Auf 120 000 Kilometer hat man die gesamte Reisestrecke geschätzt, die Ibn Battuta im 14. Jahrhundert zu Pferd und Kamel,
zu Schiff, im Ochsenwagen und in der Sänfte zurücklegte. Siebenundzwanzig Jahre lang reiste der Marokkaner bis an die Grenzen
der damals bekannten Welt. Er lernte Heilige und Wandermönche, Könige, Sultane und Despoten in den entlegensten Teilen der muslimischen Reiche
kennen, während er die heiligen Stätten des Islam besuchte: Bagdad, Mekka, Kairo und Damaskus, aber auch Indien, die Malediven und
China sind seine Stationen. Nach einem kurzen Besuch Spaniens und einer zweijährigen Reise nach Mali und Niger legte der rastlos Reisende
den Wanderstab endgültig zur Seite. Der Bericht, den er nach seiner Rückkehr diktierte, trug ihm nicht nur in der arabischen Welt
den Beinamen des größten Reisenden des Islam ein.
Im zweiten Band führt die Reise von Delhi und Südindien auf die Maledivenund Ceylon, dann nach China und schließlich nach Spanien und
in die Sahara. Nachwort sowie Hinweise auf die arabische Aussprache und reichhaltiges Kartenmaterial vervollständigen den Reisebericht.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
zu Schiff, im Ochsenwagen und in der Sänfte zurücklegte. Siebenundzwanzig Jahre lang reiste der Marokkaner bis an die Grenzen
der damals bekannten Welt. Er lernte Heilige und Wandermönche, Könige, Sultane und Despoten in den entlegensten Teilen der muslimischen Reiche
kennen, während er die heiligen Stätten des Islam besuchte: Bagdad, Mekka, Kairo und Damaskus, aber auch Indien, die Malediven und
China sind seine Stationen. Nach einem kurzen Besuch Spaniens und einer zweijährigen Reise nach Mali und Niger legte der rastlos Reisende
den Wanderstab endgültig zur Seite. Der Bericht, den er nach seiner Rückkehr diktierte, trug ihm nicht nur in der arabischen Welt
den Beinamen des größten Reisenden des Islam ein.
Im zweiten Band führt die Reise von Delhi und Südindien auf die Maledivenund Ceylon, dann nach China und schließlich nach Spanien und
in die Sahara. Nachwort sowie Hinweise auf die arabische Aussprache und reichhaltiges Kartenmaterial vervollständigen den Reisebericht.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2007"20 Prozent geflunkert"
Ein früherer Chemie-Manager hat sich Arabisch beigebracht und an eine Herkulesaufgabe getraut: die "Reisen des Ibn Battuta".
VON WERNER BREUNIG
SEEHEIM-JUGENHEIM. Welche Lücke, welche Herausforderung. Im Geschichtsseminar über Reisen im Mittelalter werden die Themen vergeben. Horst Grün, Seniorstudent an der Technischen Universität Darmstadt, überlässt den jungen Kommilitonen die Auswahl. Marco Polo ist weg, Magellan auch. Ihm bleibt Ibn Battuta. Und dann findet er für sein Referat kaum Quellen, keine vollständige Übersetzung aus dem Arabischen ins Deutsche, nur Fragmente, nur eine alte Übertragung ins Französische. Grün sah die Lücke, die er füllen wollte. Seit einigen Wochen liegt nun erstmals eine komplette Übersetzung der Reisen des Ibn Battuta ins Deutsche vor. Auf rund 800 Seiten berichtet der arabische Weltreisende des 14. Jahrhunderts von seinen Fahrten bis an die Grenzen der damals bekannten Welt.
Grün hat den Text mit unzähligen Anmerkungen erläutert. Zugute kam ihm, dass ihn fremde Länder und fremde Sprachen, die er sich zum größten Teil autodidaktisch angeeignet hatte, faszinierten. Zudem profitierte er von der ihm eigenen Beharrlichkeit. Der 1938 in Oberhausen geborene Grün studierte nach einer kaufmännischen Lehre Betriebswirtschaft in Köln, trat 1966 in die Hoechst AG in Frankfurt ein, füllte verschiedene Positionen aus, war zuletzt Leiter des Werkes Ruhrchemie in Oberhausen, davor Leiter des betrieblichen Rechnungswesens bei Hoechst, ging auch 1991 für zwei Jahre nach Bitterfeld und leitete dort die Chemie AG. Zuständig war er meist für Personal, Finanzen, Einkauf, Auftragsabwicklung.
