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Hauspersonal? Diener? Bei uns doch nicht! Mit Verlaub, wir leben im 21. Jahrhundert. Gut, da gibt es die Polin, die die Wohnung putzt. Die Einkäufe trägt der Bote die Treppe hoch, und abends kommt der erstklassige Lieferdienst mit dem Essen. Anders sind Arbeit und Privatleben doch gar nicht zu schaffen. Dass unser Alltag von Computern abhängt, stimmt nur zur Hälfte. Für Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege suchen wir uns - am einfachsten im Internet - Personal. Und so entsteht parallel zur digitalisierten Welt eine neue Klasse schlecht bezahlter Helfer. Christoph Bartmann richtet seinen…mehr

Produktbeschreibung
Hauspersonal? Diener? Bei uns doch nicht! Mit Verlaub, wir leben im 21. Jahrhundert. Gut, da gibt es die Polin, die die Wohnung putzt. Die Einkäufe trägt der Bote die Treppe hoch, und abends kommt der erstklassige Lieferdienst mit dem Essen. Anders sind Arbeit und Privatleben doch gar nicht zu schaffen. Dass unser Alltag von Computern abhängt, stimmt nur zur Hälfte. Für Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege suchen wir uns - am einfachsten im Internet - Personal. Und so entsteht parallel zur digitalisierten Welt eine neue Klasse schlecht bezahlter Helfer. Christoph Bartmann richtet seinen scharfen und provokanten Blick auf ein neofeudales Bürgertum, das mit sozialer Spaltung offenbar gut leben kann.
Autorenporträt
Christoph Bartmann, geboren 1955, studierte Germanistik und Geschichte. Seit 1988 Mitarbeiter des Goethe-Instituts, u.a. in München, Prag und Kopenhagen, seit 2011 als Direktor in New York, ab 2016 in Warschau, außerdem regelmäßiger Rezensent in der Süddeutschen Zeitung. Im Carl Hanser Verlag erschienen: Leben im Büro. Die schöne neue Welt der Angestellten (2012) und Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal (2016).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hannes Hintermeier liest Christoph Bartmanns Bericht aus dem Reich der unsichtbaren, rund um die Uhr verfügbaren Putzfrauen, Altenpfleger, Pizzaboten, Paketfahrer etc. mit großem Interesse. Für ihn scheint der Autor damit einen wunden Punkt unserer Gesellschaft zu berühren. Was die digital gestützte "Plattform-Ökonomie" verbirgt, spricht der Autor aus, meint Hintermeier. Dahinter stecken die Zementierung sozialer Ungerechtigkeit und Schwarzarbeit einerseits und der Zugewinn von Zeit fürs zerstreute Nichstun nebst Verlust praktischer Alltagskompetenz andererseits. Für den Autor ein doppelt schlechtes Geschäft. Seine eigene "Serviceangst" kann Bartmann nicht überwinden, erfährt Hintermeier, selbst als ihm als New Yorker Goethe-Vorstand jeder erdenkliche Service angeboten wird. Wie sich der Autor über Literatur und Film dem Phänomen Dienstleistungsgesellschaft widmet, um schließlich den Rat weiterzugeben, lieber mal selber Hand anzulegen, anstatt nur von Fair Trade zu faseln, findet der Rezensent lesens- und bedenkenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2016

