Eine philologische Annäherung an Trunkenheit, Prahlsucht und die eigenen Erinnerungslücken Die Erinnerung täuscht. Früher waren ja, ja, die Sommer irgendwie länger, die Nächte heißer, die Frauen und Männer schöner und auch sonst so... In der Erinnerung ist die eigene Jugend eine einzige aufreibende, wilde und aufregende, extreme und unwiederbringliche Party. Gut, wenn jemand das alles aufgeschrieben hat. Oder nicht?
1989: Helminger in der Station, der legendären Punk-Kneipe. Er kellnert, säuft, rammelt und schreibt seinen ersten Roman. Titel: Die Ruhe der Schlammkröte, erschienen 1994, 300 Mal verkauft. Vor der Theke: Andrack. Hält sich für einen Punk, säuft, hat nicht so wilde Sexgeschichten wie die anderen Jungs zu bieten, tanzt zu Iggy Pop, den Ramones und Sisters of Mercy.
2006: Die Station hat vor 14 Jahren dichtgemacht, Guy Helminger ist gefeierter Suhrkamp-Autor und wurde mit dem 3sat-Preis in Klagenfurt ausgezeichnet. Manuel Andrack M.A. (Magister Artium) kommt inspiriert von einer Germanisten-Tagung in Tübingen und hat die brillante Idee, den mittlerweile zum Klassiker gewordenen Erstling von Helminger in einer historisch-kritischen Ausgabe herauszugeben. Er versieht diesen Meilenstein der deutschen Belletristik mit rasiermesserscharfen Anmerkungen, die auch die eigenen wilden Zeiten nicht aussparen. Für den Philologen vollkommen uninteressant: die Entwicklungsgeschichte der Station und ihre Stoffgeschichte (Beck's, Budweiser, Bitburger). Doch Andracks Forschungsergebnisse sind spektakulär: Die Essenz der gesamten abendländischen Literatur seit Shakespeare findet sich in Helmingers Schlüsselroman.
1989: Helminger in der Station, der legendären Punk-Kneipe. Er kellnert, säuft, rammelt und schreibt seinen ersten Roman. Titel: Die Ruhe der Schlammkröte, erschienen 1994, 300 Mal verkauft. Vor der Theke: Andrack. Hält sich für einen Punk, säuft, hat nicht so wilde Sexgeschichten wie die anderen Jungs zu bieten, tanzt zu Iggy Pop, den Ramones und Sisters of Mercy.
2006: Die Station hat vor 14 Jahren dichtgemacht, Guy Helminger ist gefeierter Suhrkamp-Autor und wurde mit dem 3sat-Preis in Klagenfurt ausgezeichnet. Manuel Andrack M.A. (Magister Artium) kommt inspiriert von einer Germanisten-Tagung in Tübingen und hat die brillante Idee, den mittlerweile zum Klassiker gewordenen Erstling von Helminger in einer historisch-kritischen Ausgabe herauszugeben. Er versieht diesen Meilenstein der deutschen Belletristik mit rasiermesserscharfen Anmerkungen, die auch die eigenen wilden Zeiten nicht aussparen. Für den Philologen vollkommen uninteressant: die Entwicklungsgeschichte der Station und ihre Stoffgeschichte (Beck's, Budweiser, Bitburger). Doch Andracks Forschungsergebnisse sind spektakulär: Die Essenz der gesamten abendländischen Literatur seit Shakespeare findet sich in Helmingers Schlüsselroman.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2007Stationendramen
Muss die Geschichte der Popliteratur neu geschrieben werden? 1994 veröffentlichte Guy Helminger einen Roman im Selbstverlag, der seine Zeit als Thekenkraft der Punkkneipe "Station" ("von Kennern englisch Stäischen ausgesprochen") am Kölner Südbahnhof selbstkritisch aufarbeitet. Das war schon damals im doppelten Sinne eine Suche nach der verlorenen Zeit: 1992 wurde der Absacker-Laden nach Anwohnerbeschwerden geschlossen; für die hier verewigte Phase dürfte die Erinnerung so manchen Filmriss aufweisen. Diesen mit Sven Regener vergleichbaren Poproman avant la lettre hat nun der damalige Softpunk und Station-Stammgast Manuel Andrack nach Art einer Klassikerausgabe mit Fußnoten versehen und das Saufen, die Quickies, die Kloppereien und Katerfrühstücke mit eigenen Erinnerungen und mancherlei nützlichen und vielerlei nutzlosen, aber lustigen Informationen zum kölschen Underground ergänzt. Leider muss vor diesem Buch gewarnt werden, weil es eine Menge Schleichwerbung für alkoholische Getränke und Glücksspiele enthält. (Guy Helminger: "Die Ruhe der Schlammkröte". Wiederentdeckt, herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Manuel Andrack. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 232 S., br., 8,95 [Euro].) rik
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Muss die Geschichte der Popliteratur neu geschrieben werden? 1994 veröffentlichte Guy Helminger einen Roman im Selbstverlag, der seine Zeit als Thekenkraft der Punkkneipe "Station" ("von Kennern englisch Stäischen ausgesprochen") am Kölner Südbahnhof selbstkritisch aufarbeitet. Das war schon damals im doppelten Sinne eine Suche nach der verlorenen Zeit: 1992 wurde der Absacker-Laden nach Anwohnerbeschwerden geschlossen; für die hier verewigte Phase dürfte die Erinnerung so manchen Filmriss aufweisen. Diesen mit Sven Regener vergleichbaren Poproman avant la lettre hat nun der damalige Softpunk und Station-Stammgast Manuel Andrack nach Art einer Klassikerausgabe mit Fußnoten versehen und das Saufen, die Quickies, die Kloppereien und Katerfrühstücke mit eigenen Erinnerungen und mancherlei nützlichen und vielerlei nutzlosen, aber lustigen Informationen zum kölschen Underground ergänzt. Leider muss vor diesem Buch gewarnt werden, weil es eine Menge Schleichwerbung für alkoholische Getränke und Glücksspiele enthält. (Guy Helminger: "Die Ruhe der Schlammkröte". Wiederentdeckt, herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Manuel Andrack. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 232 S., br., 8,95 [Euro].) rik
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»Ein aus Hinterthekensicht geschriebenes und aus Vorderthekensicht kommentiertes, höchst anarchisches und ziemlich lustiges Buch.« Journal Frankfurt