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Wer fordert einen toten Mann zum Tango auf?
Stefan Lindman, 37, Polizeikommissar in Südschweden, bekommt an einem Tag gleich zwei schlechte Nachrichten: Er hat Krebs, und sein ehemaliger Kollege und Mentor, Herbert Molin, wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Um auf andere Gedanken zu kommen, fährt Lindman hinauf nach Norrland. Dort hat Herbert Molin nach seiner Pensionierung in völliger Abgeschiedenheit gelebt, bis er am 19. Oktober 1999 überfallen, gefoltert und getötet wurde - ein Mord, der einer Hinrichtung gleicht.
Lindman war dem verschlossenen Alten nie besonders nah gekommen, doch
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Produktbeschreibung
Wer fordert einen toten Mann zum Tango auf?

Stefan Lindman, 37, Polizeikommissar in Südschweden, bekommt an einem Tag gleich zwei schlechte Nachrichten: Er hat Krebs, und sein ehemaliger Kollege und Mentor, Herbert Molin, wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Um auf andere Gedanken zu kommen, fährt Lindman hinauf nach Norrland. Dort hat Herbert Molin nach seiner Pensionierung in völliger Abgeschiedenheit gelebt, bis er am 19. Oktober 1999 überfallen, gefoltert und getötet wurde - ein Mord, der einer Hinrichtung gleicht.

Lindman war dem verschlossenen Alten nie besonders nah gekommen, doch nun weiß er, daß Molin sich aus Angst zurückgezogen hatte. Wovor hatte Molin Angst? Und warum hinterließ der Mörder als sichtbaren Hinweis auf den Dielen des Hauses die blutigen Spuren eines Tanzes: den letzten, tödlichen Tango, zu dem er sein Opfer aufforderte?

Während Lindman versucht, mit sich und seiner Krankheit ins reine zu kommen, scheut er kein Risiko und ist den Ermittlungen der Kollegen vor Ort immer eine Nasenlänge voraus...
Autorenporträt
Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, war einer der großen schwedischen Gegenwartsautoren, von Lesern rund um die Welt geschätzt. Sein Werk wurde in über vierzig Sprachen übersetzt, es umfasst etwa vierzig Romane und zahlreiche Theaterstücke. Nicht nur sein Werk, sondern auch sein persönliches Engagement stand im Zeichen der Solidarität. Henning Mankell lebte abwechselnd in Schweden und Mosambik, wo er künstlerischer Leiter des Teatro Avenida in Maputo war. Er starb am 5. Oktober 2015 in Göteborg. Seine Taschenbücher erscheinen bei dtv.    
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Da klebt Blut am Tanzfuß
Wallander heißt jetzt Lindman: Henning Mankells neuer Kommissar löst seinen ersten Fall / Von Hannes Hintermeier

Überraschend schnell hat der Aussteiger Kurt Wallander einen Nachfolger bekommen. Hieß es zunächst, die Tochter des schwedischen Kommissars solle dereinst, sozusagen als Familienfortsetzungsroman einer Polizeifamilie, die Ermittlungen leiten, hat sich Henning Mankell nun doch zu einer Zwischenlösung entschlossen. Vielleicht ist die junge Frau einfach noch nicht soweit mit ihrer Polizeischule? Der neue Wallander heißt Stefan Lindman, ist 37 Jahre alt, arbeitet ebenfalls in Südschweden und hat auch sonst, obwohl ihn rund zwanzig Jahre von seinem berühmten Kollegen aus Schonen trennen, einiges mit diesem gemein. Zum Beispiel die Fähigkeit, der Erinnerung überlebenswichtige Details entreißen zu können. Ebenso den Hang zu ungesundem Essen, zu komplizierten Frauengeschichten. Auch gesundheitlich meint es sein Erfinder nicht gut mit ihm: Hatte er Wallander noch mit Diabetes, übersäuertem Magen und notorischer Schwermut ausgestattet, durfte es bei Lindman gleich Zungenkrebs sein, frisch diagnostiziert.