Wir Dienstherren
Putzfrauen, Pizzaboten, Pflegehelfer: In seinem Essay „Die Rückkehr der Diener“ erkundet Christoph Bartmann
die neue Heinzelmännchen-Ökonomie – unser Haushalt erweist sich als zentraler Kampfplatz der Gegenwart
VON JENS BISKY
Die Vorstellung, rund um die Uhr bedient zu werden, ist verführerisch und erschreckend zugleich. Man kann sich dabei wie ein König fühlen, dem alles abgenommen wird, alles zuarbeitet, oder wie ein Todkranker, der allein nichts mehr zu verrichten vermag. Zwischen Souveränitätsversprechen und Entmündigung schillert auch das Serviceangebot in dem Apartmenthaus auf der Upper West Side Manhattans, in dem Christoph Bartmann als Direktor des New Yorker Goethe-Instituts mit seiner Familie wohnte.
  Der Mieter wird in diesem Haus kundig betreut und zum Zwecke der Wunscherfüllung überwacht. Portiers und Hausmeister, Kindermädchen, Reinigungs- und Pflegekräfte stehen zu Diensten. Boten bringen Pakete, gebügelte Hemden, bestelltes Essen. Wenn ein Katzen-Sitter gebraucht wird, weiß der Doorman Rat. Briefe gibt man, um den Weg zur Post zu sparen, an der Rezeption ab, die sich auch um notwendige Reparaturen kümmert. „Man kann sich von nahezu allen häuslichen Aufgaben freikaufen und dabei stets auf ein Überangebot an kostengünstiger Arbeitskraft zugreifen.“
  Die meisten Servicekräfte sind Latinos aus Mexiko oder Zentralamerika, sie haben die erforderlichen Papiere oder nicht, unterstützen ihre Familien in den Herkunftsländern, für deren Ökonomie sie eine große Rolle spielen. Im Haus wirken die Frauen, während die Männer die Sachen ins Haus bringen. Ob sie nun Luis, Isai oder Ramon heißen, zu Weihnachten erhalten sie einen Dankesbrief und ein Trinkgeld. Das sei zwar, versichert die Hausverwaltung, nicht nötig, man bezahle anständig, aber es befördert das gute persönliche Verhältnis zu den Dienstleistern.
  Mit der Fülle der käuflichen Dienste sind nach dem Krieg Geborene oft überfordert, galten Dienstboten doch in den goldenen Jahren der Bundesrepublik als Sozialfiguren der Vergangenheit. Ihre Existenz war schwer zu vereinbaren mit dem Wunsch nach Gerechtigkeit, sozialem Aufstieg, Emanzipation und Gleichberechtigung. Aber Serviceangst lässt sich überwinden, Kunde sein lernen. Das Serviceangebot in den besseren Wohngegenden Manhattans sorgt dennoch für kulturelle Irritation. Christoph Bartmann hat ihr einen Essay abgewonnen, den lesen sollte, wer sich für den Lebensstil der mittleren Schichten interessiert und nicht glaubt, dass die sozialen Fragen der Gegenwart mit Armutsstatistiken ausreichend beschrieben sind.
  „Die Rückkehr der Diener“ verbindet Streifzüge durch unsere Lebenswelt mit moralischer Selbstbefragung, ohne freilich den Leser mit folgenlosen Appellen und wohlfeilen Empörungsfloskeln zu langweilen. Wie schon in dem 2012 erschienenen Buch „Leben im Büro“, einem Report aus der „schönen neuen Welt der Angestellten“, besticht Bartmann auch hier durch einen scharfen Blick für Ambivalenzen, Formulierungen, die sitzen, und jene freundliche Ironie, die meist angemessen ist, wenn es um so inkonsequente, illusionsversessene Wesen wie Menschen geht.
  Auf Einblicke in die Servicewelt New Yorks folgen Überlegungen zur Logik und den Paradoxien der häuslichen Arbeit; die Unterschiede zwischen den Dienern von einst und den Dienstleistern der Gegenwart behandelt ein Kapitel zum „Gestaltwandel des Hauspersonals“. Es gipfelt in einer klassisch klingenden Alternative: Aufwerten oder abschaffen? Wäre, da so viele Servicekräfte miserabel bezahlt werden und keine Aussicht auf Aufstieg haben, eine Reform der Dienstleistungswelt zu wünschen – mehr Lohn, mehr Rechte – oder sollte man aus sozial-moralischen Gründen auf einen raschen Abschied vom neuen Dienstleistungsproletariat hinarbeiten? Ob sich das Problem durch Digitalisierung und Maschineneinsatz lösen lässt, fragt Bartmann im abschließenden Kapitel „Transhumane Perspektiven“.
