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Für Roberto Bolaño, den illusionslosesten und letzten Romantiker des 20. Jahrhunderts, war Dichtung seine wahre Berufung und die eigentliche Quelle aller Literatur. Seine Gedichte sind visionär und surreal, aberwitzig und melancholisch. Sie sind ein Loblied und zugleich ein Abgesang auf jene Generation der "romantischen Hunde", die die Welt verändern wollte und unter die Räder kam: "Wenn wir genau hinhörten, könnten wir hören, wie die Türen der Geschichte zufallen / oder die Türen des Schicksals." Diese erste deutsche Gesamtausgabe von Bolaños Gedichten ist ein Ereignis für alle, die den Traum der Poesie weiterträumen.…mehr

Produktbeschreibung
Für Roberto Bolaño, den illusionslosesten und letzten Romantiker des 20. Jahrhunderts, war Dichtung seine wahre Berufung und die eigentliche Quelle aller Literatur. Seine Gedichte sind visionär und surreal, aberwitzig und melancholisch. Sie sind ein Loblied und zugleich ein Abgesang auf jene Generation der "romantischen Hunde", die die Welt verändern wollte und unter die Räder kam: "Wenn wir genau hinhörten, könnten wir hören, wie die Türen der Geschichte zufallen / oder die Türen des Schicksals." Diese erste deutsche Gesamtausgabe von Bolaños Gedichten ist ein Ereignis für alle, die den Traum der Poesie weiterträumen.
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Autorenporträt
Roberto Bolaño, 1953 in Chile geboren und nach dem Militärputsch von 1973 inhaftiert, ging ins Exil nach Mexiko und 1976 nach Spanien. 2003 starb er in Barcelona. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise, darunter den National Book Critics Circle Award für die amerikanische Ausgabe seines Romans 2666. Bei Hanser erschienen zuletzt die Romane 2666 (2009), Lumpenroman (2010), Das Dritte Reich (2011) und Die Nöte des wahren Polizisten (2013) sowie der Erzählungsband Mörderische Huren (2014) und der Gedichtband Die romantischen Hunde (2017).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2017

Belustigt über den eigenen Tiefgang
Roberto Bolaño ist als Romanschriftsteller ein Mythos, doch er selbst verstand sich vor allem als Lyriker

Der literarische Erfolg ist ein tückisches Wesen. Als er 1998 Roberto Bolaño zu einem umjubelten Romanautor macht, lässt er im selben Zuge zwanzig Jahre ambitionierter künstlerischer Arbeit des Autors über die Klippe des Vergessens stürzen. Bis in die Mitte der neunziger Jahre hatte Bolaño sich ausschließlich der Lyrik gewidmet. Bei jeder Gelegenheit betonte er, dass er sich als Poet verstehe. Auch als der in Spanien lebende Exil-Chilene schon auf der Welle des Erfolgs surfte, versuchte er noch einmal, seine Lyrik ins Scheinwerferlicht zu rücken: Im Jahr 2000 publizierte er gleich zwei Gedichtbände. Doch vom ungeheuren Sog, den seine zu Recht bewunderten Erzählungen und Romane, vor allem aber sein postum veröffentlichtes Meisterwerk "2666" ausübten, wurde Bolaños Lyrik einfach davongerissen. Als Romancier weltberühmt, kennt auch in Deutschland so gut wie niemand den Lyriker Bolaño.

Vierzehn Jahre nach seinem Tod im Jahre 2003 erscheinen jetzt Gedichte von ihm in deutscher Übersetzung. Sie sind von bestechender Schönheit und höchster literarischer Qualität. Was ein besonderes Verdienst der beiden Übersetzer Heinrich von Berenberg und Christian Hansen ist. Und doch trägt diese Publikation Züge einer verschenkten Chance, Bolaños Lyrik noch nachdrücklicher in den Vordergrund zu rücken. Der Verlag lässt die Übersetzungen blank, ohne die Originaltexte und ohne jede Rahmung, stehen. Eine zweisprachige Ausgabe gerade in diesem Verlag, der so viele große Lyriker versammelt, wäre ein echtes Statement gewesen. Und für ein Nachwort wäre ein Gespräch der beiden Übersetzer, die längst als renommierte Bolaño-Experten firmieren, der naheliegende wie perfekte Ausklang gewesen: Wie übersetzt man Schimpfwörter ("bromistas del sexo" als "Spaßvögler")? Wie geht man mit den eindringlichen Klang- und Wiederholungsfiguren um? Was macht den Unterschied zu Bolaños Prosa aus?

