»Lenin - heute? Die erste quasiautomatische Antwort auf diesen Vorschlag wird ein Lachen sein: Das meinst Du unmöglich ernst! Eine Rückkehr zu Marx, das könnten wir gerade noch verstehen; die ökonomische und technologische Globalisierung scheint Marx' Analysen der kapitalistischen Dynamik in der Tat zu bestätigen, und auch der Beschreibung des 'Fetischcharakters der Ware' können wir noch etwas abgewinnen. Aber Lenin?!« So formulierte Slavoj Zizek in seinem programmatischen Zeit-Artikel »Von Lenin lernen« erste zu erwartende Reaktionen auf seine Beschäftigung mit Lenin. Hierbei handelt es sich aber um den Versuch, eine kritische Perspektive auf die gegenwärtige politische Situation zu gewinnen. »Die Frage lautet also nicht: 'Was hat Lenin gemeint, und was hat er uns heute zu sagen?' Sie lautet genau andersherum: Wie erscheint uns die gegenwärtige Gesellschaft aus einer leninistischen Perspektive?«
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002Er will Revolutionär werden anstelle des Revolutionärs
Was zum Kuckuck interpretiert er da? Slavoj Zizek erstellt ein Manifest des Schlamper-Kommunismus / Von Dietmar Dath
Dieses kleine rote Buch ist brav gewollt, in vielerlei Hinsicht verdienstvoll und liest sich flink; man hat es fast so schnell gefressen, wie es wohl zusammengeschrieben wurde. Neomarxismus mal andersherum: Statt "die Klassiker" aus heutiger Weltklugheit heraus zu "rekonstruieren", gibt Slavoj Zizek den Bauchredner Lenins und malt sich aus, wie jener wohl unsere Lage diskutiert hätte.
Der Autor macht dabei keine Gefangenen und bringt seine schnittigen Einfälle mit Verve vor; ein paarmal ging im Eifer des Gefechts allerdings auf seiner wie auf Lektorenseite das eine oder andere daneben - die Geschichte der Oktoberrevolution, soweit sie kein Staatsstreich einer "winzigen Gruppe" war, sondern eine der spontan organisierten "Lokalkomitees", ist gewiß nicht, wie Zizek schreibt, "ungeschrieben", sondern von Trotzkis "Geschichte der russischen Revolution" bis zu den einschlägigen Texten von John Reed eine der geschriebensten Geschichten der letzten 150 Jahre; das angeführte "Sachbuch" der ultraliberalen Autorin Ayn Rand - in Wirklichkeit eine Aufsatzsammlung mit diversen Beiträgen anderer - heißt nicht "Capitalism, this unknown Ideal", und die darin gebrauchte Formulierung "America's persecuted minority - Big Business" sollte man eher nicht mit "Topmanager - Amerikas letzte bedrohte Spezies" übersetzen; "Lenins Empiriocriticism", was immer das als deutschsprachige Formulierung bedeuten soll, gibt es nicht, sondern nur ein Buch von Lenin über den sogenannten "Empiriokritizismus" von Bogdanow und Konsorten - immerhin der früher recht berühmte Band 14 der Lenin-Werkausgabe; die "Philosophischen Notizbücher" Lenins heißen korrekt, mit offiziellem, zitierfähigem Titel "Philosophische Hefte"; das "Project Mayhem" im Film "Fight Club" heißt in der geläufigen deutschen Synchronisation "Projekt Chaos" und hätte hier also nicht unübersetzt stehenbleiben müssen; Lenin hat keineswegs je irgend etwas über "Linkspolitik als Kinderkrankheit des Kommunismus" geschrieben - er wäre schön blöd gewesen, seine Politik verstand er durchaus als gediegen links -, sondern nur ein weiland vielgelesenes Werk namens "Der ,linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus", bei dessen Titel ihm die Anführungszeichen fast das wichtigste waren; Marxens Krisentheorie wurzelt nicht allein in der "Kluft zwischen Gebrauchs- und Tauschwert", sondern in der Idee der zyklischen Überproduktion und später im tendenziellen Fall der Profitrate sowie der strukturdynamischen Unfähigkeit des Werts, sich zu verwerten; der Satz "Die letzte große Gestalt des Liberalismus war Ernst Cassirer" ist eine zumindest gewagte These; Leo Trotzki hat den Stalinismus gerade nicht als "Produkt von Stalins Persönlichkeit" begriffen, sondern umgekehrt letztere als Resultante eines "stalinistischen" Bürokratisierungsprozesses in der Sowjetunion - Zizek kennt offenbar weder Trotzkis Stalin-Buch noch desselben Schriftstellers großen Traktat "Verratene Revolution"; und so weiter.