  Die neuen Diener sind Putzfrauen, Au- pair-Mädchen, Baby- oder Hunde-Sitter, Boten für allerlei Lieferdienste, Pflegehelfer, Betreuerinnen. Diese Welt hat in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit von Soziologen, Kulturhistorikern und Gewerkschaftern erregt. Die meisten Studien konstatieren schlechte Bezahlung und einen prekären rechtlichen Status. Vor allem Migrantinnen – in Deutschland kommen sie aus Ost- und Südeuropa, Polen oder Portugal – finden Arbeit in fremden Haushalten. Ein Bericht der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) summiert die Kennzeichen dieses Beschäftigungssektors: „Sehr niedrige Löhne, exzessive Arbeitszeiten, das Fehlen von Ruhetagen, mentaler und sexueller Missbrauch sowie die Beschneidung von Freiheitsrechten.“
  Gewiss sind die Arbeitsbedingungen in Haushalten Saudi-Arabiens, Frankreichs, der USA und Deutschlands sehr verschieden. Aber überall ist es vor allem dieser Sektor, der soziale Ungleichheit und Asymmetrien verstärkt. „Die neuen Servicekräfte“, so Bartmann, „sind allem Anschein nach gekommen, um zu bleiben – was sie sind.“ Die oberen Mittelschichten scheinen sich mit diesen „neofeudalen“ Zuständen abgefunden zu haben. Soziale Spaltung wird abstrakt beklagt, aber praktisch hingenommen, ja für unvermeidlich erklärt, wenn die Dielen gewischt, die Mutter gepflegt, das Mineralwasser mit dem Ökosiegel vier Treppen hochgetragen werden muss.
  Diese Verhältnisse sind stabil, weil genug billige, kaum zu Protest und Widerstand bereite Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und Selbstbild wie Alltag der Mittelschichten oft für eine Beschäftigung dienstbarer Geister sprechen. Man ist ohnehin dauernd gestresst, hat die Freizeit längst dem beruflichen Leistungsethos unterworfen. Auch der Haushalt wird unternehmerisch geführt.
  Doppelverdiener, die als Paar dem Ideal der Gleichberechtigung folgen, nehmen die Ungleichheit in der Beziehung zum Servicepersonal hin, weil ihr Lebensstil, eingezwängt zwischen Kindererziehung, Karriere und Pflege der Eltern, nur so durchzuhalten zu sein scheint. Mit großem Fingerspitzengefühl seziert Bartmann diese Lebenswirklichkeit. Er klagt nicht an, er verlangt Klarheit. In Rechnung zu stellen wäre dabei, dass jede Entlastung mit neuen Lasten einhergeht, dass mit jedem neuen Gerät auch die Ansprüche wachsen.
  Dabei unterscheiden die meisten zwischen Arbeiten, die für ihr Ich entscheidend sind – Kochen, Vorlesen – und bloß lästigen Tätigkeiten wie Staubwischen, Fliesenpolieren. Zur Akzeptanz der oft inakzeptablen Verhältnisse trägt bei, dass Vermittlungsplattformen uns das Soziale der Geschäftsbeziehung vielfach abnehmen. Technische Hilfen werden vor allem dort angeboten, wo man sie kaum braucht. Im Kühlschrank nachzuschauen, ob noch genug Butter da ist, war eigentlich nie ein großes Problem. Wohl aber das Reinigen von Duschkabinen. Für die dazu erforderliche Hartnäckigkeit gibt es keinen Ersatz.
  Bartmann ist klug genug, den Rückgriff auf Servicepersonal nicht pauschal zu verdammen, gerade in der Pflege geht es oft nicht ohne. Aber er öffnet die Augen für gern verleugnete Schrecken des betreuten Daseins und wirbt für eine Lebensführung, „für deren Leistungsbilanz der Einsatz von Personal nicht strukturell erforderlich wäre“. Wer Gefahr läuft, das „volle Leben“ über lauter Lebenserleichterung zu verpassen, findet in diesem Buch viele Gründe, die Fenster einmal wieder selbst zu putzen. Die Sicht wird freier.
Christoph Bartmann: Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal. Carl Hanser Verlag, München 2016. 288 Seiten, 22 Euro. E-Book 16,99 Euro.
Man muss es lernen, die
Serviceangst zu überwinden
und Kunde zu sein
Hilfe durch Technik gibt
es vor allem dort, wo man sie
nicht so dringend braucht
Viele wollen gern glauben, das häusliche Dienertum gehöre einer vergangenen Epoche an. Aber das ist ein Irrtum, die Diener sind in anderer Gestalt zurückgekehrt, behauptet Christoph Bartmann. – Haushaltsnahe Dienstleistung in Berlin, 1897.
Foto: Süddeutsche Zeitung
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2016

