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"Hansen liefert Weltgeschichte wie in einer Nußschale, ein kleiner Kosmos für die übrige aus den Fugen geratene Welt." (Welt am Sonntag)

Produktbeschreibung
"Hansen liefert Weltgeschichte wie in einer Nußschale, ein kleiner Kosmos für die übrige aus den Fugen geratene Welt." (Welt am Sonntag)
Autorenporträt
Konrad Hansen, geb. 1933 in Kiel, Studium der Germanistik, Philosophie, Theologie und Volkswirtschaft, lebt heute bei Flensburg. Er war Rundfunkredakteur, Reporter, Abteilungsleiter bei Radio Bremen und Intendant des Ohnsorg-Theaters in Hamburg. Hansen schrieb Erzählungen, Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und die Romane.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2001

Flinkfoot, der blitzschnelle Heilige
Ohne Daumenschrauben: Konrad Hansen geißelt die Inquisition

In der Schlußphase des Dreißigjährigen Krieges war die Probstei, jener harmlose holsteinische Landstrich bei Kiel, ein Schauplatz wüster Verheerungen, religiösen Wahns, sexueller Ausschweifungen und menschlicher Tragödien. Konrad Hansen, Schleswig-Holsteiner von echtem Schrot und Korn, kennt sich da besser aus. Der auf hoch- und plattdeutsch vielseitig produktive Autor, in früheren Karrieren auch Abteilungsleiter bei Radio Bremen und Intendant des Hamburger Ohnsorg-Theaters, hat nach gründlichem Quellenstudium und sichtlich genußvoller Betätigung seiner Erfindungskraft einen historischen Roman vorgelegt, der vor allem Freunde der deftigeren Variante des Genres beglücken wird.

"Wohin hat es mich nur verschlagen?" notiert der Tagebuch schreibende Theologiestudent Jobst Steen, der im Winter des Jahres 1644, auf der Flucht vor dem rachsüchtigen Ehemann seiner Geliebten, mit einem Empfehlungsbrief des Preetzer Klosterprobstes im Pastorat des Dorfes Schönberg ein Unterkommen findet.

Verschlagen hat es den jungen Mann in ein mehr ländliches als sittliches Milieu, das von Figuren bevölkert ist, wie wir sie aus anspruchsvolleren niederdeutschen Volksstücken zu kennen meinen. Da sind der wortgewaltige, cholerische Pastor und seine lüsterne Gattin, der doppelzüngige Diakon und die tumbe Magd, die verhärmte Dorfhure und der protzige Großbauer, das keifende Kräuterweib und der belesene, aufklärerisch gesinnte Schulmeister. Der Klosterprobst Otto von Buchwald tritt als Inkarnation barocker Lebenslust auf; der Gastwirt Hans Flinkfoot, der nach einem Blitzschlag zum Heiligen mutiert, gibt den Seelenretter von der tragikomischen Gestalt. Zum vielköpfigen Statistenreigen gesellen sich die mordenden und brandschatzenden Schweden, die das Dorf belagern und seinen gebeutelten Bewohnern auch das noch nehmen, was eine Flutkatastrophe übriggelassen hat.

Jobst Steen, soviel zur Haupthandlung, erliegt den Nachstellungen der mannstollen Pastorenfrau und verliebt sich heftig in ein feenhaftes Naturkind, dem er bei seinen Streifzügen in den Salzwiesen begegnet. Er übernimmt wider Willen die Stelle des alten Schullehrers, der wegen antichristlicher Umtriebe des Amtes enthoben wird, und erfährt Staunenswertes über seine eigene Herkunft, bevor ihn sein geistlicher Gastgeber, ein fanatischer Kämpfer gegen Ketzerei und Teufelsbrut, dazu verdonnert, bei eigenmächtig anberaumten Hexenprozessen das Protokoll zu führen.

Was der Held dabei erlebt, entfremdet ihn der Theologie und der Heimat so nachhaltig, daß er am Ende ein Schiff besteigt, das ihn nach Amerika bringen soll. Konrad Hansen bekennt freimütig, daß er zwischen "ambitionierter avantgardistischer Literatur" und "literarischer Unterhaltung" eine bewußte Entscheidung zugunsten der letzteren getroffen habe, was den Leser von hochfahrenden Erwartungen entlastet. Der Publikumsfreund legt jedoch Wert darauf, daß seinem norddeutschen Sittengemälde, dem man die handwerkliche Solidität nicht absprechen kann, auch ein kritisches Potential innewohnt: Intoleranz und Fundamentalismus, Haß und Gewalt sollen an den Pranger gestellt werden; in den Schrecken jener finsteren Epoche dürfen wir die Mißstände unserer Zeit wiedererkennen.

So weit, so ehrenhaft. Mit den breit ausgewalzten Inquisitions- und Folterszenen zwischen Streckbank und Scheiterhaufen ist es allerdings so wie mit Ausstellungen mittelalterlicher Marterinstrumente: Das Mäntelchen des aufklärerischen Anspruchs ist an allen Ecken und Enden zu kurz, um zu verdecken, daß sich mit sadomasochistischen Gelüsten gut Kasse machen läßt. Den "Hexenhammer", der sich in gewissen Kreisen eines dubiosen Ruhms erfreut, hat offenbar auch unser Autor eingehend studiert, und er hat sich bei der Umsetzung seiner Lektüre in neuzeitliche Unterhaltungsliteratur keine Daumenschrauben angelegt.

KRISTINA MAIDT-ZINKE.

Konrad Hansen: "Die Rückkehr der Wölfe". Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2000. 384 S., geb., 39,80 Mark.

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