Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 9,20 €
  • Broschiertes Buch

Der junge Arzt Benjamin Rubin aus Tel Aviv fährt mit seinem Klinikchef und dessen Frau nach Indien, um deren schwererkrankte Tochter auf der Rückreise in die Heimat zu betreuen. Der ehrgeizige Mediziner ahnt nicht, daß diese Reise sein Leben verändern wird. Ein spannender psychologischer Roman über Ehe, Leidenschaft, Liebe, Seelenverwandtschaft, Tod und Vergänglichkeit, über westliche und östliche Philosophie.

Produktbeschreibung
Der junge Arzt Benjamin Rubin aus Tel Aviv fährt mit seinem Klinikchef und dessen Frau nach Indien, um deren schwererkrankte Tochter auf der Rückreise in die Heimat zu betreuen. Der ehrgeizige Mediziner ahnt nicht, daß diese Reise sein Leben verändern wird. Ein spannender psychologischer Roman über Ehe, Leidenschaft, Liebe, Seelenverwandtschaft, Tod und Vergänglichkeit, über westliche und östliche Philosophie.
Autorenporträt
Abraham B. Jehoschua, geboren 1936 in Jerusalem, ist einer der meistgelesenen und bedeutendsten Schriftsteller Israels. Als Professor für Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität von Haifa und als engagierter Verfechter der Aussöhnung zwischen Juden und Arabern nimmt er regelmäßig Gastprofessuren in den USA und in Europa wahr. Heute lebt er mit seiner Familie in Jerusalem.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.1996

Die Skepsis entdeckt ihre Kinder
Der israelische Schriftsteller Abraham B. Jehoschua wird sechzig

Abraham B. Jehoschua, 1936 in Jerusalem geboren, ist neben dem fast gleichaltrigen Amos Oz der bedeutendste israelische Schriftsteller seiner Generation. Anders als der zwanzig Jahre jüngere David Grossman, dessen Werk aus dem Trauma des Sechstagekriegs erwächst, ist diese Generation vom Erlebnis der Gründerjahre geprägt. Eine Literatur, von der mancher glaubte, daß ihr die Jugend eingeschrieben sei, kommt in die Jahre: Jehoschua, nur um weniges älter als der Staat, mit dem er aufgewachsen ist, wird heute sechzig Jahre alt.

Jehoschua gehört zu den Erzählern eines Staates, dessen Gründung noch vor einem halben Jahrhundert von den Juden in aller Welt als eschatologisches Ereignis gefeiert wurde. Überrascht es also, wenn sich bei ihm - wie auch bei Oz und seinen weniger bekannen Altersgenossen Jehoschua Kenaz und Yaakof Schabtai - ein melancholischer, von schwarzem Humor durchsetzter Ton findet, ein skeptisches Spiegelbild der hohen Hoffnungen, von denen das zionistische Aufbauwerk einst getragen wurde? Abraham B. Jehoschua stammt aus einer sephardischen Familie, die seit vielen Generationen in Jerusalem ansässig ist. Aufgewachsen und herangereift aber ist er in der Wendezeit, in der das Palästina seiner Kindheit zum Staat der Juden, zum Land der jüdischen Masseneinwanderung wurde. Diese neue Konstellation von Heimat und Exil hat sich nicht nur seinem erzählerischen Werk, sondern auch seinem politischen Denken eingeprägt.

Die kollektive Fließbewegung, in der In-und Ausland ständig konvergieren, kommt schon in der Titelfigur seines frühen Romans "Der Liebhaber" (1977) zum Tragen - ein nach langen Jahren aus Frankreich zurückkehrender israelischer Emigrant, der in seiner altneuen Heimat nicht mehr Fuß fassen kann. Nicht zufällig bleibt neben der jüdischen Polarität vom Land der Väter und der Diaspora bei Jehoschua immer auch das Thema der Generationen zentral. In "Späte Scheidung" (1982) lebt die Mutter eines auseinanderbrechenden Hauses in einer israelischen Irrenanstalt, der Vater in Amerika; in "Die Manis" (1990) wird eine im Libanon-Krieg, also in der jüngsten Vergangenheit beginnende Familiengeschichte zurückverfolgt und führt über verschiedene Länder und Kontinente bis zur europäischen Revolution des Jahres 1848.

Politisch steht Abraham B. Jehoschua wie Amos Oz im linksliberalen Lager. Seine militante Ablehnung der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten ist eine direkte Folge der Dichotomie, die in seinem Werk zwischen "Israeli" und "Jude", zwischen Bodenständigkeit und Exil aufbricht: Für ihn sind die religiösen Fanatiker, die sich unter die Araber des Westjordanlandes drängen, die späte Variante eines in Wirklichkeit nie aus der Diaspora heimgekehrten Judentums, das sein Leben nur im "Ausland", nur unter Fremden einzurichten weiß.

Rechtzeitig zum Geburtstag liegt jetzt Jehoschuas neuer Roman im schönen Deutsch der Übersetzerin Ruth Achlama vor: "Die Rückkehr aus Indien". In diesem Titel klingt nicht nur eine geographische, sondern auch eine metaphysische Alternative an. Dem Judentum wird der Glaube an die Seelenwanderung entgegengehalten, der Ewigkeit des Gottesvolkes ein neues Zeitgefühl, dem biblischen Heilsversprechen eine andere Seligkeit. Wirkliches Glück aber - das ist in der Natur der Dinge begründet, von denen hier erzählt wird - läßt sich auch in dieser Alternative nicht finden.