So gewappnet wird Lindman in einen Fall gezogen, der ihn, während er auf den Beginn seiner Therapie wartet, hinauf nach Norrland zieht, ins herbstlich kalte Nordschweden (wo Mankell geboren wurde). Dort ist ein ehemaliger Polizeibeamter ermordet worden, mit dem Lindman früher einmal zusammengearbeitet hat. Ermordet ist zart ausgedrückt, denn Herbert Molin wurde hingerichtet, mit einer Peitsche zu einem Klumpen Fleisch verarbeitet. Die Blutspuren sehen aus wie Tanzschritte. Lindman beginnt parallel zu den örtlichen Beamten seine Spurensuche; man läßt ihn gewähren, wenn auch argwöhnisch.

Schnell wird klar, daß die Gründe für diesen brutalen Racheakt weit in der Vergangenheit liegen müssen. Molin hatte sich nach seiner Pensionierung in die Waldeinsamkeit zurückgezogen, lebte beinahe ohne Kontakt zu seiner Umwelt. Ein leidenschaftlicher Tango-Tänzer, ein manischer Puzzlespieler, verborgen vor der Welt. Der nächste Nachbar, ein pensionierter Orchestermusiker, wohnt kilometerweit entfernt. Als der aber wenige Tage nach dem Molin-Mord ebenfalls hingerichtet im Wald gefunden wird, wird die Jagd nach dem Unbekannten noch mysteriöser, da es offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen den beiden Toten gibt.

Elsa Berggren, eine auffallend reservierte Bekannte Molins, wird zum ersten Anhaltspunkt der Recherche. Sie war Molin beim Kauf des Hauses behilflich gewesen, besuchte ihn dort regelmäßig. Lindman greift zu illegalen Methoden. Bei einer Durchsuchung von Berggrens Haus findet er eine SS-Uniform im Schrank, kurz darauf eine zweite im Schuppen Molins, dazu ein Tagebuch: Molin hieß eigentlich Mattson-Herzén, war Mitglied der Waffen-SS, begeisterter Nationalsozialist und Hitler-Anhänger bis zuletzt. Abraham Andersson, der ermordete Nachbar, war auf Molins und Berggrens heimliche Leidenschaft gestoßen und hatte das Paar erpreßt.

Die Geschichte hat einen sehr realen Hintergund: Als Mankells Buch vor zwei Jahren in Schweden erschien, schlug gerade die Fernsehdokumentation "Schweden, die für Hitler kämpften" des jungen Historikers Bosse Schön hohe innenpolitische Wellen. Schweden hatte sich lange schwer damit getan, Verstrickungen in die NS-Zeit einzuräumen, und erst mit erheblicher Verspätung begonnen, diese aufzuarbeiten. Schön hatte entdeckt, daß mindestens zweihundertsechzig Schweden als Freiwillige bei der Waffen-SS gedient hatten. Insgesamt, so die Annahme der Historiker, seien rund hunderttausend Schweden Hitler-Sympathisanten gewesen. Eine als Buch publizierte Namensliste brachte im Stil eines Adreßbuches 28 000 Namen an den Tag.

Einer dieser Namen, um zur fiktiven Verarbeitung Mankells zurückzukommen, könnte auch der von Stefan Lindmans Vater gewesen sein. Als der Kommissar auf diesen Umstand stößt - er befragt einen greisen Porträtmaler, der zu den Übervätern der Neonazis zählt -, bricht sein Weltbild zusammen. Unter dem Druck seiner lebensbedrohlichen Krankheit setzt er alles daran, den braunen Urschlamm zu durchdringen. Die Neonazis, mit denen er es zu tun bekommt, sind freilich nicht Glatzenproleten in Springerstiefeln, sondern intelligente, in einem via Internet verbundenen Netzwerk agierende Fanatiker, die den Hitlerschen Rassenwahn geschickt den Gegebenheiten der politischen Weltlage anzupassen verstehen. Die Stiftung "Schwedens Wohl" (Lindmans Vater bedachte sie in seinem Testament) versammelt alte und neue Nazis, die sich als respektable Bürger tarnen. Darunter tut es Mankell nun schon seit einigen Büchern nicht mehr.