Diese Schnitzer sind indes gerade in ihrer Vielzahl und Persistenz sowie im Hinblick darauf, welche Sorte Text- und Sachwissen sie betreffen, spaßigerweise keine reinen Blößen, die der slowenische Lenin-Beleber sich gibt. Sie belegen vielmehr geradezu mit bestechender Zwangsläufigkeit, was er als Befund ernst genommen wissen will: daß unsere Zeit von den da betroffenen Sachen, vor allem aber vom Werk Lenins, viel zuwenig, fast gar nichts mehr weiß. Daß nicht nur um Lenin angeordnete Herzstücke des kommunistischen Klassikerkanons in Zizeks Referat Verzerrungen unterliegen, sondern auch die Schriften einer Fürsprecherin der bürgerlichen Freiheit wie Ayn Rand, würde in diesem von Zizeks meisterhaftem Gehudel unterschwellig provozierten Verständnis seines Textes als eines Beweisstücks seiner eigenen These gerade belegen, daß durch den Sieg der marktliberalen Divisionen im "Weltbürgerkrieg" (Lenin) nicht nur das Wissen und Wollen ihrer entschiedenen Gegner dem Vergessen anheimfielen, sondern auch für die bürgerliche Freiheit selbst nach ihrer falschen, katastrophischen Durchsetzung als globalisierte Entfremdung und Verdinglichung keine ideologische Verwendung mehr besteht.
Lenin hätte all das, Zizeks Schnitzer wie dessen Thesen, inklusive einiger eilends zusammenprophezeiter Extrapolationen anläßlich des 11. September 2001, erheblich knapper und beherzter einfach der "Fäulnis" des Kapitalismus zugeschlagen. Aber auch da kann Zizek locker mehr wissen als der, den er reanimiert: Kürze und Knappheit braucht nur der Politiker, der keine Zeit hat, weil er etwas ausrichten kann und will. Heutige linke Zeitdiagnostik aber kann sich diese Zeit nehmen und steht, so parlando sie die dann auch, wie Zizek in diesem Buch, für arabeske Abschweifungen über Hollywood, Nike, Claudia Schiffers sterile Schönheit, Vaginalkameras im Internet und Lacansches Abrakadabra nutzt, am Ende trotzdem nicht macht- und bedeutungsloser da als je schon.
Einen ganz neuen Zizek hätte "Die Revolution steht bevor" der darüber vermutlich entzückten Welt präsentieren können: den konzis politischen Publizisten anstelle des überdrehten Kampfhahns und analytischen Schamanen. Statt der vollendeten Metamorphose aus den beiden letzteren in die erstere Pose gibt es jedoch von allen dreien ein wohlkalkuliertes bißchen. Politisch wird es in dem Buch vor allem da, wo Zizek das Wohlfeile konkurrierender Modelle der Rückbesinnung auf die sozialistischen Klassiker benennt: Daß etwa Marx in akademischen und akademienahen linken Kreisen heute wieder en vogue ist und Lenin vergessen, liegt wohl wirklich, wie Zizek beobachtet haben will, an einer Vorliebe für den folgenlosen Mahner im Londoner Exil, während man sich mit Sachen, Leuten und Texten, die bekanntlich ordentlich Folgen hatten, eher nicht belasten mag. Versöhnlich aber präsentiert sich Zizek jenen eklektischen Genießern pessimistischer oder wenigstens origineller Zeitkritik, die ja auch seinen eigenen Kundenstamm stellen, weniger durch explizite Zurücknahme solcher Entlarvungsleistungen als durch Tonfall und Gedankenverlauf: Wer so viele Digressionen und Blümchen am Wegesrand anbietet wie dieser Herr, der wird schon nicht allzu schnell auf Fakultätsbesetzungen, Enteignungskampagnen und Barrikaden zusteuern.