Eine Einbettung des Bandes in Bolaños Arbeiten wäre auch deshalb wünschenswert gewesen, weil die zahlreichen Veröffentlichungen aus dem Nachlass und das Jonglieren mit stetig neuen Textausgaben das Feld von Bolaños Literatur inzwischen beinahe so labyrinthisch anmuten lassen wie seine fiktionalen Welten.

Zwei Bände des Autors hat der Hanser Verlag zu einem Buch zusammengefasst. "Die romantischen Hunde" kam erstmals 1993 heraus, im Jahr 2000 in leicht veränderter Form noch einmal. Der Band beinhaltet eine Auswahl von 43 Gedichten, die Bolaño zwischen 1980 und 1998 verfasst hat. "Tres" oder "Drei" hingegen besteht aus zwei Gedichtzyklen und einem Langgedicht. Der Zyklus "Herbst in Gerona" entstand 1981. "Die Neochilenen" und "Ein Spaziergang durch die Literatur" folgten in den Jahren 1993 und 1994. Die deutsche Ausgabe bietet also einen Rückblick in die achtziger und neunziger Jahre, als Bolaño vom Romanerfolg noch nichts ahnte. Dass mit dieser Publikation "Roberto Bolaños Gedichte erstmals in einer deutschen Gesamtausgabe" vorliegen würden, ist allerdings nicht wahr.

Bolaños Lyrik fasziniert aufgrund ihrer unnachahmlichen Mischung von drei Fertigkeiten. Zuerst kann keiner so schonungslos ernst und doch so fintenreich von seinem Leben dichten wie der Chilene. Die Anlage seiner Lyrik ist radikal autobiographisch. Alle Gedichte haben einen im spanischen Exil lebenden Dichter als Haupt- und Perspektivfigur. Zuverlässig lassen sich anhand der Texte Bolaños Lebensstationen ablesen (Santiago de Chile, Mexico City, Barcelona, Blanse). Aber zugleich ist bei diesem Lyriker von vornherein klar, dass er sich ständig selbst erfindet. Und zwar genau so, dass man das Geschriebene als authentisch ansehen könnte, wenn einen das nur nicht mitten in die Phantasie statt in das Leben führen würde.

"Ich träumte" beginnt eines der zahlreichen Traumgedichte: "Manchmal sah ich mich zufällig in einem Spiegel und erkannte Roberto Bolaño." Das ist ein klares Ja zur eigenen Identität, aber eben nur im Traum und dort nur spiegelverkehrt, daher bleibt nur ein klares Nein. So entsteht Poesie: "Die Poesie taucht in den Traum / so wie der Taucher in den See." Bolaño entwirft eine "wässerige Wirklichkeit", in der das Verschwimmen aller Konturen etwas Dunkles und Erhellendes zugleich hat.

Die zweite, eng mit der ersten verwobene Fertigkeit des Lyrikers Bolaño besteht darin, die Poesie des Lebens unter den einfachsten Bedingungen ausfindig zu machen. Geliebt, gelebt und gedichtet wird in Bars, auf der Straße oder in den Betten wechselnder Geliebter, die nicht selten Prostituierte sind. Bolaño arbeitet damit, dass das Doppelleben, das er über Jahre unfreiwillig führte, bestimmte Phantasieräume öffnet. Einerseits agiert dort immer ein zurückgezogener, ungeheuer belesener Poet, aber zugleich ist dieser Bolaño eben auch (und für andere vor allem) ein Gelegenheitsarbeiter, der gerade so über die Runden kommt. In beiden Welten, Literatur und Leben, besticht der Autor als Detektiv - so Bolaños Reflexionsfigur - durch seine besondere Beobachtungs- und unerschöpfliche Kombinationsgabe. Für beide sich überlagernden Sphären entfalten die Gedichte eine durchschlagende Sprache.