Für Lindman, den Sohn eines Nazis, gibt es kein Entkommen. Die Vergangenheit holt ihn in Person des Molin-Mörders ein: Fernado Hereira, eigentlich Aaron Silberstein, hat mehr als fünfzig Jahre nach Kriegsende sein argentinisches Exil verlassen, um sich an Molin zu rächen. Der hatte Silbersteins Vater, einen jüdischen Tanzlehrer im Berlin der Dreißiger, erdrosselt und damit auch den Rest der Familie in den Tod getrieben. Gerade als Silberstein dabei ist, Schweden wieder zu verlassen, wird er durch die Medien auf den Mord an Andersson aufmerksam und kehrt um. Am Tatort ist mittlerweile Veronica Molin eingetroffen, die begehrenswerte, weltläufige Tochter. Eine Frau mit Abgründen, die Lindman gefährlich lange verkennt.

Wem dies alles vertraut klingt, liegt richtig. Wo Mankell draufsteht, ist auch weiterhin Wallander drin. Wie üblich ist der Text alles andere als frei von Längen und Wiederholungen; wie gewohnt wird "tief im Leben dieser Männer" gegraben", setzen sich "Erinnerungsbilder" fest, gibt es platte Lyrismen etwa in Form einer "Person, die ihren Schatten losgelassen hat, um uns in eine falsche Richtung zu locken". Und auch dieses Mal ist Schweden selbst bedroht, jene einst so kuschelige Sozialstaatheimat, über deren Zerfall Mankell so oft seinen früheren Kommissar hatte räsonieren lassen. Im Lichte der neonazistischen Bedrohung erscheint Schweden plötzlich mit all seinen Schwächen als sehr bewahrenswert, schutzbedürftig. Eine Demokratie, die nicht wehrhaft genug ist, sich gegen solche Gegner zu wappnen?

Die Auflösung der durch Schlechtwetter, Dörflerindolenz und Intuitionsbedarf behinderten Ermittlung endet genregerecht und Mankell-typisch in einer Verfolgungsjagd mit Schießerei, Tod und Nacht. Dann Krebstherapie, Erlösung. Weder die Geschichte noch die Lehren aus ihr sind je zu Ende. Dafür ist Henning Mankells Schwedenzyklus über die Gottesmasse Mensch fünfhundert Seiten dicker geworden.

Henning Mankell: "Die Rückkehr des Tanzlehrers". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Wolfgang Butt. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002. 507 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2003