Beruflich war er viel unterwegs, wochenlang in Nord- und Südamerika, fast überall im westlichen Europa. 1989 ließ er sich in Jugenheim an der Bergstraße nieder, baute ein Haus am Blütenhang. Allerdings pendelte er immer, hatte eine Wohnung in Oberhausen oder Bitterfeld. Eigentlich wollte er sich mit sechzig zur Ruhe setzen und ein Studium aufnehmen, hatte das seiner Frau, die oft allein in dem großen Haus war, versprochen. Als er von der unheilbaren Krankheit seiner Frau erfuhr, die nicht mehr allein leben konnte, zog er den Ruhestand um einige Monate vor.
Geschichte war sein Fach, da gab es für ihn nie einen Zweifel. Er verweist auch heute auf die laufenden Meter an Geschichtsbüchern im Regal. Dann entschloss er sich noch für Germanistik. Abschlüsse legte er keine ab, hatte aber alle Voraussetzungen dafür erfüllt, alle notwendigen Scheine erworben. Sprachen zu lernen bereitete ihm immer Freude. Die italienische Mutter besorgte ihren Teil, doch mit klassischem Lateinunterricht als Rüstzeug eignete er sich später neben Englisch und Französisch auch noch Spanisch und Portugiesisch an, er kann zudem etwas Russisch und Türkisch. Noch heute muss er schmunzeln, wenn er von seiner ersten Begegnung mit Arabisch berichtet. Auf einer Flugreise habe er, damals im Alter von 38 Jahren, ein Büchlein gefunden: Arabisch in 20 Lektionen, allerdings auf Französisch. Bei der Landung habe er den Eindruck gehabt, das sei machbar. Er besorgte sich Bücher, ging der Grammatik nach, lernte Wörter.
Sprechen könne er die Sprache kaum, wegen des Dialektes auch nicht verstehen, höchstens mal einen Halbsatz, doch die Schrift, die sich über Jahrhunderte nicht verändert hat, sei sein Metier. 2001 wuchs im Studium Grüns Interesse an dem Weltreisenden Ibn Battuta. Über Umwege besorgte er sich aus Kairo vier arabische Ausgaben der Reiseberichte. Glücklich stellte er fest, dass die Texte identisch waren, freute sich diebisch darüber, dass eine der Ausgaben für Jugendliche um anrüchige Stellen und sexuelle Beschreibungen gekürzt war. Zudem fand er in einem anderen Buch zahlreiche Anmerkungen, woraus er, wie er sagt, Honig sog. Vor allem die Hinweise auf Koransuren oder auf kaum noch bekannte Wörter halfen ihm. Was Grün heute noch erregt, ist die fehler- und lückenhafte Übersetzung bisher. Die deutsche Ausgabe habe ohnehin nur 45 Prozent erfasst. Doch auch an Ibn Battuta selbst äußert er Kritik, habe doch der Weltreisende "zu 20 Prozent geflunkert", habe von Gegenden berichtet, in denen er nie gewesen sei, habe von Routen erzählt, die er, rein zeitlich, überhaupt nicht zurückgelegt haben könne. Und manches sei doch recht erzählerisch ausgeschmückt. Doch gilt Ibn Battutas Bericht als eines der ganz wenigen Zeugnisse des 14. Jahrhunderts, auch wenn er über die Pyramiden in Ägypten schrieb, sie seien kreisrund.
23 Monate arbeitete Grün in seinem Kellerbüro an der Übersetzung. Am 65. Geburtstag begann er damit. 2005 schloss er die Arbeit ab. Er räumt ein, dass er ein einziges Wort - es habe etwas mit Essen zu tun - nicht habe übersetzen können. Dann folgte die Suche nach einem Verlag. Der wohl renommierteste wissenschaftliche Verlag lehnte nach langer Bedenkphase ab, weil er der Sache offenbar nicht recht traute: Grün war weder Professor für Arabisch, noch konnte er mit früheren Veröffentlichungen aufwarten. Doch inzwischen liegen die zwei Bände vor. Der Übersetzer hat nun Zeit für neue Projekte.