Hätte Zizek den von der Kundschaft geschätzten Zinnober weggelassen, die "Kulturdiagnostik" vor allem, wäre man ihm am Ende wirklich böse gewesen, aber auch so gibt es genügend Hinweise, daß mit dem Übergreifen des eigenen Politizitätsanspruchs auf die Bewertung der neuesten Daten aus der Welt der sozialen Entrechtung und globalen Verwüstung, wie sie der Schutzheilige Lenin ja eigentlich verlangen würde, so bald nicht zu rechnen ist: Acht Zehntel der kleinen Schrift gelten dem "Denker" Lenin, die philosophischen Manuskripte bis hin zum Digest und Grenzfall "Staat und Revolution" erfahren breite Exegesen, die genuin realpolitische Schlüsse nahelegenden Schriften Lenins aber, etwa das Imperialismusbüchlein oder "Was tun?", aus deren dümmsten und überholtesten Fehldiagnosen heute noch mehr politische Festlegungen erzwungen werden könnten als aus dreihundert dicken Bänden zum historischen Materialismus, tastet Zizek nicht einmal mit spitzen Fingern an.
Zu allem und jedem weiß er Marginalien einzutragen; daß sie marginal bleiben, dafür trägt er, der bei aller Lenin-Liebe eben doch ein "dezentrierter" und "postmoderner" Kopf ist, dennoch Sorge - und muß das ja auch, er wäre denn bereit, an dem Ast zu sägen, auf dem er so bezaubernd balanciert. Die heißesten, akutesten Texte der hier gelobten Klassiker haben es bei gleicher Länge nie auch nur auf halb so viele Fußnoten gebracht. Wie schrieb doch Lenin? "Lieber weniger, aber besser."
Slavoj Zizek: "Die Revolution steht bevor". Dreizehn Versuche über Lenin. Aus dem Englischen von Nikolaus G. Schneider. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 187 S., br., 9,- [Euro].
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Was zum Kuckuck interpretiert er da? Slavoj Zizek erstellt ein Manifest des Schlamper-Kommunismus / Von Dietmar Dath
Dieses kleine rote Buch ist brav gewollt, in vielerlei Hinsicht verdienstvoll und liest sich flink; man hat es fast so schnell gefressen, wie es wohl zusammengeschrieben wurde. Neomarxismus mal andersherum: Statt "die Klassiker" aus heutiger Weltklugheit heraus zu "rekonstruieren", gibt Slavoj Zizek den Bauchredner Lenins und malt sich aus, wie jener wohl unsere Lage diskutiert hätte.
Der Autor macht dabei keine Gefangenen und bringt seine schnittigen Einfälle mit Verve vor; ein paarmal ging im Eifer des Gefechts allerdings auf seiner wie auf Lektorenseite das eine oder andere daneben - die Geschichte der Oktoberrevolution, soweit sie kein Staatsstreich einer "winzigen Gruppe" war, sondern eine der spontan organisierten "Lokalkomitees", ist gewiß nicht, wie Zizek schreibt, "ungeschrieben", sondern von Trotzkis "Geschichte der russischen Revolution" bis zu den einschlägigen Texten von John Reed eine der geschriebensten Geschichten der letzten 150 Jahre; das angeführte "Sachbuch" der ultraliberalen Autorin Ayn Rand - in Wirklichkeit eine Aufsatzsammlung mit diversen Beiträgen anderer - heißt nicht "Capitalism, this unknown Ideal", und die darin gebrauchte Formulierung "America's persecuted minority - Big Business" sollte man eher nicht mit "Topmanager - Amerikas letzte bedrohte Spezies" übersetzen; "Lenins Empiriocriticism", was immer das als deutschsprachige Formulierung bedeuten soll, gibt es nicht, sondern nur ein Buch von Lenin über den sogenannten "Empiriokritizismus" von Bogdanow und Konsorten - immerhin der früher recht berühmte Band 14 der Lenin-Werkausgabe; die "Philosophischen Notizbücher" Lenins heißen korrekt, mit offiziellem, zitierfähigem Titel "Philosophische Hefte"; das "Project Mayhem" im Film "Fight Club" heißt in der geläufigen deutschen Synchronisation "Projekt Chaos" und hätte hier also nicht unübersetzt stehenbleiben müssen; Lenin hat keineswegs je irgend etwas über "Linkspolitik als Kinderkrankheit des Kommunismus" geschrieben - er wäre schön blöd gewesen, seine Politik verstand er durchaus als gediegen links -, sondern nur ein weiland vielgelesenes Werk namens "Der ,linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus", bei dessen Titel ihm die Anführungszeichen fast das wichtigste waren; Marxens Krisentheorie wurzelt nicht allein in der "Kluft zwischen Gebrauchs- und Tauschwert", sondern in der Idee der zyklischen Überproduktion und später im tendenziellen Fall der Profitrate sowie der strukturdynamischen Unfähigkeit des Werts, sich zu verwerten; der Satz "Die letzte große Gestalt des Liberalismus war Ernst Cassirer" ist eine zumindest gewagte These; Leo Trotzki hat den Stalinismus gerade nicht als "Produkt von Stalins Persönlichkeit" begriffen, sondern umgekehrt letztere als Resultante eines "stalinistischen" Bürokratisierungsprozesses in der Sowjetunion - Zizek kennt offenbar weder Trotzkis Stalin-Buch noch desselben Schriftstellers großen Traktat "Verratene Revolution"; und so weiter.
Diese Schnitzer sind indes gerade in ihrer Vielzahl und Persistenz sowie im Hinblick darauf, welche Sorte Text- und Sachwissen sie betreffen, spaßigerweise keine reinen Blößen, die der slowenische Lenin-Beleber sich gibt. Sie belegen vielmehr geradezu mit bestechender Zwangsläufigkeit, was er als Befund ernst genommen wissen will: daß unsere Zeit von den da betroffenen Sachen, vor allem aber vom Werk Lenins, viel zuwenig, fast gar nichts mehr weiß. Daß nicht nur um Lenin angeordnete Herzstücke des kommunistischen Klassikerkanons in Zizeks Referat Verzerrungen unterliegen, sondern auch die Schriften einer Fürsprecherin der bürgerlichen Freiheit wie Ayn Rand, würde in diesem von Zizeks meisterhaftem Gehudel unterschwellig provozierten Verständnis seines Textes als eines Beweisstücks seiner eigenen These gerade belegen, daß durch den Sieg der marktliberalen Divisionen im "Weltbürgerkrieg" (Lenin) nicht nur das Wissen und Wollen ihrer entschiedenen Gegner dem Vergessen anheimfielen, sondern auch für die bürgerliche Freiheit selbst nach ihrer falschen, katastrophischen Durchsetzung als globalisierte Entfremdung und Verdinglichung keine ideologische Verwendung mehr besteht.
Lenin hätte all das, Zizeks Schnitzer wie dessen Thesen, inklusive einiger eilends zusammenprophezeiter Extrapolationen anläßlich des 11. September 2001, erheblich knapper und beherzter einfach der "Fäulnis" des Kapitalismus zugeschlagen. Aber auch da kann Zizek locker mehr wissen als der, den er reanimiert: Kürze und Knappheit braucht nur der Politiker, der keine Zeit hat, weil er etwas ausrichten kann und will. Heutige linke Zeitdiagnostik aber kann sich diese Zeit nehmen und steht, so parlando sie die dann auch, wie Zizek in diesem Buch, für arabeske Abschweifungen über Hollywood, Nike, Claudia Schiffers sterile Schönheit, Vaginalkameras im Internet und Lacansches Abrakadabra nutzt, am Ende trotzdem nicht macht- und bedeutungsloser da als je schon.
Einen ganz neuen Zizek hätte "Die Revolution steht bevor" der darüber vermutlich entzückten Welt präsentieren können: den konzis politischen Publizisten anstelle des überdrehten Kampfhahns und analytischen Schamanen. Statt der vollendeten Metamorphose aus den beiden letzteren in die erstere Pose gibt es jedoch von allen dreien ein wohlkalkuliertes bißchen. Politisch wird es in dem Buch vor allem da, wo Zizek das Wohlfeile konkurrierender Modelle der Rückbesinnung auf die sozialistischen Klassiker benennt: Daß etwa Marx in akademischen und akademienahen linken Kreisen heute wieder en vogue ist und Lenin vergessen, liegt wohl wirklich, wie Zizek beobachtet haben will, an einer Vorliebe für den folgenlosen Mahner im Londoner Exil, während man sich mit Sachen, Leuten und Texten, die bekanntlich ordentlich Folgen hatten, eher nicht belasten mag. Versöhnlich aber präsentiert sich Zizek jenen eklektischen Genießern pessimistischer oder wenigstens origineller Zeitkritik, die ja auch seinen eigenen Kundenstamm stellen, weniger durch explizite Zurücknahme solcher Entlarvungsleistungen als durch Tonfall und Gedankenverlauf: Wer so viele Digressionen und Blümchen am Wegesrand anbietet wie dieser Herr, der wird schon nicht allzu schnell auf Fakultätsbesetzungen, Enteignungskampagnen und Barrikaden zusteuern.
Hätte Zizek den von der Kundschaft geschätzten Zinnober weggelassen, die "Kulturdiagnostik" vor allem, wäre man ihm am Ende wirklich böse gewesen, aber auch so gibt es genügend Hinweise, daß mit dem Übergreifen des eigenen Politizitätsanspruchs auf die Bewertung der neuesten Daten aus der Welt der sozialen Entrechtung und globalen Verwüstung, wie sie der Schutzheilige Lenin ja eigentlich verlangen würde, so bald nicht zu rechnen ist: Acht Zehntel der kleinen Schrift gelten dem "Denker" Lenin, die philosophischen Manuskripte bis hin zum Digest und Grenzfall "Staat und Revolution" erfahren breite Exegesen, die genuin realpolitische Schlüsse nahelegenden Schriften Lenins aber, etwa das Imperialismusbüchlein oder "Was tun?", aus deren dümmsten und überholtesten Fehldiagnosen heute noch mehr politische Festlegungen erzwungen werden könnten als aus dreihundert dicken Bänden zum historischen Materialismus, tastet Zizek nicht einmal mit spitzen Fingern an.
Zu allem und jedem weiß er Marginalien einzutragen; daß sie marginal bleiben, dafür trägt er, der bei aller Lenin-Liebe eben doch ein "dezentrierter" und "postmoderner" Kopf ist, dennoch Sorge - und muß das ja auch, er wäre denn bereit, an dem Ast zu sägen, auf dem er so bezaubernd balanciert. Die heißesten, akutesten Texte der hier gelobten Klassiker haben es bei gleicher Länge nie auch nur auf halb so viele Fußnoten gebracht. Wie schrieb doch Lenin? "Lieber weniger, aber besser."
Slavoj Zizek: "Die Revolution steht bevor". Dreizehn Versuche über Lenin. Aus dem Englischen von Nikolaus G. Schneider. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 187 S., br., 9,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Slavoj Zizeks "Versuche über Lenin" stoßen bei Dietmar Dath auf wenig Sympathien. Dieses "schnell zusammengeschriebene" Buch strotze voller handwerklicher und inhaltlicher Fehler. Zizeks Mutmaßungen über Lenins Analyse unserer Gegenwart mangele es zwar nicht an Temperament. Aber der "lange Katalog falscher Zitate und Angaben, nicht zu haltender Thesen und Deutungen" spreche nicht für eine gründliche Auseinandersetzung mit Lenin und schon gar nicht für ein gutes Verlagslektorat. Die der Arbeit zugrunde liegende These, unsere Gegenwart verlange nach einer neuen Auseinandersetzung mit Lenins Werk, lässt sich für Dath auf dieser Grundlage schlecht vortragen. Zizkes Versuch, mit Lenins Augen den 11. September oder aber auch unsere oberflächliche Hollywood-Kultur zu analysieren, sei stereotype "linke Zeitdiagnostik" und lohne die Lektüre nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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