Wenn der Neffe übernimmt
Die Verbrechensästhetik ist auf gewohnt hohem Niveau: Henning Mankell lässt Männer in den Tod tanzen und erfindet einen neuen Polizisten
Irgendwie hofft man die ganze Zeit, er könnte doch noch mal auftauchen. Seinen schweren Körper an den jüngeren Kollegen vorbei schieben, übermüdet einen Blick in die Akten werfen und sofort Witterung aufnehmen. Man hatte sich so an ihn gewöhnt: an diesen verschlossenen Kriminalbeamten mit der gescheiterten Ehe, den Diabetesproblemen und der sanften Intuition. An diesen anständigen Menschen inmitten der nordischen Trostlosigkeit. Kurt Wallander fehlt einem einfach.
Aber es nützt nichts: anders als Sir Arthur Conan Doyle, der Sherlock Holmes’ Hinscheiden spektakulär inszenierte und ihn zur Erleichterung aller Leser dann doch noch einmal auferstehen ließ, scheint der schwedische Bestsellerautor Henning Mankell seine Entscheidung gefällt zu haben. Wallander ist weg, und wir werden uns damit abfinden müssen. Mankell wäre jedoch nicht Mankell, wenn er nicht trotzdem weiter schriebe. Seit seinem Debüt 1973 hat er beinahe jedes Jahr ein neues Buch vorgelegt. Allein in Schweden beträgt die Auflage der neun Wallander-Fälle drei Millionen, jeder vierte Schwede müsste demnach mit einem Mankell ausgerüstet sein, die Afrika-Romane, Kinder- und Jugendbücher und Theaterstücke nicht mitgerechnet.
Im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage des erst vor vier Jahren entdeckten Skandinaviers bei 8, 2 Millionen, und auch sein neues Buch hat sich knapp acht Wochen nach der Auslieferung bereits 350 000 mal verkauft. Der Hanser Verlag, zu dem Mankells hiesiges Stammhaus Zsolnay gehört, finanziert große Teile seines literarischen Programms aus den Erträgen des schwedischen Krimiautors. Nach dem exorbitanten Erfolg von Mankells deutschem Debüt „Die fünfte Frau” (1998) beeilte man sich, sämtliche Bücher der Wallander-Serie zu veröffentlichen. Aber jetzt ermittelt Kurt Wallander nicht mehr.
In seinem neuen Roman „Die Rückkehr des Tanzlehrers” präsentiert uns Henning Mankell einen jungen Polizisten namens Stefan Lindman, der in Borås zuhause ist, eine polnische Freundin hat und ein Neffe Wallanders sein könnte. Wie der behäbige Beamte aus Ystad besitzt auch Stefan einen sechsten Sinn, ein bestimmtes Gefühl für Ungereimtheiten und folgt eher seinen Eingebungen als seinem Verstand. Genau wie Wallander ist Stefan ein Einzelgänger.
Mit der Peitsche in der Hand
Doch noch bevor der 37jährige Beamte eher zufällig in die Geschehnisse verwickelt wird, liefert Mankell einen klassischen Krimi-Auftakt: ein kurzer Ausflug in die europäische Vergangenheit, dann ein spektakulärer Mord, eine Hinrichtung fast. Anhänger des crossword-puzzle-types, wie Dorothy Sayers die althergebrachte Variante des Whodunit-Krimis nannte, kommen auf ihre Kosten, denn kombinatorisches Geschick ist von Anfang an gefragt. Auch der Spannungsfaktor ist bedacht. Wir dürfen nicht nur den Polizisten Giuseppe Larsson und Stefan Lindman über die Schulter schauen, sondern erleben die sich anbahnende Tat aus der Perspektive des Opfers.
Herbert Molin, pensionierter Polizist und ehemaliger Vorgesetzter von Stefan Lindman, ein unbescholtener Bürger und passionierter Tangotänzer, hat sich seit einigen Jahren in die Einöde hoch in den Norden nach Härjedalen zurückgezogen. Aber er scheint ein unruhiger Geist zu sein, denn nachts kann er nicht schlafen und vertreibt sich die Zeit mit aufwändigen Puzzlespielen. So auch am Tag des Verbrechens. Als er in den Morgenstunden endlich in sein Bett findet, weckt ihn ein fremdes Geräusch: sein Hund schlägt an, dann verstummt er plötzlich, Schüsse fallen, Tränengaspatronen explodieren, und Herbert Molin scheint genau zu wissen, was ihm droht.
Er flieht ins Freie, doch zu spät – sein Mörder erwartet ihn mit einer Peitsche in der Hand. Dann Schnitt, die nächste Szene, wir landen in einem anderen Schlafzimmer: gekonnt arbeitet Mankell mit Cliffhanger, Slow Motion, Zoom, Suspense und allem, was das Genre so braucht. Auch was die Verbrechensästhetik angeht, bietet er das gewohnt hohe Niveau. Detailreich beschreibt Mankell die Leiche: ein zerstörtes Gesicht, die Füße blutige Klumpen, ein zerfetzter Rücken, aus dem die Knochen hervortreten. Das merkwürdige Muster der blutigen Fußspuren dekodiert der mit den Untersuchungen betraute Polizist Giuseppe Larsson – es sind Tangoschritte. Der Mörder muss mit seinem Opfer im Arm noch getanzt haben.
Mankell bedient ein traditionelles Schema: ein knapper Prolog, der ins Jahr 1945 zurückführt, von Hinrichtungen deutscher Kriegsverbrecher handelt und den Leser hellhörig macht, dann ein Ausschnitt aus dem Leben des Opfers, schließlich das Verbrechen, Spurensicherung, Indizien und eine desorientierte Sonderkommission. Mit der Verdoppelung des Ermittlers variiert er sein Strukturprinzip und überbietet es später durch einen weiteren Mord eines zweiten Täters. Neben Larsson tritt mit Stefan Lindman, der gerade eine Krebsdiagnose zu verkraften hat, ein zweiter Aufklärer auf die Bühne und rückt in den Mittelpunkt. Und neben dem Täter Ahron Silberstein agiert ein zweiter Mörder.
Ähnlich wie in der Wallander-Serie unternimmt Henning Mankell in seinem neuen Buch eine Sozialstudie, dieses Mal mit Rückgriff auf historische Verwicklungen. In „Die Rückkehr des Tanzlehrers” fährt der Autor alles auf, was das 20. Jahrhundert an unbewältigter Vergangenheit zu bieten hat: Nationalsozialismus, Judenverfolgung, Schwedens Verstrickungen mit dem Dritten Reich und die Gefahr international operierender Neonazis. Dass der Roman dennoch nicht aus dem Ruder läuft, liegt an der stimmigen Bauweise. Das Verhältnis zwischen Jäger und Gejagtem kehrt sich mehrfach um, der zweite Mord bringt die Pläne des ersten Täters durcheinander, ein paar falsche Fährten und Sackgassen verwirren die Handlungsfäden und befriedigenden den gewitzten Krimileser.