Reime oder Strophenformen gibt es nicht. Zu artifiziell. Es wird erzählt, und das Erzählte ist einerseits gespickt mit Flüchen, Spitznamen und Wortspielen. Andererseits münden solche Kaskaden punktuell in Anspielungen an die Malerei und Literatur oder spielen, belustigt über den eigenen Tiefgang, Metaphern im Heidegger-Verschnitt ein: "Das schwarze Auto verschwindet in der Kurve des Seins." Rhythmisch wird die Sprache von Klangfiguren und zahllosen Wiederholungen getragen. Regelmäßig bricht "die reale Situation" in die Gedichte ein: "Ich hatte keine Arbeit mehr und wenn ich jeden Pfennig umdrehte, würde mein Geld noch vier Monate reichen. Hoffnung, neue Arbeit zu finden, bestand auch keine." Ohne Hoffnung, aber auch ohne Furcht folgert der Autor: "Es war ein gütiger Herbst." Hart geht es zu, rauh und wütend, melancholisch zugleich, sanft, sehnsüchtig und zärtlich.

Unnachahmlich sind Bolaños Gedichte aber erst aufgrund ihrer besonderen Haltung. Alle seine Figuren agieren nach einer doppelten Buchführung: mit Blick auf den Aberglauben, auf die Liebe, die Träume, die Phantasie, die Schönheit, die Poesie und die großen Rätsel, welche die Welt verbergen könnte. "Es regnet, und du sagst, es regnet, als weinten die Wolken. Und dann legst du die Hand auf den Mund und gehst schneller. Als wollten diese jämmerlichen Wolken weinen? Unmöglich. Aber dann, woher die Wut, diese Verzweiflung, die uns alle irgendwann zum Teufel gehen lassen muss?" So sehen die Überlegungen derer aus, die nicht mehr glauben, aber die beim Blick in die Wolkenbilder dennoch ein Gespür dafür haben, dass die Wolken gerade darüber Tränen vergießen, dass man an ihr Weinen nicht mehr glaubt. Die Autoren des Phantastischen Realismus hatten versucht, in der vermeintlich entzauberten Welt noch einmal den Glauben ans Unbegreifliche zu beschwören. Bei Bolaños Gedichten sind diese Beschwörungen längst durchschaut.

CHRISTIAN METZ

Roberto Bolaño: "Die

romantischen Hunde". Gedichte.

Aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg und Christian Hansen. Hanser Verlag, München 2017. 176 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Eberhard Geisler hat Roberto Bolaño bisher für seine großen Romane bewundert, nach diesen Gedichten fragt er sich aber, ob die tastende Lyrik seiner Intention nicht noch dienlicher ist, die Brüchigkeit und den Glanz der menschlichen Existenz zum Ausdruck zu bringen. Die romantischen Hunde sind nämlich Programm, erklärt Geisler: Sie verbinden das Irdische mit einem Sinn für die Unendlichkeit, sie können ebenso am Boden schnüffeln wie auf dem Orkan reiten. Dass die Poeme trotz aller Bildstärke und Klangfarbe nicht immer leicht zu entziffern sind, kann keinesfalls an der Übersetzung liegen, stellt Geisler klar, denn die sei geradezu kristallin. Er vermisst allenfalls ein erläuterndes Nachwort.

© Perlentaucher Medien GmbH
"An Bolaño haben wir einen Fantasten, der zum Melancholiker wurde aus dem vorsätzlichen Versagen der Politik, eine vernünftige Welt zu gestalten. Jetzt baut er sich seine eigene Welt, die aus Erinnerung und Wunsch einen Kontrast zur überall sichtbar gewordenen Erbärmlichkeit bildet." Ö1, ex libris, 27.08.17

"... macht Appetit auf das erzählerische Werk des chilenischen Schriftstellers." André Hatting, Deutschlandradio Kultur - Lesart, 24.04.17

"Diese Gedichte sind so großartig, weil sie nichts feierlich Gedichtetes haben. Formal spielen sie sich so gut wie gar nicht auf. Der Kopf wird unmittelbar aufs Leben gestoßen. Bolaños Gedichte sind Schwestern von Bolaños Prosa." Ralph Hammerthaler, Süddeutsche Zeitung, 27.03.17

"Sie sind von bestechender Schönheit und höchster literarischer Qualität. [...] Bolaños Lyrik fasziniert aufgrund ihrer unnachahmlichen Mischung von drei Fertigkeiten" Christian Metz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.17