Er aber sagt von sich, nun habe er das Recht, erst einmal nichts zu tun. Das heißt, er kommt wieder zum Lesen, freut sich am Original von Dickens' "Bleak House" und den originellen Charakteren des Buches, ist begeistert von Kehlmanns "Die Vermessung der Welt". Schach ist eine weitere Leidenschaft, wobei er gelegentlich auch in einer AG Jugendliche mit dem Spiel vertraut macht. Zeit bringt Grün nun auch wieder auf für sein anderes großes Projekt: Er baut ein französisches Kriegsschiff aus dem 18. Jahrhundert originalgetreu nach. Stolz zeigt er auf die Materialien. Wer Grün am Abend gelegentlich in seiner Jugenheimer Stammkneipe antrifft, wird nicht selten in Gespräche verwickelt mit Spezialisten, die besondere Hölzer oder besondere Werkzeuge für das Schiff besorgen können. Schalke 04, "der beste Club aus dem Ruhrpott", ist ein anderes Stichwort, auf das er immer anspringt.
Die Reisen des Ibn Battuta, herausgegeben und übersetzt von Horst Jürgen Grün, zwei Bände, Allitera Verlag, 35 und 34 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein früherer Chemie-Manager hat sich Arabisch beigebracht und an eine Herkulesaufgabe getraut: die "Reisen des Ibn Battuta".
VON WERNER BREUNIG
SEEHEIM-JUGENHEIM. Welche Lücke, welche Herausforderung. Im Geschichtsseminar über Reisen im Mittelalter werden die Themen vergeben. Horst Grün, Seniorstudent an der Technischen Universität Darmstadt, überlässt den jungen Kommilitonen die Auswahl. Marco Polo ist weg, Magellan auch. Ihm bleibt Ibn Battuta. Und dann findet er für sein Referat kaum Quellen, keine vollständige Übersetzung aus dem Arabischen ins Deutsche, nur Fragmente, nur eine alte Übertragung ins Französische. Grün sah die Lücke, die er füllen wollte. Seit einigen Wochen liegt nun erstmals eine komplette Übersetzung der Reisen des Ibn Battuta ins Deutsche vor. Auf rund 800 Seiten berichtet der arabische Weltreisende des 14. Jahrhunderts von seinen Fahrten bis an die Grenzen der damals bekannten Welt.
Grün hat den Text mit unzähligen Anmerkungen erläutert. Zugute kam ihm, dass ihn fremde Länder und fremde Sprachen, die er sich zum größten Teil autodidaktisch angeeignet hatte, faszinierten. Zudem profitierte er von der ihm eigenen Beharrlichkeit. Der 1938 in Oberhausen geborene Grün studierte nach einer kaufmännischen Lehre Betriebswirtschaft in Köln, trat 1966 in die Hoechst AG in Frankfurt ein, füllte verschiedene Positionen aus, war zuletzt Leiter des Werkes Ruhrchemie in Oberhausen, davor Leiter des betrieblichen Rechnungswesens bei Hoechst, ging auch 1991 für zwei Jahre nach Bitterfeld und leitete dort die Chemie AG. Zuständig war er meist für Personal, Finanzen, Einkauf, Auftragsabwicklung.
Beruflich war er viel unterwegs, wochenlang in Nord- und Südamerika, fast überall im westlichen Europa. 1989 ließ er sich in Jugenheim an der Bergstraße nieder, baute ein Haus am Blütenhang. Allerdings pendelte er immer, hatte eine Wohnung in Oberhausen oder Bitterfeld. Eigentlich wollte er sich mit sechzig zur Ruhe setzen und ein Studium aufnehmen, hatte das seiner Frau, die oft allein in dem großen Haus war, versprochen. Als er von der unheilbaren Krankheit seiner Frau erfuhr, die nicht mehr allein leben konnte, zog er den Ruhestand um einige Monate vor.