Redliche Beamten
Es muss an Schweden liegen, dass Henning Mankells Kriminalromane in unseren Breitengraden so erfolgreich sind. Der Ostseestaat besitzt genau das richtige Maß an Fremdheit: mit seinen riesigen Wäldern, den roten Holzhäusern, einsamen Gehöften und langen Küsten wirkt Schweden ausreichend exotisch und nicht so verstörend attraktiv wie zum Beispiel Italien. Die Probleme des skandinavischen Landes sind auch den deutschen Lesern vertraut: Fremdenhass, Arbeitslosigkeit, soziale Kälte, unwirtliche Provinzstädte, verarmte Staatskassen. Aber noch entscheidender für Mankells bahnbrechende Popularität sind seine redlichen Beamten. Kurt Wallander wurde zu einem Markennamen: die Wiedererkennung war gewährleistet, die Fans fühlten sich in den Schonen bald ebenso Zuhause wie der Kommissar, die Überraschung bestand in dem neuen Verbrechen und in der Art der Aufklärung.
Außerdem war Kurt Wallander von einer tröstlichen Durchschnittlichkeit. Kein abgeklärter Dandy wie Sherlock Holmes, kein whiskeygestählter Draufgänger wie Sam Spade, eher ein Gemütsmensch wie Maigret. Auch Stefan Lindman ähnelt dem belgischen Kollegen. Mankells Polizisten können die Welt zwar nicht ändern, aber sie arbeiten im Staatsdienst, geben sich mit einem bescheidenen Gehalt zufrieden, wissen um den Zustand ihres Landes und legen eine moralische Haltung an den Tag – sie sind die letzten Idealisten. Auch das macht Mankells Erfolg aus. Zwar mangelt es an bindenden Gesellschaftsordnungen, doch solange es Hüter des Gesetzes wie Stefan Lindman und Giuseppe Larsson gibt, kann nicht alles verloren sein. Der nachdenkliche Stefan mag noch nicht Wallanders Format haben und manchmal allzu sehr mit seiner Selbstfindung beschäftigt sein, aber er meint es gut. Vielleicht wird ja noch ein Wallander draus.
MAIKE ALBATH
HENNING MANKELL: Die Rückkehr des Tanzlehrers. Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Zsolnay Verlag, Wien 2002. 505 Seiten. 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Der letzte Tango endet tödlich
Puzzle bauen und Tango tanzen sind die einzigen Leidenschaften des eigenbrötlerischen Herbert Molin. Doch der pensionierte Polizist wird nie wieder tanzen: jemand hat ihn am 19. Oktober 1999 in seinem einsamen Haus in den Wäldern von Härjedalen brutal zu Tode gepeitscht - nachdem er ihn vorher zum Tanzen aufgefordert hatte. Auch für seinen jungen Exkollegen Stefan Lindman aus Boras scheint das Leben vorbei zu sein: mit 37 Jahren diagnostiziert man bei ihm Zungenkrebs. Die drei Wochen bis zum Beginn der Behandlung will er sinnvoll verbringen und entschließt sich spontan, nach Härjedalen zu fahren, um bei den Ermittlungen zu helfen. Bald muss Lindman erkennen, dass sein geschätzter Mentor während der Nazizeit ein gefürchteter SS-Offizier gewesen war. Und dass der Nationalsozialismus in Schweden aktueller ist denn je und sogar seine eigene Familie infiziert hat. Dann wird auch noch Molins Nachbar, der pensionierter Geiger Abraham Andersson, erschossen aufgefunden. Gibt es eine Verbindung?
Schatten aus der Vergangenheit
Der Mann aus Buenos Aires könnte zufrieden sein: 55 Jahre hat er auf eine Gelegenheit gewartet, sich an dem Mörder seines Vaters zu rächen. Jetzt ist es ihm gelungen und er könnte schon längst wieder im Flugzeug nach Hause sitzen. Doch dann geschieht dieser Mord an Andersson. Und den hat er ganz sicher nicht begangen, auch wenn diese beiden Polizisten Lindmann und Larsson davon ausgehen. Seufzend verschiebt der Mann aus Buenos Aires seine Rückreise, um Anderssons Mörder zu finden. Denn der könnte ihn verraten. Und das muss verhindert werden, um jeden Preis. Da geht er notfalls über Leichen ...
Auch ohne Wallander ein waschechter Mankell!
Der neueste Kriminalroman von Bestsellerautor Henning Mankell kommt diesmal ganz ohne Kommissar Wallander aus. Nur ein winziges Detail weist auf die Kultreihe hin - eine der Nebenfiguren in Die Rückkehr des Tanzlehrers ist der Bruder des Justizministers, der in Wallanders 5. Fall Die falsche Fährte ermordet wurde. Die Handlung spielt diesmal auch nicht in Ystad, sondern in Mankells Heimatort Härjedalen. Polizeibeamter Stefan Lindman steht seinem berühmten Kollegen in nichts nach und dass der Leser bereits nach dem ersten Drittel den Mörder kennt, macht die Story umso pikanter, denn jetzt jagen Polizei und Mörder Nr. 1 gleichzeitig aber nicht gemeinsam Mörder Nr. 2. Fazit: auch ohne Wallander bleibt Mankell ein hervorragender Kriminalautor! (Dr. Erika Weigele-Ismael)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Alles wie gehabt, meint Hannes Hintermeier zu Henning Mankells neuem Kriminalroman. Auch wenn der Kommissar jetzt Stefan Lindman heißt und Zungenkrebs hat, er arbeitet wie sein berühmter Vorgänger Kurt Wallander ebenfalls in Südschweden, liebt ungesundes Essen und komplizierte Frauengeschichten. "Wo Mankell draufsteht, ist auch weiterhin Wallander drin", attestiert der Rezensent. Und deshalb gibt es auch im neuen Mankell Längen und Wiederholungen, "platte Lyrismen" und auch dieses Mal ist Schweden selbst bedroht, von einem Netzwerk intelligenter Neonazis, die via Internet kommunizieren und nationalsozialistische Ideologie geschickt in zeitgenössischer Verpackung lancieren. Da verwundert es Hintermeier auch nicht, wenn der Fall "Mankell-typisch" endet, in einer "Verfolgungsjagd mit Schießerei, Tod und Nacht".

