselbe erleben wir jetzt mit der Geschichtsschreibung und der Archäologie. DNA und Gene überall. Die Sequenzierung des Erbguts, das aus dem Knochenmehl prähistorischer Skelettreste heute fast mühelos gewonnen wird, ist zum "Logbuch für die persönliche Geschichte von Einwanderung und genetischer Vermischung" geworden. Krause und Trappe schütten dieses Füllhorn neuer Erkenntnisse über den Leser aus, leicht verständlich auch für genetische Laien, aber eben auch spannend wie ein historischer Krimi.
Die Autoren beginnen mit unseren genetisch frühen Beziehungen zu Neandertalern und den Danisovanern im Osten. Von der Alt- und Mittelsteinzeit geht es aber sehr bald in die jüngere Epoche, vor allem in die Zeit zwischen 8000 und 3000 Jahre vor heute, die genetisch wie kulturell für das heutige Europa (und nicht nur für es) entscheidende Veränderungen hervorgebracht hat. Es waren radikale, auch mit buchstäblicher Gewalt verbundene Revolutionen, die vor allem mit den zwei großen Einwanderungswellen des Homo sapiens einher gingen: dem ersten, vor achttausend Jahren beginnenden Zuzug von sesshaften, innovativen Großfamilien aus Anatolien, welche die im fruchtbaren Halbmond entwickelten Techniken der Landwirtschaft nach Europa brachten, und der zweiten Einwanderungswelle von nicht minder erfinderischen osteuropäischen Steppenbewohnern, die auf eine von Klimaeinbrüchen und Krankheiten geschwächte Bevölkerung traf und diese zahlenmäßig zum großen Teil ersetzten - und außerdem die Bronzezeit auf den Weg brachten.
All das lässt sich nach Überzeugung der Autoren aus der genetischen Zusammensetzung der Menschenreste inzwischen plausibel ableiten. Aber selbstverständlich schlummert in diesen Indizien einer "kulturellen Verdrängung" gerade vor dem Hintergrund heutiger Migrationsdebatten ein Konfliktpotential, weswegen die Autoren nach Kräften bemüht sind, die Gemüter zu beruhigen. Sie schreiben gegen Fatalismus ebenso an wie gegen Romantisierungen. Die genetische "Reise der Menschheit" werde weitergehen, Nationalismus hin oder her. Genetisch sei Annäherung angesagt. Man darf gespannt sein, wie ihre Faktensammlung gegen "Abschottung" in den politischen Kreisen diskutiert wird.
Johannes Krause: "Die Reise unserer Gene". Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren.
Unter Mitarbeit von Thomas Trappe.
Propyläen Verlag, Berlin 2019. 288 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einwanderung und die Folgen: Die junge Archäogenetik liefert Fakten für die aktuelle Migrationsdebatte, aber auch einigen Zündstoff.
Von Joachim Müller-Jung
Man sollte dieses Buch dringend Politikern empfehlen, Populisten sowieso und überhaupt allen an Politik interessierten Querdenkern und Neonationalisten. Zumindest ist es sinnvoll, diesen Rat der eigentlichen Besprechung vorauszuschicken. Denn die muss sich weniger mit der politischen Intention als mit den differenzierten wissenschaftlichen Inhalten des Buches beschäftigen.
Johannes Krause, Molekularbiologe und Direktor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena, der bei dem Leipziger Paläogenetik-Pionier Svante Pääbo angefangen hat, legt hier eine bemerkenswerte Neuinterpretation der Menschheitsgeschichte vor - mit Schwerpunkt europäische Prähistorie. Zusammen mit dem Journalisten Thomas Trappe, der an der gesellschaftlichen und politischen Einordnung mitgearbeitet hat, schildert Krause ein Jahrzehnt des Umbruchs in der Historiographie. Ein Umbruch, der in seiner Wucht noch längst nicht zu ermessen war, als man vor fast zwanzig Jahren die ersten menschlichen Genome entzifferte.
Wer sich für Krimis interessiert, kennt das: Jeder Mord, jede Vergewaltigung und jeder Raubüberfall ist heute ein Fall fürs Labor. Die Sherlock Holmes der Gegenwart sind forensisch im molekularen Kosmos unterwegs, und genau dasselbe erleben wir jetzt mit der Geschichtsschreibung und der Archäologie. DNA und Gene überall. Die Sequenzierung des Erbguts, das aus dem Knochenmehl prähistorischer Skelettreste heute fast mühelos gewonnen wird, ist zum "Logbuch für die persönliche Geschichte von Einwanderung und genetischer Vermischung" geworden. Krause und Trappe schütten dieses Füllhorn neuer Erkenntnisse über den Leser aus, leicht verständlich auch für genetische Laien, aber eben auch spannend wie ein historischer Krimi.
Die Autoren beginnen mit unseren genetisch frühen Beziehungen zu Neandertalern und den Danisovanern im Osten. Von der Alt- und Mittelsteinzeit geht es aber sehr bald in die jüngere Epoche, vor allem in die Zeit zwischen 8000 und 3000 Jahre vor heute, die genetisch wie kulturell für das heutige Europa (und nicht nur für es) entscheidende Veränderungen hervorgebracht hat. Es waren radikale, auch mit buchstäblicher Gewalt verbundene Revolutionen, die vor allem mit den zwei großen Einwanderungswellen des Homo sapiens einher gingen: dem ersten, vor achttausend Jahren beginnenden Zuzug von sesshaften, innovativen Großfamilien aus Anatolien, welche die im fruchtbaren Halbmond entwickelten Techniken der Landwirtschaft nach Europa brachten, und der zweiten Einwanderungswelle von nicht minder erfinderischen osteuropäischen Steppenbewohnern, die auf eine von Klimaeinbrüchen und Krankheiten geschwächte Bevölkerung traf und diese zahlenmäßig zum großen Teil ersetzten - und außerdem die Bronzezeit auf den Weg brachten.
All das lässt sich nach Überzeugung der Autoren aus der genetischen Zusammensetzung der Menschenreste inzwischen plausibel ableiten. Aber selbstverständlich schlummert in diesen Indizien einer "kulturellen Verdrängung" gerade vor dem Hintergrund heutiger Migrationsdebatten ein Konfliktpotential, weswegen die Autoren nach Kräften bemüht sind, die Gemüter zu beruhigen. Sie schreiben gegen Fatalismus ebenso an wie gegen Romantisierungen. Die genetische "Reise der Menschheit" werde weitergehen, Nationalismus hin oder her. Genetisch sei Annäherung angesagt. Man darf gespannt sein, wie ihre Faktensammlung gegen "Abschottung" in den politischen Kreisen diskutiert wird.
Johannes Krause: "Die Reise unserer Gene". Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren.
Unter Mitarbeit von Thomas Trappe.
Propyläen Verlag, Berlin 2019. 288 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main