In diesem Pamphlet stellt Paul Lafargue, einer der bedeutendsten Denker des Sozialismus in Frankreich, die Macht des Kapitals als religiöses System dar und regte damit an, die Religion im Rahmen der Geschichte der Entfremdungsformen umgekehrt als Vorläufer des Kapitals zu verstehen. Lafargue, der mit seinem Buch Recht auf Faulheit auch in Deutschland bekannt wurde, schlägt in seiner Kapitalismuskritik eine andere Richtung als sein Schwiegervater Karl Marx ein und geht in gewisser Weise über ihn hinaus. So sieht er das Religiöse nicht in der Ideologie, sondern im materiellen Aufbau des Kapitals.Jean-Pierre Baudet knüpft in seinem Nachwort an Lafargues Grundgedanken an und überführt sie in eine aktuelle Kapitalismuskritik.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2010Prognosen
Paul Lafargue, der Schwiegersohn von Karl Marx, 1842 in Kuba geboren, hat sich im Gedächtnis der Linken einen bleibenden Platz durch sein amüsantes Buch "Das Recht auf Faulheit" erworben. Nun wird seine 1886 verfasste Parodie der heiligen Schriften wiederentdeckt. Ein Londoner Kongress, so die Fiktion des Büchleins, auf dem Kirchen-, Staats- und Wirtschaftsführer beraten, wie die Gefahr der Arbeiterbewegung zu bannen sei, verfällt auf die Idee, dass man nicht darum herumkommt, das Kapital als Gott einzusetzen. Und nun entwirft man Gebete, einen Katechismus des Arbeiters, ein Credo, eine Predigt der Kurtisane, schließlich die Klagen des Kapitalisten Hiob Rothschild. Das Nachwort hat der ehemalige Situationist Jean-Pierre Baudet verfasst. Er will aus der literarischen Parodie eine konsistente Theorie gewinnen, und dabei überzieht er den Kredit gewaltig, den man Lafargue als Satiriker zugestehen könnte. "Die Menschen haben Brahma, Jupiter, Jesus und Allah aus dem Himmel verjagt, meinen eigenen Tod aber besorge ich selber." So spricht der Gott Kapital bei Lafargue. An dieser Stelle wird es unheimlich. Denn am 26. November 1911 besorgte das Ehepaar Lafargue seinen eigenen Tod. (Paul Lafargue: "Die Religion des Kapitals". Aus dem Französischen von Andreas Rötzer. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Jean-Pierre Baudet. Verlag Matthes und Seitz, Berlin 2009. 176 S., br., 14,80 [Euro].) L.J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Paul Lafargue, der Schwiegersohn von Karl Marx, 1842 in Kuba geboren, hat sich im Gedächtnis der Linken einen bleibenden Platz durch sein amüsantes Buch "Das Recht auf Faulheit" erworben. Nun wird seine 1886 verfasste Parodie der heiligen Schriften wiederentdeckt. Ein Londoner Kongress, so die Fiktion des Büchleins, auf dem Kirchen-, Staats- und Wirtschaftsführer beraten, wie die Gefahr der Arbeiterbewegung zu bannen sei, verfällt auf die Idee, dass man nicht darum herumkommt, das Kapital als Gott einzusetzen. Und nun entwirft man Gebete, einen Katechismus des Arbeiters, ein Credo, eine Predigt der Kurtisane, schließlich die Klagen des Kapitalisten Hiob Rothschild. Das Nachwort hat der ehemalige Situationist Jean-Pierre Baudet verfasst. Er will aus der literarischen Parodie eine konsistente Theorie gewinnen, und dabei überzieht er den Kredit gewaltig, den man Lafargue als Satiriker zugestehen könnte. "Die Menschen haben Brahma, Jupiter, Jesus und Allah aus dem Himmel verjagt, meinen eigenen Tod aber besorge ich selber." So spricht der Gott Kapital bei Lafargue. An dieser Stelle wird es unheimlich. Denn am 26. November 1911 besorgte das Ehepaar Lafargue seinen eigenen Tod. (Paul Lafargue: "Die Religion des Kapitals". Aus dem Französischen von Andreas Rötzer. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Jean-Pierre Baudet. Verlag Matthes und Seitz, Berlin 2009. 176 S., br., 14,80 [Euro].) L.J.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Mit Begeisterung hat Michael Böhm diese wiederaufgelegte Schrift des Schwiegersohns von Karl Marx gelesen, die aus seiner Sicht es an "Witz und sprachlicher Eleganz" mit Autoren wie Heinrich Heine und Charles Dickens aufnehmen kann, und der auch aus heutiger Sicht immer noch als Prophet gelten kann, wie Böhm meint. Die Begeisterung speist sich für ihn im Wesentlichen aus den Textteilen, in denen die kapitalistische Welt als gewaltige Orgie des Tausches beschrieben wird, die alles zermalmt und aus den Angeln hebt und zu einer beispiellosen Ökonomisierung des Daseins geführt hat. Aber auch die Verve, mit der das Kapital als "Gefäß Gottes" geschildert wird, hat Böhm beeindruckt. Das Nachwort, das Jean Pierre Baudet zur deutschen Neuausgabe beigesteuert hat, bekommt ebenfalls gute Noten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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