Geschichte war sein Fach, da gab es für ihn nie einen Zweifel. Er verweist auch heute auf die laufenden Meter an Geschichtsbüchern im Regal. Dann entschloss er sich noch für Germanistik. Abschlüsse legte er keine ab, hatte aber alle Voraussetzungen dafür erfüllt, alle notwendigen Scheine erworben. Sprachen zu lernen bereitete ihm immer Freude. Die italienische Mutter besorgte ihren Teil, doch mit klassischem Lateinunterricht als Rüstzeug eignete er sich später neben Englisch und Französisch auch noch Spanisch und Portugiesisch an, er kann zudem etwas Russisch und Türkisch. Noch heute muss er schmunzeln, wenn er von seiner ersten Begegnung mit Arabisch berichtet. Auf einer Flugreise habe er, damals im Alter von 38 Jahren, ein Büchlein gefunden: Arabisch in 20 Lektionen, allerdings auf Französisch. Bei der Landung habe er den Eindruck gehabt, das sei machbar. Er besorgte sich Bücher, ging der Grammatik nach, lernte Wörter.
Sprechen könne er die Sprache kaum, wegen des Dialektes auch nicht verstehen, höchstens mal einen Halbsatz, doch die Schrift, die sich über Jahrhunderte nicht verändert hat, sei sein Metier. 2001 wuchs im Studium Grüns Interesse an dem Weltreisenden Ibn Battuta. Über Umwege besorgte er sich aus Kairo vier arabische Ausgaben der Reiseberichte. Glücklich stellte er fest, dass die Texte identisch waren, freute sich diebisch darüber, dass eine der Ausgaben für Jugendliche um anrüchige Stellen und sexuelle Beschreibungen gekürzt war. Zudem fand er in einem anderen Buch zahlreiche Anmerkungen, woraus er, wie er sagt, Honig sog. Vor allem die Hinweise auf Koransuren oder auf kaum noch bekannte Wörter halfen ihm. Was Grün heute noch erregt, ist die fehler- und lückenhafte Übersetzung bisher. Die deutsche Ausgabe habe ohnehin nur 45 Prozent erfasst. Doch auch an Ibn Battuta selbst äußert er Kritik, habe doch der Weltreisende "zu 20 Prozent geflunkert", habe von Gegenden berichtet, in denen er nie gewesen sei, habe von Routen erzählt, die er, rein zeitlich, überhaupt nicht zurückgelegt haben könne. Und manches sei doch recht erzählerisch ausgeschmückt. Doch gilt Ibn Battutas Bericht als eines der ganz wenigen Zeugnisse des 14. Jahrhunderts, auch wenn er über die Pyramiden in Ägypten schrieb, sie seien kreisrund.
23 Monate arbeitete Grün in seinem Kellerbüro an der Übersetzung. Am 65. Geburtstag begann er damit. 2005 schloss er die Arbeit ab. Er räumt ein, dass er ein einziges Wort - es habe etwas mit Essen zu tun - nicht habe übersetzen können. Dann folgte die Suche nach einem Verlag. Der wohl renommierteste wissenschaftliche Verlag lehnte nach langer Bedenkphase ab, weil er der Sache offenbar nicht recht traute: Grün war weder Professor für Arabisch, noch konnte er mit früheren Veröffentlichungen aufwarten. Doch inzwischen liegen die zwei Bände vor. Der Übersetzer hat nun Zeit für neue Projekte.
Er aber sagt von sich, nun habe er das Recht, erst einmal nichts zu tun. Das heißt, er kommt wieder zum Lesen, freut sich am Original von Dickens' "Bleak House" und den originellen Charakteren des Buches, ist begeistert von Kehlmanns "Die Vermessung der Welt". Schach ist eine weitere Leidenschaft, wobei er gelegentlich auch in einer AG Jugendliche mit dem Spiel vertraut macht. Zeit bringt Grün nun auch wieder auf für sein anderes großes Projekt: Er baut ein französisches Kriegsschiff aus dem 18. Jahrhundert originalgetreu nach. Stolz zeigt er auf die Materialien. Wer Grün am Abend gelegentlich in seiner Jugenheimer Stammkneipe antrifft, wird nicht selten in Gespräche verwickelt mit Spezialisten, die besondere Hölzer oder besondere Werkzeuge für das Schiff besorgen können. Schalke 04, "der beste Club aus dem Ruhrpott", ist ein anderes Stichwort, auf das er immer anspringt.
Die Reisen des Ibn Battuta, herausgegeben und übersetzt von Horst Jürgen Grün, zwei Bände, Allitera Verlag, 35 und 34 Euro.
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