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Ein Musterbuch für funktionierende engagierte Krimiliteratur. Außerdem eine Studie in Einsamkeit und in Angst. Sowie ein Regenroman. Und das beste Gegengift gegen Orkan- und Schauerwetter, das uns dieser Bücherherbst zu bieten hat." Elmar Krekeler, Die Welt, 29.10.02

"Spannend und von bewundernswerter literarischer Qualität - eben ein echter Mankell." Der Spiegel, 18.11.02

"Vielleicht Mankells wichtigstes Buch." Brigitte, 10/02

"Mühelos beweist Henning Mankell, dass er es ohne seinen Wallander fast noch besser kann ... Ein atmosphärisch dichter Krimi." Cosmopolitan, 11/02

"Souverän bewältigt der Autor die Weiterung auf andere Regionen Schwedens und nach Argentinien, führt zu einem Ring lebender Nazis, blendet in die Vergangenheit auf jenen Zeil von Molins Schuld, der in der Gegenwart wiederkehrt: spannend." FACTS, 24.10.02

"... an Spannung kaum überbietbar ... Hennig Mankell gelingt es, die verschiedenen Suchenden in diesem Roman, der eher nebenbei auch ein Krimi ist, auf eine so fesselnde wie sensible Art und Weise zu beschreiben, dass die beiden Morde bald in den Hintergrund treten. (...) Es ist nicht zuletzt der hervorragenden Übersetzung von Wolfgang Butt zu verdanken, dass "Die Rückkehr des Tanzlehrers" ein ebenso spannendes wie literarisch anspruchsvolles Meisterstück geworden ist, das mehr bietet als die banale Antwort auf die alte Frage "Wer war der Täter?" Walther Wuttke, Rheinischer Merkur, 05.12.02