Kindheit in Karl-Marx-Stadt, konforme Jugend in der DDR, Zusammenbruch des Sozialismus - zuletzt: was von ihm übrig bleibt. Jan Kuhlbrodt erschreibt sich diese Rückkehr. Anhand von Büchern, die immer neu sortiert sein wollen, dem Blick ins Internet und aus dem Fenster entsteht ein Gedicht - eine Geschichte, die Geschichte, die immer auch unsere Geschichte ist. Geschrieben wird sie von Menschen, bewohnt von Tieren: Ausgestorben geglaubt kehren Wolf und Luchs zurück, während Waschbär und Nutria aus verlassenen Pelzfarmen entfliehen. Das Gedächtnis wird zu Schlieren, die Guppys in ihrem Aquarium an die Decke werfen: Es ist da, aber nicht ganz verstehbar. Ein Loch, durch das die Zeit rieselt, durch das Kosmonauten die Sphäre verlassen, zum Punkt, an dem die Gesetze der Geschichte brechen. "Die Rückkehr der Tiere" ist keine Nostalgie, es ist ein völlig neuer Blick auf die Nahtstellen der Geschichte, die Kuhlbrodt in seinen Artenkosmos einschreibt.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Tobias Lehmkuhl hält Jan Kuhlbrodts Buch für das überraschendste zum Thema Wiedervereinigung in diesem Jahr. Wie der Autor darin eben nicht vom Aufbegehren berichtet, sondern vom Stasi-Opa und der eigenen NVA-Geschichte, findet Lehmkuhl ungewöhnlich. Auch die Anlage des Buches ohne Zentrum, als Sammlung von Prosasplittern, Eindrücken einer DDR-Kindheit und -Jugend, verbunden allenfalls durch das Tiermotiv (von den Guppys im Kinderaquarium bis zum Elefanten-gleichen Herumstapfen als Rekrut), scheint Lehmkuhl originell.
© Perlentaucher Medien GmbH
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