Wir da oben, ihr da unten

Die polnische Putzfrau war der Anfang, jetzt sind die neuen Heinzelmännchen überall: Christoph Bartmann analysiert die Misere einer zum Dienen verurteilten Klasse. Und fragt, warum wir es uns damit so bequem machen.

Kommt ein junger Mann nach seinem viel zu frühen Ableben an die Himmelspforte. Sagt Petrus zu ihm: Du hast eigentlich ein gutes Leben gehabt, aber du hast es nicht bemerkt, weil du ständig auf dein Smartphone geschaut hast. - Zugegeben, nicht der ganz große Brüller, zumal Petrus sich eventuell den Verlauf der besuchten Internetseiten hätte ansehen sollen, um wirklich beurteilen zu können, was der junge Mann getrieben hat. Möglicherweise war der ein typischer Vertreter jenes neuen Bürgertums, das Christoph Bartmann in seinem Buch "Die Rückkehr der Diener" ausgemacht hat. Mittelklasse, die sich den Stress ihres Daseins als Doppelverdiener durch viele unsichtbare Helferinnen und Helfer mindern lässt.

"Haushaltsnahe Dienstleistungen" nennt der Autor diesen Bereich - und er meint damit all jene Putzfrauen, Kindermädchen, Altenpflegerinnen, Pizzaboten, Küchenhelfer, Paketdienstfahrer, deren Dienstbarkeit vorausgesetzt wird, ohne dass je weiter darüber nachgedacht würde, wie diese Menschen wiederum ihr eigenes, häufig prekäres Leben organisieren können. Die neue Plattform-Ökonomie hat sehr viel mit Smartphones und Tablets zu tun, alldieweil sie mittels dieser Geräte erst in Betrieb gegangen ist. Dienstleistung ist heute etwas, das punktuell zugekauft wird, jederzeit verfügbar, weitgehend anonym und ohne die Verpflichtung, irgendeine andere Beziehung zu Dienstleistern aufzubauen als eine ökonomische - Bezahlverkehr also.

Der beste Ort, um zu studieren, wie geschmiert das schon funktioniert, ist für Bartmann New York. Was damit zu tun hat, dass er als Direktor des dortigen Goethe-Instituts einige Jahre mit standesgemäßer Wohnung am Central Park residierte. In einem Apartmenthaus, dessen dienstbare Geister einem alles abnehmen, was eben so anfällt: Reparaturen, Hunde ausführen, Kinder beaufsichtigen, Essen besorgen, Pakete zur Post bringen und immer so fort. Die, "domestic workers" haben allesamt Migrationshintergrund, und alle sind ohne wirkliche Chance, dem sozialen Kellergeschoss zu entkommen: "Die neuen Service-Kräfte sind allem Anschein nach gekommen, um zu bleiben - was sie sind."

Der Verlust des "9 to 5"-Modells, einst eine große sozialpolitische Errungenschaft, wiegt schwer. Es wurde kaputtgemacht von den "Schlaffeinden" von der Wall Street und im Silicon Valley. Und wird jetzt abgelöst von Plattformen wie Craigslist, Handy, Seamless, TaskRabbit, oder Uber. So wird aus der Stadt die niemals schläft, der Planet, der "24/7" Geschäfte abwickelt. Aber verdienen tun immer nur die, die den digitalen Marktplatz schnell und im Monopolhandstreich besetzen. Die Arbeit müssen andere machen. Die Plattform-Ökonomie nähre, schreibt Bartmann, die Illusion, "für jedes Problem könne und müsse es, on demand und in time, eine Bezahllösung geben". Und wozu das Ganze eigentlich? Um sich dem vermeintlich "Höherwertigen" widmen zu können, "in Wahrheit kaufen wir eine Lizenz zum zerstreuten Nichtstun".

Zunächst sei er diesem Treiben mit "Serviceangst" begegnet, habe das Überangebot an Dienstleistung als "obszön" empfunden: Kunde sein, das muss man als Deutscher, der in den fünfziger oder sechziger Jahren groß wurde, vermutlich wirklich lernen. Zumal, wenn man den eigenen Kindern eine Erziehung zukommen ließ, die ihnen den gleichen Leistungsstress garantieren soll, den man selbst hat. Der Autor, Jahrgang 1955, scheut sich nicht, die autobiographische Grundierung seines Textes einzuräumen (verfällt aber niemals der Ich-Bezogenheit vieler aktueller Bekenntnisbücher).

Bartmann ist ein akademisch sozialisierter Autor, der über die Literatur zum Thema regiert; er ist keiner, der mit der Rotfront-Flagge durch die Slums liefe. Keiner auch, der als Sozialreformer an Klassiker des Genres wie Henry Mayhews "London Labour and the London Poor" von 1840 anknüpfen wollte. Nur einmal versucht sich Bartmann um sechs Uhr morgens in South Williamsburg als Sozialreporter, kommt aber zu spät, weil die "Parada", die Parade der Tagelöhner, offenbar schon vorbei ist - ein Phänomen, das es auch in deutschen Großstädten seit Jahr und Tag gibt. Und so kommen die Betroffenen selbst nicht zu Wort, und über die Beziehung zwischen Herrschaft und Dienerschaft, über Jahrhunderte von kalter Distanz dominiert, erfährt man wenig.

Heute haben sich die Verhältnisse abermals gewendet, denn anders als vor dreißig Jahren haben die Mittelklasse- und Doppelverdienerhaushalte die "geschlechtergerechte berufliche Leistungsfreude" für sich entdeckt und mit ihr die Wohnung als den "Kampfplatz" derselben. Jenseits des zentralen Ortes der Selbstverwirklichung - der Küche - dient die Wohnung als "Schauplatz von Heim- und Telearbeit, als Trainingslager und Büro unserer Selbstverwaltung". Heute sind wir alle "Schattenarbeiter", indem wir alles selbst machen, was ein älterer Typ Dienstleister einst für uns erledigte - Tickets kaufen im Netz, Reisen buchen, Autos konfigurieren. Bartmann weist mit seiner klugen Soziologie des deutschen Alltags (wie zuletzt in seinem Buch "Leben im Büro", F.A.Z. vom 30. Mai 2012) nach, wie sehr wir dazu übergangen sind, Dinge zu erledigen, die gar nicht erledigt werden müssten.

Und deshalb schlingert noch jede halbwegs ambitionierte Familie in die Falle, Leistung zukaufen zu müssen. Irregulär beschäftigt, versteht sich. Denn Schwarzarbeit ist Trumpf, und weder Politik noch Gewerkschaften haben bislang ein Mittel entdeckt, sie einzudämmen. Eine Putzfrau, die zwölf Euro die Stunde verdient und nicht versteuert, liegt damit deutlich über Mindestlohn. Dennoch ist die schon sprichwörtliche polnische Putzhilfe unter Druck, ihr Berufspendlertum reibt sie auf, weder hier noch in der Heimat kommt sie wirklich voran.

Und wenn die Babyboomer alt sind, werden Pflegekräfte Mangelware sein. Die Automatisierung wird zu einem Teil Abhilfe schaffen, das steht außer Zweifel, aber bestimmte Handgriffe werden noch eine Weile nicht von Robotern erledigt werden - das Entfernen von Schimmelflecken in der Duschkabine etwa. Auch für Interesse, Zuneigung, Berührung und Trost, eine wichtige Währung im Umgang mit alten, pflegebedürftigen Menschen, sind die heute schon in Teilen Asiens verbreiteten Roboter noch nicht die letzte Antwort.

Ebenso meldet Bartmann erhebliche Zweifel am Internet der Dinge an. Den Verheißungen der denkenden Kühlschränke, Autos und Haustüren misstraut er schon aus dem Grund, weil sie keine wahre Hilfe anböten: "Die Virtuosität der digitalen Helfer beim Lösen von Nichtproblemen lenkt ab von ihrer Unfähigkeit beim Lösen existierender Probleme." Will sagen: Wer bringt den Müll runter, wer bürstet die Katzenhaare vom Sofa, wer poliert das Silberbesteck?

Dass er diese Dienstleistungswelt für einen Skandal hält, macht der Autor früh deutlich. Aber es dauert eine Weile, braucht Abstecher in die Kultur-, Literatur- und Filmgeschichte, bis er aus seinen phänomenologischen Befunden die unumgängliche Schlussfolgerung zieht. Haushaltsnahe Dienstleistungen verstecken harte, schmutzige Arbeit hinter der Maske der Bequemlichkeit, und sie machen den Konsumenten am Ende selbst dumm und hilflos. Wenn dieses neue Bürgertum - es prüfe sich, wer nicht dazuzugehören meint - sein Anspruchsdenken nicht in den Griff bekommt, wird es keine Besserung geben. Fazit: Der Mensch im Zeitalter des digitalen Kapitalismus soll nicht von "Fair Trade" schwafeln, sondern "Beschäftigungsverhältnisse ablehnen, die Beschäftigten systematisch Rechte und Chancen versagen, die wir uns durch ihre Beschäftigung erkaufen".

HANNES HINTERMEIER

Christoph Bartmann:

"Die Rückkehr der Diener". Das neue Bürgertum und sein Personal.

Carl Hanser Verlag,

München 2016.

287 S., geb., 22.- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"(...) das gelehrt, geistreich und gut geschrieben ist - und vor allem: umwerfend komisch." Meike Feßmann, Tagesspiegel, 11.12.16

"Dies ist ein Buch, das in freundlichem Plauderton aus einer anderen Welt zu berichten scheint - und doch scharfe Kritik an Gedankenlosigkeit und Zynismus unserer Gesellschaft übt." Martin Tschechne, Deutschlandradio Kultur, 22.08.16

"'Die Rückkehr der Diener' verbindet Streifzüge durch unsere Lebenswelt mit moralischer Selbstbefragung, ohne freilich den Leser mit folgenlosen Appellen und wohlfeilen Empörungsfloskeln zu langweilen. Wie schon in dem 2012 erschienenen Buch 'Leben im Büro' (...) besticht Bartmann auch hier durch einen scharfen Blick für Ambivalenzen, Formulierungen, die sitzen, und jene freundliche Ironie, die meist angemessen ist, wenn es um so inkonsequente, illusionsversessene Wesen wie Menschen geht." Jens Bisky, Süddeutsche Zeitung, 25.08.16

"Christoph Bartmanns Buch ist ein elegant geschriebenes Plädoyer dafür, diese Zukunft nicht einfach geschehen zu lassen, sondern sie bewusst zu gestalten." Holger Heimann, Deutschlandfunk Andruck, 22.08.16

"Bartmanns äußerst lesenswertes Buch bleibt nicht bei der Analyse stehen, sonder ist zugleich ein Plädoyer zum Umdenken - nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in unserem Alltag..." Ulrich Rüdenauer, Badische Zeitung, 31.08.16

"In seinem gnadenlos eleganten, elegant gnadenlosen 300-Seiten-Essay beschreibt Bartmann die Wonnen einer 24/7-Serviceökonomie und Rundumbetreuung bei gleichzeitigem Zweifel, unter welchen Bedingungen diese am Laufen gehalten werden." Christian Buß, Spiegel Online, 13.10.16

"Unterschwellig vertritt dieses hochgescheite Buch vor allem eine These: Man kann sein Leben, partnerschaftlich und gut organisiert, schon noch selbst in die Hand nehmen (...)." Mirko Weber, Stuttgarter Zeitung, 28.10.16

"Das hervorragend geschriebene Sachbuch gleicht eher einem Roman als einer soziologischen Studie. Es gehört zu seinen Reizen, dass es soziologische, ökonomische, juristische, historische und statistische Aspekte in überzeugender Weise verknüpft. (...) Dieses Buch kann mehr als nur empfohlen werden. Es öffnet die Augen für Zustände, die uns umgeben und die wir gemeinhin übersehen." Thomas Rothschild, Die Presse, 29.10.16
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