Stolze, geharnischte Ritter, die auf einem feurigen Schlachtross ihre blitzende Waffe schwingen und siegreich auf ihre mächtige Burg zurückkehren, wo ein edles Burgfräulein wartet… Solche spielfilmartigen Vorstellungen bilden normalerweise unsere einzigen Assoziationen zum Thema Mittelalter.
Allerdings bleibt damit unser Eindruck von diesem Zeitalter schon recht beschränkt. Ebenso interessant wäre…mehrStolze, geharnischte Ritter, die auf einem feurigen Schlachtross ihre blitzende Waffe schwingen und siegreich auf ihre mächtige Burg zurückkehren, wo ein edles Burgfräulein wartet… Solche spielfilmartigen Vorstellungen bilden normalerweise unsere einzigen Assoziationen zum Thema Mittelalter. Allerdings bleibt damit unser Eindruck von diesem Zeitalter schon recht beschränkt. Ebenso interessant wäre doch die Frage: Wie gestaltete sich das echte Alltagsleben im Mittelalter, wenn man von der üblichen Kinoromantik absieht? Anschauliche Antworten bietet das Buch „Die Ritter“. Erschienen ist es als Sachbuch, das sich erfreulicherweise in erster Linie an junges Lesepublikum richtet. Ich bin selbst Geschichtslehrer und kann deshalb bestätigen, dass es für Kinder in der Unterstufe eigentlich nichts Spannenderes gibt als die schillernde Welt des Mittelalters. Aber der Adressatenkreis des Buchs ist keineswegs auf Kinder und Jugendliche beschränkt. Auch ich als Erwachsener habe es mit großer Freude und geradezu kindlichem Entdeckergeist gelesen. Der Text stammt vom international renommierten Mittelalterforscher Georges Duby, der leider bereits verstorben ist. Der französische Historiker erzählt die Geschichte des europäischen Rittertums an der Wende vom zwölften zum dreizehnten Jahrhundert am Beispiel der Biographie des französischen Adligen Arnoul (den gab es wirklich!), Herr über die Grafschaft Guînes in Flandern. Die eigentliche Lebensbeschreibung Arnouls fällt dabei eher knapp aus und dient in erster Linie als narratives Gerüst, an dem sich die Anordnung der einzelnen Themenbereiche des Buchs orientiert. Der Leser erfährt aus kompetenter Hand eine Menge Wissenswertes über die ritterliche Lebenswelt und über zahlreiche weitere Aspekte der mittelalterlichen Geschichte. Die Strukturen des Feudalwesens werden genauso anschaulich beschrieben wie die Wohnbedingungen in Holzburgen und der Ablauf von Ritterturnieren. Mittelalterliche Bildungs- und Erziehungsideale und Fragen der ritterlichen Ethik sind ebenso berücksichtigt wie die tiefgreifenden zeitgenössischen Umwälzungen auf dem Gebiet der Waffen- und Wehrtechnik, die nicht zuletzt durch die ebenfalls thematisierte Begegnung der abendländischen Kreuzritter mit dem Orient ausgelöst wurden. Der Autor bedient sich zwar eines durchaus anspruchsvollen Sprachstils, das Ausdrucksniveau bleibt aber immer gut verständlich. Zahlreiche Zwischenüberschriften erleichtern die Orientierung im Text, der aus berichtenden und erzählenden Passagen besteht und dessen Aussagen durch gelegentliche Zitatblöcke aus literarischen beziehungsweise historischen Originalquellen ergänzt werden. Die attraktive optische Aufmachung des Buches spiegelt Dubys Zugehörigkeit zur Historikerschule der „Annales“ und deren starke Gewichtung kunstgeschichtlicher Quellen wider: Beinahe auf jeder Seite begegnen dem Leser Illustrationen aus der mittelalterlichen Kunst, daneben aber auch Photographien und eine Landkarte. Jedem Bildelement ist eine in der Regel sehr aufschlussreiche Erklärung beigegeben. Im Anhang befindet sich neben einem Sachregister eine gelungene mehrgliedrige Zeitleiste, die wichtige mittelalterliche Ereignisse und Entwicklungen aus Politik, Religion, Alltag und Kunst synoptisch nebeneinander stellt. Auch die Druckqualität ist lobenswert: Das Buch ist geradezu ein haptisches Erlebnis!
Insgesamt zeichnet sich der Aufbau durch ein überlegtes Zusammenspiel von Textebene, ergänzenden Quellentexten sowie Bildmaterial nebst Legenden aus, das an keiner Stelle überladen oder unübersichtlich wirkt. Trotz der Fülle an vermittelten Informationen werden die Leser, egal ob jung, „mittelalt“ oder älter, also keineswegs überfordert. Auch wenn diese Empfehlung etwas verbraucht klingt: Dieses Buch sollte in keiner Familienbibliothek fehlen, man liest es mit großem Gewinn!