Benjamin Rubin arbeitet als Assistenzarzt in einem Tel Aviver Krankenhaus. Er möchte sich zum Chirurgen spezialisieren, im Operationssaal aber hat er einen schweren Stand, denn der Oberarzt gibt einem anderen Assistenten den Vorzug. Er will ihn nicht in seiner Abteilung behalten, empfiehlt ihn lieber an den Verwaltungsdirektor des Krankenhauses weiter. Dessen Tochter ist auf einer Indien-Reise erkrankt, jetzt muß sie unter ärztlicher Aufsicht nach Hause gebracht werden. So beginnt Benjamins Fahrt in den Fernen Osten, und schon sein Name macht die Kindesrolle sichtbar, die er dabei spielt. Trotz seiner dreißig Jahre noch unverheiratet, war er bisher immer nur um seine Karriere bemüht und sucht nun ihren Mißerfolg vor Vater und Mutter zu verbergen. Auch diese erste größere Reise seines Lebens tritt er unter dem Schutz eines Elternpaars an: Nicht nur Verwaltungsdirektor Lasar, sondern auch seine Frau Dori begleiten ihn auf dem langen Weg zur kranken Tochter.

Auch in "Die Rückkehr aus Indien" entfalten sich die Themen des Raumes und der Generationen auf ihre eigene Weise. Benjamin ist der Ich-Erzähler des Romans, aus seiner Perspektive erleben wir zunächst die Eindrücke von Indien mit, in das er als Heiler zu kommen scheint, als Träger einer höheren Zivilisation. Aber es ist eine falsche Fährte, die Jehoschua hier legt. Die Reise dauert nur wenige Tage, sie hat nur das Ziel, die erkrankte Tochter zu retten, doch schon diese kurze Zeit reicht aus, um Benjamin für eine andere Wirklichkeit zu öffnen. Er erfährt Indien als das Land der heiligen Wasser, und tief prägen sich ihm die Leichenverbrennungen ein, die er an den Ufern der indischen Flüsse zu sehen bekommt. Aus der Ferne beobachtet er, "daß der menschliche Körper, der eingehüllt auf seine Verbrennung wartete, noch gar nicht ganz tot war, sondern offenbar einem Schwerkranken oder Sterbenden gehörte". Es scheint ein Mann zu sein, doch sicher ist das keineswegs. Benjamin nimmt nur die Umrisse eines eingehüllten Körpers wahr, und die späteren Ereignisse des Romans lassen auch eine andere Deutung zu.

Lange sieht es so aus, als liefe die Erzählung auf eine Verbindung zwischen Benjamin und Enat, der Tochter des Verwaltungsdirektors, hinaus. Dann aber geschieht das Unerwartete - der junge Arzt verliebt sich nicht in die Tochter, sondern in die Mutter, in Lasars Frau Dori. Gegen Ende des Buches stirbt Lasar an den Folgen einer Herzoperation, Dori zieht sich jetzt vor Benjamin zurück, und plötzlich scheint der Roman im Zeichen eines alten indischen Rituals zu stehen: der Witwenverbrennung. Dori fürchtet nun, Lasars Seele sei in den jungen Arzt gewandert, und sie verweigert sich ihm. "Nein, komm mir nicht zu nahe", ruft sie aus. "Du darfst mich nicht mehr anrühren. Das erlaube ich dir nicht. Das ist unmöglich. Enat weiß schon von uns. Es ist schrecklich. Du mußt verzichten. Sag dir: Sie ist nicht mehr. Sie ist ihrem Mann nachgegangen und hat sich den Toten zugesellt."

In der westlichen Kultur, in der Benjamin Rubin aufgewachsen ist, stehen die Tabugesetze zwischen den Generationen im Zeichen des Ödipus. Dori aber ist nicht mit ihm verwandt, hier geht es nicht um den Inzest, die ältere Frau wird auf eine andere, dem westlichen Denken fremde Weise tabuisiert. Es sind andere Initiationsereignisse, die Benjamin zum Mann werden lassen, und sie führen auf andere, auch für Jehoschua ungewöhnliche Wege. Nicht immer gelingt es dem Autor in diesem ambitionierten Roman, den weltanschaulichen Gegensatz zweier Kulturen für seine Erzählung fruchtbar zu machen. Seine Stärke aber ist auch hier das Entwerfen von Bildern, die am Ende mehr halten, als das gedankliche Konstrukt des Werkes verspricht. Die eindrucksvollsten Szenen spielen in dem Tel Aviver Krankenhaus Benjamin Rubins, sie zeigen den westlichen Menschen im Bild der Maschine und sind erschreckend, wenn etwa bei Lasar auch die modernste Herzoperation schließlich zum Scheitern verurteilt ist.

Erschreckend, und deshalb auch wieder menschlich. Ohne es zu wissen, liegt Lasar bereits im Sterben, und Benjamin beobachtet die letzte Szene zwischen ihm und seiner Frau: "Jetzt stand sie an seinem Bett, um sich von ihm zu verabschieden und letzte Dinge zu besprechen, und während sie noch mit leichter Hand ihre aufgelöste Frisur in Ordnung brachte und fragte, was sie mitnehmen und was von zu Hause holen sollte, merkte ich, daß seine Hand, noch bläulich von den Blutergüssen der Infusionsnadeln, ihre Hand, die ihm übers Haar strich, suchte, um sie davon abzuhalten, ihn in Anwesenheit Fremder streicheln, aber auch auf seine Brust zu ziehen, ihr vielleicht einen neuen, versteckten Schmerz anzudeuten, mit dem er seine Arztfreunde noch nicht recht belästigen wollte." JAKOB HESSING

Abraham B. Jehoschua: "Die Rückkehr aus Indien". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Ruth Achlama. Piper Verlag, München 1996. 645 S., geb., 49,80 Mark.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr